24. Januar 2009

Parallelhandel

Hier sieht man ein übliches Mittel zum Senken hohen Blut­drucks, regulär auf Krankenkassenrezept mit gesetzlicher Zuzahlung in einer deutschen Apotheke gekauft. Packung und Beipack­zettel sind gewohnt deutsch. Die Tabletten sind blister­ver­packt und hier schon zur Hälfte verbraucht. Was fällt dem auf­merk­samen Pillen­nehmer noch auf? Nichts? Dann viel­leicht aufs Bild klicken, damit es größer wird.
Die original aufgedruckten Tage «Lun», «Mar», «Mer» etc., die sehen doch nicht so ganz geläufig aus. Ein zu­sätz­licher Über­druck wieder­holt die Chargen­nummer und kennt die Wochen­tage auf Deutsch.
Googelt man das Stichwort »Arznei­mittel­parallel­handel« so wird man fündig. Medizin wird in Europa zu sehr unter­schiedlichen Preisen verkauft, scheints je weiter südlich und östlich, desto weniger teuer. Also gibt es Umpacker, die die, sagen wir, fran­zö­si­schen oder un­ga­ri­schen Schach­teln aufmachen, die dortigen Bei­­pack­­zettel wegwerfen, und den Inhalt dann ein­ge­deutscht hier in den Handel bringen, ganz offiziell. Das Me­di­ka­men­ten­parallel­handels­volumen hat Frost & Sullivan 2005 auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Das Haupt­problem dabei scheinen weniger Arbeits-, Trans­port oder Handels­­auf­wand zu sein, eher Waren­zeichen- und Urheber­rechts­fragen bei den Druck­sachen. Da­ge­gen gibt es Fach­bücher: Rechts­anwalt Dr. Stefan Lieck hat 2007 seine Doktorarbeit darüber gemacht, »unter arznei­mittel-, marken- und patent­recht­li­chen Aspekten«. Das Um­packen birgt freilich auch die Gefahr gefälsch­ten Inhalts, das aber wird sich regeln lassen. »Parallel­händler begehren gegen die Pläne von EU-Kommissar Günter Ver­­heugen auf, ein EU-weites Um­pack­verbot von Arznei­mitteln durch­zu­setzen. Sie fürchten den Verlust von mehreren Tausend Arbeits­plätzen, Kosten­stei­gerungen im Gesundheits­­wesen und eine Zunahme des illegalen Medikamentenhandels«, lobbyt das deutsche Ärzteblatt.


Ich will nicht weiter recherchieren, wende mich nur mit Grauen ab von dieser unheimlichen Verwindung europäischer Gesundheitspolitik. Sonst steigt mir noch mein Blutdruck.

18. Januar 2009

Krankenhaus und Kreditkrise

Gedanken am ersten Tag im Krankenhaus, in dieser anderen, sonst Gott sei Dank fernen Welt; nach der glücklichen Entlassung ergänzt.

Beim Empfang bekommt man eine Menge maschinenlesbarer Aufkleber. Dann Aufzug, Abteilungen, Gänge mit Handläufen, Linoleum. Schließlich im Zimmer. Der Schrank ist zu klein für den Koffer. Ich hätte nichts mitbringen sollen, alles wird gestellt: Handtücher, Schlafanzug – ein hinten offener Kittel –, sogar Einmalrasierer. Kurze Vorstellung bei den Mitbewohnern (zweien, natürlich nicht im Bild), nicht gerade ein heiteres Hallo.

