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Mittwoch, 9. Mai 2007 – letzter Tag
In der Nacht anlässlich Pipi Carla (5) hinaus auf den Hof getragen, Sterne gucken. Sie erkannte gleich von sich aus den Großen Wagen. Hier in den Bergen sieht man sogar die Milchstraße!
Frühmorgens habe ich mich dann allein aufgerafft, das Protokoll der Hofversammlung vom 30. April zu schreiben. Birte simste um 5.50 Uhr aus Rosenheim [wo sie studierte]: »Einen guten Morgengruß nach Südtirol. Hier regnet’s Bindfäden, und ich muss gleich zum Bahnhof, mim Radl natürlich – na ja ...«. Und auf meine Frage, ob sie bei unserer Rückfahrt da sei, dann um 6.05 Uhr: »Ja, bin da, allerdings von 13.30—16.45 Vorlesung. Meldet euch doch mal, wenn ihr in der Nähe seid. Vielleicht gehts ja aus, einen schönen Tag.« Soviel zur Jörnschen Synchronisation.
Dafür begrüßte mich heute – nach 14 Tagen! – T-Mobile im Netz der Telecom Italia Mobile, und Helmut Seethaler, der arme Wiener Zettelpoet, sandte eine Brand-Schnorr-SMS mit Postscheckkonto (7 975 059, 1200 Wien, Wasnergasse 43/8, von +436643369572), ein »letzter Versuch, seine Zettelei zu retten«.
Der Tag ist warm, 21 Grad am Hof, aber ¾ bedeckt. Die Damen sind wie gewohnt mit der Sonne aufgestanden (bitte zurückblättern, wann die hier aufgeht!), und dann haben wir schön am Holztisch draußen am Hof gefrühstückt, mit Ei sogar (fünf Minuten, Doris’ sieben), da, wo ich jetzt am Nachmittag dies tippe (und froh bin, dass keine Sonne scheint, sonst sehe ich nichts im Display). Bilder: links Carla auf der Ebenwies, rechts Monique morgens am Hof.
Um zehn erreichte ich Hauptforstrat Dr. Broll telefonisch im Büro und sprach meine Enttäuschung über das amtliche Durchforsten an. Er will der Sache nachgehen.
Weil bei uns die Semmeln zur Neige gingen, entschloss sich Doris zu einer letzten Fahrt ins Dorf. Ich wollte zum Gampenrieder unten in Niederwangen. Monique wollte mit Doris, Carla mit mir mit. Also hat uns Doris zum Gampenrieder gefahren und kam dann noch rechtzeitig für Besorgungen ins Dorf, Speck zum Beispiel. Unser Geld geht zur Neige, zeitlich passend. Sie hat noch das Grab gewässert, ein Licht angezündet, und kaufte ansonsten beim neuen Despar ein, der mittags offen hat und abends bis um sieben. Schade, eigentlich ...
Carla und ich haben uns beim Gampenrieder (920 m, wir liegen gleich hoch) – eine Landkarte und ein früherer Wanderbericht von mir müssten eigentlich im Internet zu finden sein. Warum diese Blogs nicht von Google indiziert werden, weiß ich nicht) – erst einmal mit dem Altbauern unterhalten, der gerade Erdäpfel sortierte. Der Mann sieht alt aus, ist aber hellwach, wusste mein Geburtsjahr, das ich ja selbst fast verdränge. Gute, langsame Unterhaltung. Ich rede gern mit den Alten, es braucht nur Ruhe und Zeit dafür. Gestern war der Fitscher da, kolportierte, dass mein sel. Großvater ihm gestanden hatte, er müsse wohl betrunken gewesen sein, als er ihm sein Grundstück unten im Tal verkauft hatte – »wenn er jemals betrunken war« [Die Fietsch, oder Fitsch, hatte zu Siebenfahr gehört]. Ich gönn’s ihm gern, dem Fitscher. Er erinnerte sich noch, wie er uns oft die Koffer in den Milchaufzug hob, der von dort aus auf unseren Hof ging, bevor man mit dem Auto heraufkam. Aber ich schweife ab.
