26. Februar 2024

Sprache ist kein Schmuckblatttelegramm

Zeppelin
Wieder wider das Gendern.
Wir verhunzen gerade unsere deutsche Sprache. 

Für Gendern wird sogar in der Kirche gelogen, etwa bei den Lesungen. In der Bibel war die damals übliche Anrede etwa so: Paulus, berufen zum Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, und der Bruder Sosthenes an die Gemeinde Gottes in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen samt allen, die den Namen unsres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! … (Quelle Lutherbibel 2017). Im Gottesdienst gelesen wird dann aber wohl: Aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Liebe Schwestern und Brüder … . Diese Schwestern und Brüder kommen in der ganzen Bibel nicht vor, nirgends; wir klittern uns den Text und schieben die Schwestern und Brüder von links in den Text hinein, als sei die Bibel ein Kindermärchen wie Jim Knopf und müsse angeglichen werden, damit das Wort Gottes zeitgemäß höfich erscheint.

Sprache dient der Verständigung zwischen Sprecher und Hörer. Nicht zwischen Sprecherin oder Sprecher und Hörerin oder Hörer, schon gar nicht zwischen Sprech:erin und Hörer:in oder Sprech*erin und Hörer*in und so weiter. Sprache ist nicht dazu da, einem oder einer Genannten den Bauch zu pinseln, denn meist hört der Genannte eh nicht zu. Das deutsche Auswärtige Amt nennt jetzt Kiew amtlich um in Kyjiw. Alle offiziellen Stellen müssen es ab sofort so schreiben. Ob man das jetzt auch anders ausspricht? Wie Roma anders klingt als Rom? Wir sollten der Ukraine endlich die gewünschten und sehr nötigen Taurus-Raketen liefern, nicht ein am Papier ukrainisiertes Kiew, für das sie sich nichts kaufen können. Für mich ist das eher Hohn und Spott als hilfreich.

Warum man jetzt statt Flüchtlingen Geflohene sagen soll? Ich weiß schon, weil man Engerlinge nicht mag, und ein Hörer von Flüchtligen die dann auch nicht mögen könnte. Unsere Politik bekämpft die Sprache, von oben nach unten, statt ordentliche Politik zu machen. »Gestern ist bei uns ein Sinti und Roma ins Kellerfenster eingestiegen« – oder »ein Sinti oder Roma«? –, und dann ist das netter, als wenn’s ein Zigeunerbub war?

Siehe auch mein ausführliches https://blogabissl.blogspot.com/2021/11/gendern-usw.html

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Link hierher:
   https://blogabissl.blogspot.com/2024/02/sprache-ist-kein-schmuckblatttelegramm.html

  

PS. Falls du nicht weißt, was ein Schmuckblattelegramm war, siehe hier https://de.wiktionary.org/wiki/Schmuckblatt-Telegramm und vielleicht auch unter https://de.wikipedia.org/wiki/Telegramm . Mein Beitrag zum Thema Telegramm ist die Indolonie von 1870: http://www.joern.de/Indolinie.htm .

23. Februar 2024

Oder in der Sprache

Die Wikipedia erklärt es eigentlich ganz gut, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Konjunktion_(Wortart)#oder .
   Von den zwei Oder-Arten, dem exklusiven Oder und dem inklusiven Oder, meint die Sprache meist das exklusive:
• »Von Süden kann man rechts- oder linksrheinisch nach Bonn fahren« ist klar nur ein Entweder-Oder.
• » … fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke« ist zwecks Vermeidung des generischen Maskulins (»Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«) Murks. Meine Glosse dazu auf https://blogabissl.blogspot.com/2024/01/und-fragen-sie-ihre-arztin-oder.html . Ordentlich sollte es voll gegendert vielleicht heißen » … fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder ihre Apothekerin oder ihren Apotheker«.
   Der Trick mit der Apotheke macht’s kürzer. Allerdings erwartet man bei einer Folge von Kommas oder schon bei nur einem – hier nach der Ärztin – eine Reihung: Bei »Vater, Mutter und Kind« sieht man alle dreie. Bei »Vater, Mutter oder Kind« nur eins kommen. Das am Ende stehende und oder oder bestimmt also, ob man entweder zur Ärztin oder zum Arzt gehen soll, oder vielleicht zu beiden gehen kann.

Nun ist Sprache nicht Mathematik, schon gar nicht formale Logik. Vieles ergibt sich aus den Umständen, den Worten drumherum. Lassen wir’s so, aber hören wir mit dem Gendern auf. Wie sollen etwa Ausländer das verstehen? Studenten und Studierende, einfach dasselbe, Flüchtlinge und Geflohene auch, Bäuer*innen auch männlich? Studenten z.B. sind häufig keine Studierenden. Sie können auch gerade fleißig Kellnern oder aufhören und dann Politiker werden. Man kann eine Sprache auch von Amts wegen kaputt machen, wenn man sonst nichts vorhat.