Erst frage ich nach der Krankheit, dann dem Beruf. Der alte Mann mit kaputten Nieren und schlechtem Herz war Stellmacher in einer LPG gewesen, der etwas jüngere Tunesier ohne Blut im Bein, hochintelligent, Schachspieler, hatte vor der Wende ein kleines Hotel in Bonn bis zur Pleite geführt; tüchtige, ehrliche, fleißige Leute, hier, wie ich, reduziert, »pazient«. Dann höre ich auf; die ausführlicheren Geschichten erfahre ich erst mit der Zeit. Es ist warm, dreiundzwanzig Grad, vom Gang herein dringen Geräusche, Gespräche, Eisenbahnstimmung. (Später irritiert mich ein hohes Pip-Piep, wie aus einem gestörten Gerät; das ist die »Klingel« für die Schwestern am Gang, es piepst, bis die Anfragen in allen Zimmern gelöscht sind, und das kann, besonders Nachts, dauern.) Der müden Reisestimmung fehlt nur das monotone Brummen der Flugzeugdüsen oder das Schaukeln und Rattern der Räder, draußen vorbeiziehende Nacht, der Wechsel der Leute. Ich werde sofort schläfrig. Jedenfalls versiegt mir im Krankenhaus jeglicher Tatendrang, na ja, ich tippe das; ein anderer tät zur Beruhigung am Pullover weiterstricken. Nur Raucher mögen nervös werden, ich bin’s Gott sei Dank nicht. Die Ärztin kommt und legt für die Zeit hier einen »Zugang« in eine Vene am linken Handgelenk . Ab dann bekomme ich tröpfchenweise Salzwasser infundiert (»isotonische Kochsalzlösung«), gut für meine Nieren.

Die Infusionsflaschen sind inzwischen ganz aus Plastik, das sie mit der Zeit bei Unterdruck einfach zusammenschrumpeln lässt. Doch die größte Änderung seit meinem letzten Aufenthalt hier (einem TEP-Leistenbruch im Oktober 2005): Handys! Schon auf dem Dach des Krankenhauses stehen gut sichtbar große Mobilfunkantennen. Ärzte und Ärztinnen haben keine Piepser mehr, hasten zwischendurch nicht mehr ans nächste Wandtelefon. Es gibt ja Handys. Kommunikation schnell und wie nebenher aus der Kitteltasche mit den Bleistiften. Dabei hat noch vor ein paar Jahren alle Welt ein Trara um die Strahlung gemacht. So setzt sich Vernunft durch.

Leider scheint das in den administrativen Abläufen des Krankenkassensystems weniger der Fall zu sein. Ich musste eigens für diese Krankenhauseinweisung nacheinander zwei Ärzte abklappern, Hausarzt, Facharzt, obwohl mich beide kannten und bereits alles feststand, keiner mich neu untersucht hat. Man hätte das telefonisch, oder noch besser über E-Mail erledigen können. Die Chipkarte der Krankenkasse dient nur zum Beweis, dass einer wirklich beim Arzt war. Damit der nicht Phantasiepatienten abrechnet. Was er abrechnet, bleibt noch immer seine Sache, Geheimnis zwischen ihm und vielleicht einer Abrechnungsstelle. Nicht einmal die (zahlende) Krankenkasse darf das im Einzelnen erfahren. Und Patientendaten sind so gut geschützt, dass sie bei Bedarf keiner hat. Also gebe ich alles mündlich immer wieder an, fragmentarisch, so gut ich es verstanden habe, bis hin zur Telefonnummer meiner Frau. Und selbst diese unverfängliche Nummer muss ich hier im Krankenhaus zweimal eintragen, die Systeme sind ja autonom, Effizienz ein Fremdwort? Das wird so bleiben, schließlich bestimmt doch der Staat mit seinen immer wieder »reformierten« Gesetzen alle Details, Abläufe und Ausgaben: Medizinen zahlt er, blutverdünnendes Aspirin nicht, Plomben schon, Zahnersatz nicht usw. So könnte man keine Windschutzscheibe reparieren, obwohl auch das der TÜV im Einzelnen vorschreibt. Seit heuer, 2009, haben wir nun einen »Gesundheitsfond« – eine extra Krankheit für sich. Und wir glauben an den Staat als allgemeinen Retter!