Der Weg vom Gampenrieder zum Haselbrunner (1050 m) geht zunächst direkt oberhalb seines Hofes hinauf. Das nächste Tal dazwischen ist das schluchtartige Rotwandtal, aus dem schon die Lentsch und Schlögg ihr Wasser haben. Man muss also erst einmal hinauf, um die Schlucht zu umgehen und kommt dann auf einen breiten Güterweg, der bis zur Haselbrunn-Grenze geht. Ein Plan, den Weg befahrbar weiterzuführen, wurde bis jetzt nicht verwirklicht. Wir haben dabei natürlich allerlei erlebt. Hier punktweise:
· den alten Bauern
· die Schlucht (»Carla, gib mir die Hand!«)
· eine Quelle im Rotwandtal, das frische Wasser mit dem Universal-Frisbee aufgefangen
· eine kleine Schlange, tot, eine Eidechse, viele Vögel, Grillen u. a. Getrier
· eine Spinne am Weg, die sich spontan aus dem Netz auf den Weg fallen ließ und dann, beruhigt, mit aufzugartiger Geschwindigkeit senkrecht wieder am Faden hochfuhr und sich wieder in die Mitte ihres Netzes setzte.
· einen Ameisenbaum, also ein Ameisennest in einem lebenden Baum
· zwei Ameisenstraßen, eine oben entlang einem Zaun als Hochstraße
· schöne Schmetterlinge
· eine Eibe
Auf dem Weg öfters sehr schönen Blick auf den Hof und ins Tal hinein. Das Foto zeigt den Hof und dahinter das Sägewerk – vielleicht sogar mit unserem Holz –, den Weiler Bundschen und die Sarner Berge (wers genauer weiß, bitte melden!). Rechts oben die Sefen (1016 m), ein Hof angeblich mit uraltem Heiligtum. Ideal ist wohl der Rundweg oben über Haselbrunn hin zum Gampenrieder und dann unten über die alte Römerstraße zurück.
Bei Haselbrunn machte niemand auf, dafür kam uns später die Haselbrunnerin mit dem Sohn im Auto entgegen. Sie hatte ihn vom Kindergarten in Sarnthein abgeholt. Nächstes Jahr soll er in die Schule, dann gibts Schulbus. Hier am Hof noch den neuesten Ansitz am Raut beim Etzel bewundert: fast eine Gartenhütte mit Bozen-Talblick und Hochklappfenstern. (Dass man Martina und Igor ins Schlafzimmer gucken kann, ist bereits negativ aufgestoßen.)
Dann ein spätes Mittagessen mit Tomatensuppe. Die Kinder stellen mit großen Zaunpfählen und Wackersteinen einen Burgbrunnen mitten im Hof auf und haben überhaupt ihr Allotria. Doris musste den bösen König spielen – bequemerweise aus der Campingliege. Der Vater des Bienenzüchters kam vorbei. Sie holen 46 Stöcke aus Graz, dort seien sie bis zur Hälfte billiger. Morgen sollen sie installiert werden.
Jetzt wollen wir noch wagenwaschen, packen. Doch Carla haut ab, beleidigt, weil ich ihr energisch sage, sie dürfe Moniques Bürste nicht über den Hof werfen: »Ich gehe jetzt weg und komme nicht wieder ...«. Ich habe sie mit Monique dann tatsächlich auf dem Weg nach Bonn gesucht, während das schlaue Kind schon wieder hinterrücks heimgekehrt war. Dumm, und dennoch erschreckend.
Am Abend hat sich Michl angemeldet – der inzwischen zur Gaudi der Kinder hier war, bis zwanzig nach acht, mit und Abend aß. Fritz versuchte aus frischen Haselnusszweigen Pfeifen zu schnitzen. Mehr als ein »Proof of Concept«, tesafilmgeflickt, kam nicht heraus, die Zweige stehen zu wenig im Saft, und man bekommt die Rinde nicht runter. Jetzt angeln die Kinder am Trogabfluss Kaulquappen, der Fotoapparat will sie aber in der Emailleschüssel nicht recht scharfstellen. Es wird kühl, 13 Grad. Eine Amsel singt Gut Nacht, Grillen zirpen – ein Städter hielt’s für Tinnitus, so ausdauernd. Ein Süd-Nord-Jet zieht noch Kondensstreifen in der Sonne. Ich werde den Platz hier vermissen, wo man die Augen vom »Schreibtisch« aus sozusagen ins oberste Bücherregal heben kann und sieht immer noch den eigenen Berg, die eigenen Bäume. Hoffentlich kann ichs erhalten.
P.S. Juhu. Gestern kam wieder einmal eine Leserrückmeldung: »Lieber Fritz, vielen Dank für die tägliche Morgenlektüre! Und einen angenehmen Aufenthalt wünscht Michael« – Habe mich sehr gefreut, und bringe sie hier der kuriosen Zeichen halber.
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