Genug. Link hierher: https://blogabissl.blogspot.com/2024/02/oder-in-der-sprache.htm 

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6. Februar 2024

Sprachgedanken zu Sepp Malls »Ein Hund kam in die Küche«

Mit Verlaub. Da bin ich pingelig. Ich mag es gern, wenn die Sprache zu Zeit und Ort passt. Außerdem kritisiere ich gern, eigentlich immer. Und in diesem Blog weiß ich, dass ihn nicht viele lesen. Bitte also nicht ärgern.

Vorab: Ich ging 1947 in Bozen auf die deutsche Volksschule, lernte an den Tunells der Sarner Straße bis 24 zählen (heute orthographisch Tunnels, aber realiter schon weg), und lebte dann bis zum Abitur in 13b Oberbayern, im Chiemgau im Internat. So spreche ich bis heute.

Sepp Malls Roman fing ich an zu lesen, ohne den Inhalt zu kennen. Die Sprache ist 1a, der Rhythmus stimmt, die Sätze fließen, man kann sich’s richtig vorstellen – kein Wunder, dass das ein Bestseller wurde. Meinen Glückwunsch!

Nur.

Die Namens- und Wortwahl stößt mir auf. Die ist halt zwei Generationen weiter, moderner, glatter als ich’s mag.
   Zum Beispiel greife ich einfach Seite 37 heraus, von der 2. Auflage. 
• Steinchen. Mir kommt vor, dass die Verkleinerungsform mit -chen eher selten ist. -derl sagt man auch nicht in den Bergen. Ein kleiner Stein, der passt.
• Schädel, genau. Da hätte Kopf gereicht.
• Kathrina. Wenn, dann Katharina, Kathl.
• Hanno, der arme Kleine, der »Zurückgebliebene«. Wer bitte hieß damals Hanno oder Enno, Heiko, ostfriesisch in meiner Assoziation. Der Name Hanno wird im Roman erklärt; trotzdem. Der Erzähler heißt Ludi
• Quietschen von den Gleisen vom Innsbrucker Hbf. Gleisen? Die gibt’s nur fahrplanmäßig als Gleis 2, binario due, usw. Die Schienen nennt man Geleise, mit noch einem E mehr.
• Mariendorf. Das klingt mir nun ganz böhmisch. Nicht in Südtirol. Da gibt’s Unsere Liebe Frau im Walde und eine Menge Maria sowiesos. Überhaupt

stinkt mir der ganze stinkende Hirsch (Seite 17 …). Ist der glaubwürdig? In einer Zeit, wo Fleisch rar war? Kein Wilderer lässt so einen Hirsch liegen. Überhaupt hätte es mich interessiert, was an der Geschichte wahr ist, was ausgedacht. Nur so, aus Interesse.

Für das Reich optiert haben damals hauptsächlich Männer aus der Mittelschicht, die sich einen Hof versprachen. Welchen Beruf hatte der Vater?
   Unser eigener Pächter ist mit seinen vielen – ich meine zehn – Kindern 1943 vom Sarntal nach Nordtirol gelockt worden, und hat tatsächlich einen Hof bekommen, sehr zum Neid der Alteingesessenen. Es gab südtiroler Bauern, die bis ins Warthegau geschickt wurden. Das österreichische Fernsehen hat einen Bericht über unseren Abwanderer gemacht. Mehr darüber hier.

Zu dieser Zeit gehört das kleine Buch »Unvergessen« von Franz Thaler, siehe  https://www.raetia.com/de/geschichte-und-politik/511-unvergessen.html . Sehr authentisch.

Ein Detail noch: In der faschistischen Zeit durften Gräber nicht deutsch beschriftet werden. 

Damit bin ich schon am Ende …

Bahnhof Innsbruck, 2020. Blick nordwärts. Foto Jörn


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  Einige Rezensionen von »Ein Hund kam in die Küche«
https://salto.bz/de/article/17102023/sepp-mall-ein-hund-kam-die-kueche
• FAZ https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-des-romans-ein-hund-kam-in-die-kueche-von-sepp-mall-19152861.html
• Perlentaucher im Rückgriff auf die FAZ-Rezension https://www.perlentaucher.de/buch/sepp-mall/ein-hund-kam-in-die-kueche.html
• Amazon https://www.amazon.de/Ein-Hund-kam-die-K%C3%BCche/dp/3701182868

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