Ich meine zur Krankheitspolitik: Es ist halt niemand wirklich an kostengünstigen Abläufen interessiert, warum auch? Keiner verdient daran. Komplexität bringt Arbeit. Konkurrenz gibt es nicht. Ständewirtschaft. Sollte sich denn ein »Gesundheitssystem« selbst rationalisieren? Es wäre schön blöd.

Auch, und wo sollen denn die ganzen Leute hin? Keiner kann sich vorstellen, dass hier Unnötige wieder anderswo einen Job finden könnten. Festhalten, Klammern ist die Devise, bei Bergarbeitern, Bankern und Behörden, allüberall. So aber dreht sich die Welt nicht weiter, und wenn, dann bloß in Indien. – Achtung: Ich schwenke zur Politik.

Wir müssen wieder Mut finden, den Glauben an neue Arbeitsfelder, an neue Wünsche, die die alten Leute neu erfüllen. Nachfrage und Angebot. Beispiele aus der Vergangenheit gibt es genug: PCs und Mobilfunk, Döner und Kaffe-»Latte«, Starbucks und Car-Glass, W-Lan und Internet – nur halt noch keine Beispiele aus der Zukunft …

Ein weiterer Seitenhieb: zur Krise. Kredite. Faule Kredite hätten die Banken vergeben, heißt es, und das sei Auslöser der Krise. Sie haben’s doch getan, weil zuviel Liquidität im Umlauf war, (Konjunktur-)gefördert von den Staaten, von Welt- und Landesbanken, von künstlichen Renmimbi-Kursen. Warum müssten sonst deutsche »Landesbanken« Kredite amerikanischer Häuselbauer kaufen? Überall waren die Renditeerwartungen hoch, höher jedenfalls als die Vorsicht. Und sie sind es immer noch! Die Commerzbank hat 164 Milliarden Euro vom Staat bekommen. Sie muss dafür jährlich 1,5 Milliarden Zinsen zahlen. Ich habe einmal das eine durch das andere geteilt: Das ergibt über neun Prozent Zinsen! Unser Staat als Zockerstaat oder: Wie soll das erwirtschaftet werden? Inflation ist programmiert.

Wir können doch nicht Kredite als Krisenursache verteufeln und dann doch wieder nach Krediten rufen, für alle und jeden. Beispiel Autos. Die hat man sich früher geleistet nach eigenem Vermögen, hat sie bezahlt. Seit ein paar Jahren wird geleast, das heißt, man fährt auf Kredit, auch privat, auch hier. Ironisch gesagt: Firmen und Menschen besinnen sich auf ihre »Kernkompetenzen«, alles andere wird outgesourct, geleast, notfalls nach Amerika verkauft und zurückgeleast, wie die Straßenbahnhaltestellen in Dortmund oder die U-Bahn in Wien und die Zürcher Straßenbahn. Eine Schande.

Vorschlag: Statt von der Zukunft zu pumpen, erhöhe man die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich um zehn Prozent, dadurch höheres Nationalprodukt, bald mehr echtes Geld zum Ausgeben – ganz ohne Anleihen bei kommenden Generationen. Frischer Mut, heute (now!). Selbst bei einheimischen Dienstleistungen tiefere Preise; international erhöhte Wettbewerbsfähigkeit. So ungefähr müsste das aussehen – nur tun wird’s keiner.

Nun, ich verlasse die Politik, mit der Empfehlung den Artikel »Wie steht es mit dem Comeback des Keynesianismus?« aus der Neuen Zürcher Zeitung vom Freitag, 16. Januar 2009 (meinem Krankenhaustag) zu lesen, auf Anfrage bei mir, oder im Netz bei Oehen.

