3. März 2019

Georg Britting: Trittolfinger Fasching

   Zu gegebenem Anlass frisch entdeckt im Internet:
Georg Britting
   Trittolfinger Fasching
Erschienen im
Simplicissimus Jahrgang 32: 1927/28, Heft 43 vom 23. Januar 1928, Seite 590.

Die Titelseite des Heftes ziert Karl Valentin beim Karnevalsumzug, kostümiert als »präsumtiver Landesvator« (damit sich’s reimt), und auf derselben Seite 590 ebenfalls von Olaf Gulbransson eine Karikatur »Die völkische Gruppe« mit drei »Hitler-Girls«.
   Nun aber zum Trittolfinger Fasching:

   Der Fasching, wenn der kommt, der lockert überall die Sitten. Und, das ist das schlimmste, kostet viel Geld.
   Auch in Trittolfing.
   Da kommt zum Mittagessen an einem Dienstag der Herr Magistratssekretär und tupft Blut vom Kinn.
   Schreit seine Gattin: »Der Fasching ruiniert uns noch! Du hast dich doch erst am vorigen Samstag rasieren lassen!«
   So in Trittolfing.
*
   Und so in Trittolfing:
   Es ist Feuerwehrball, und da muss alles hin, und da geht alles hin, auch die neue Verkäuferin vom Kaufmann X. am Markt.
   Die stammt aus der benachbarten größeren Stadt und zeigt für Trittolfinger Verhältnisse ein bisschen viel Fleisch.
   Zweimal tanzt mit ihr der Sohn vom Schnittwarenhändler Huber. Zweimal!
   Dann schießt er strahlend auf seinen Spezi zu, den Franzl, und wispert: »Gewonnen! Hautona! Ich kenn doch das Fabrikzeichen!«
*
   Und beim Großen Wirt ist Redoute.
   Da geht’s hoch her! Da geht’s wild auf! Direkt dionysisch!
   Und an einem Tisch sitzt der Herr Tierarzt und der Herr Apotheker und trinken, wahrhaftig, Sekt!
   Geht ein Maskiertes Mädel vorbei, und der Herr Tierarzt zwickt das Mädel ins Bein, überm Knie, eine Handbreit überm Knie.
   Das Mädel quietscht zuerst. Dann sagt sie: »Wie du mir, so ich dir!« und zwickt den Herrn Tierarzt auch ins Bein, überm Knie, eine Handbreit überm Knie. Und geht,
   Der Herr Apotheker hat staunend und begeistert zugesehen. Dann schlägt er mit der flachen Hand auf den Tisch und schreit: »Sackerment! Ist das hier ein Sündenbabel
   Und trinkt rollenden Auges, wollusterschauernd, sein Glas aus.
*
   Und die Metzger- und Gastwirtinnung gibt auch ein Kostümfest.
   Dazu hat sich die Frau Metzgermeister Zacherl ein Bajaderenkostüm machen lassen und zieht es probeweise an, und zeigt’s dem Herrn Gemahl,. Sie ist rosig und fett, die Frau Metzgermeister, und das verbirgt das Kostüm nur wenig.
   Herr Zacherl schüttelt zuerst den Kopf. »Es geht net! Man sieht zu viel!«
   Sie zieht einen Flunsch, die rosige Meisterin. Da sagt der Gemahl schnell: »Aber es san ja lauter Metzger! Dös an Fleisch gwohnt!«
   Und die Bajadere ist selig.

»Hautona«, da ist wohl »haut einen« gemeint, »oana«. »Schnittwaren« waren entweder »Ellenwaren«, also Stoffe von der Rolle, oder Schnittholz. Den Witz mit dem Fabrikzeichen versteh’ ich nicht. Und wo dieses »Trittolfing« sein soll, weiß ich auch nicht, ist vielleicht ein Phantasiename. – Schreiben hat er halt können, der Britting!

Quelle siehe http://j.mp/2UgY3QT
http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/pdf/1/32/32_43.pdf#page=14

Rund 93 weitere Werke Brittings im Simplicissimus. Der »Fasching in Trittolfing« ist nicht aufgeführt:
 https://de.wikisource.org/wiki/Simplicissimus/Inhalt_1930%E2%80%931944 – dort nach "Britting", vielleicht auch nach seinem Kürzel "Br" oder seinem Alias "Agilolf" suchen.

Im Simplicissimus finden sich zahlreiche Britting-Gedichte und -Texte. Ein Beispiel: Sein Gedicht »Möwen am Fenster«, man suche etwa nach der Zeile "weiß der Bauch und Füße rot", steht hier im Simplicissimus, mit schönen Möven-Skizzen von Gulbransson darüber. Oder die spannende Geschichte von Ambros, dem Holzfäller.

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