Zurück zum Krankenhaus. Nach zwei Nächten und einer Herzkatheteruntersuchung mit Stent-Einsatz in einem Herzkranzgefäß (Ramus intermedius) bin ich wieder wohlbehalten zu Hause. Auch der Tunesier ist längst glücklich entlassen, nur Opa R. (Porzellanmarke) muss noch bleiben, ist schlecht dran. Ich besuche ihn am Sonntag, selbst schon entlassen, lerne seine Frau kennen. Sie erzählen über ihre Zeit in der DDR, wie sie ihr Haus vor der »Familienzusammenführung« (»Ausreise« war Tabuwort) in den achtziger Jahren doch noch hatten verkaufen können, dem Pastor mit seinen vielen Kindern, da hatte er Anspruch – und hatte sich nachher doch als ihr Stasi-Spitzel herausgestellt. Gut zu reden über die alten Zeiten, ein Geheimkode von uns Gestrigen, aus einer bestimmten Zeit, aus einer bestimmten globalen Gegend. Heimatgedanken, obwohl ich nie in der DDR gelebt habe.

Mein Nachbar von der anderen Straßenseite kommt zu Besuch. Die Nachbarin von oben sogar zweimal, rührend. Sie kennt sich aus in Krankenhäusern, ist vom Fach. Der häufige Wunsch der Patienten nach Belebung der Decken (Plafonds): Wenn einer so gefahren wird, im Bett zum OP, nach oben starrt, Lampen, Rauchmelder und Deckenplatten ziehen vorbei wie Eisenbahnschwellen. Es bräuchte Schilder: »Noch 50 m bis zum OP«, »Noch 40 …« und so weiter.

Episode: Die EKG-Nehmerin, bei der ich gleich anfangs zur Aufnahme war, kommt hernach mit ihrer tragbaren Laptop-EKG-Maschine aufs Zimmer und besucht mich. Sie fährt ihr beziehungsweise mein EKS. »Ja hallo!«, sagt sie, dann erklärend: »Ich erkenne die Leute an ihrem EKG«. Vorhofflimmern.

10. Januar 2009

Linux, der Retter, war da!

Harmlos hat es angefangen. Mein Nachbar lud mich unter der Woche zum Mittagessen im Kreise der Kleinfamilie ein. Ich möge nur ein viertel Stündchen vorher kommen, seinen Laptop wieder in seinem W-Lan anmelden. Er habe ihm nach Ärger mit einem Stück Software, das nicht richtig lief, ein frisches Windows XP aufgezogen. Nun müsse noch die übliche Netzverbindung eingerichtet werden.

Es stellte sich heraus, dass der gute (und glänzende) Tchibo-Laptop seine eigene eingebaute W-Lan-Hardware nicht mehr erkannte. Mit der aufgedruckten Tastenkombination ließ sich der Funk aus- und einschalten, im Bios war er sichtbar, nur Windows wusste nichts davon. Net Stumbler, den ich versuchweise installierte, bewies klar: Keine eigene Funkeinrichtung vorhanden.

Der Nachbar hat dann hier über Medion Treiber zum Herunterladen gefunden und installiert. Kaum waren sie drin, war auch er wieder »drin«. Alles in Butter?

Es zeigte sich, dass auf dem Rechner nun zwei Windows XP saßen, eines auf C, ein neues auf D. Das gute alte lief auf C, war völlig in Ordnung und hatte alle seine gewohnten Programme, Einstellungen, Mails und so weiter nach wie vor dabei. Also starteten wir das System dort.

Das neue Windows auf D war überflüssig. Wir wollten es löschen. Ich wusste aber nicht wie, weiß das immer noch nicht. Also meinte der Nachbar, lass uns D frisch formatieren, dann ist es weg. Richtig, nach einigen Sicherheitsbremsungen gelang es uns, D sauberzuputzen. Ein großes Gefühl, so ein Format D:. Nur Format C: ist higher.

Beim Starten ließ und der Rechner nach wie vor die Wahl, das eine oder das andere (nicht mehr vorhandene) Windows zu starten. Blödsinn. Also habe ich ein bisschen mit der boot.ini gespielt, so lange (ein Uhr null sieben nachts) bis der kleine Rechner nur mehr direkt von der nicht vorhandenen Windows-Installation auf D starten wollte, also garnicht. Das passiert, wenn unter der Zeile »[operating systems]« nur mehr eines steht, bei uns leider nächtens das falsche. Vorsichtshalber hatte ich keinen Wiederherstellungspunkt gemacht (Start, Ausführen, msconfig, Allgemein, Systemwiederherstellung starten, Einen Wiederherstellungspunkt erstellen), sodass auch damit keine reumütige Rückkehr möglich war. Im Recovery-Modus von der Windows-Original-CD gab es keinen Editor, womit der verhundsten boot.ini beizukommen gewesen wäre, und bootcfg kannte ich noch nicht. Also: Ende der Fahnenstange.

Knoppix

Der Nachbar zog prompt ein altes Knoppix-Linux vom April 2003 auf einer c’t-Diskette aus dem Regal (Version 3.1, im Bild ein etwas neueres). Damit ließ sich wunderbar auf seine Platte beziehungsweise deren mehrere Partitionen gucken. Mir war Linux neu. Das nur mit der internen Maus steuerbare System reagiert ungewollt schnell schon auf bloßes Verweilen über einem »Knopf«. (Der Name Knoppix stammt aber nicht daher: Der Mann heißt so und ist Diplomingenieur.) Wir sind dann ein bisschen in der Linux-Welt herumgeirrt, haben die boot.ini gefunden und sogar wieder zurückkorrigiert, ganz zwecklos, denn sie ließ sich nicht zurückspeichern, mangels Rechten, wie Knoppix anmahnte. Außerdem zeigte sich später, dass dieses Knoppix vorsichtshalber nicht auf NTFS-formatierte Partitionen schreibt.

Eineinhalb Tage später war alles noch viel schlimmer. Ich hatte inzwischen zwar herausgefunden, dass sich mit bootcfg /rebuild im Windows-Reparaturmodus die boot.ini neu schreiben lässt, doch: zu spät. Microsoft hatte C ganz verloren. Schon dir C: streikte. Nichts da. Leere. Meinem Nachbarn war es nämlich inzwischen ganz alleine gelungen, irgendwelche wichtige Sektoren auf der Platte zu himmeln. Selbst chkdsk weigerte sich, C überhaupt zu untersuchen; das Dateisystem sei gestört.

Nun kann man einen kaputten MBR (Master Boot Record) mit fixmbr wieder neu schreiben. Für uns kam allerdings im letzten Augenblick die Warnung, dass man sich damit vielleicht endgültig alle Daten unzugänglich machen könnte. Vermutlich hätten wir mit einem »erfolgreichen« Lauf von chkdsk ähnliche innere Blutungen ausgelöst. Frage: Ob vielleicht Linux die Platte noch lesen konnte? Die Chance stand bei fünf Prozent.

Linux konnte. Alles war da. Die Dateien auf C standen da, also hätte sie nie ein Lüftchen angehaucht. Wir begrüßten unsere alte, eigenhändig verunstaltete boot.ini. Also hieß es, mit Linux den Master Boot Record neu schreiben. Wie das ging, dafür darf ich im Schnelldurchgang mein von Carla Schroder auf einer IBM-Internetseite ad-hoc gelerntes Wissen weitergeben. Carla Schroder hat 2004 die erste Ausgabe eines Linux Cookbooks geschrieben, deutsch 2005 als Linux Kochbuch erschienen (natürlich immer mit fehlendem Bindestrich …).

Um zeilenweise Befehle in Linux einzugeben – genau das schreibt sie leider nicht – braucht man eine »Konsole«; der Knopf dazu war unten etwa in der Mitte der Knopfleiste. Im schwarzen Kasten – das scheint bei Linux und Windows gleichermaßen auf Altes hinzudeuten, obwohl wir damals Weiß auf Blau bevorzugt hatten – erscheinen eher abschreckende Prompts wie knoppix@ttyp0[knoppix]#. Vorne steht der jeweilige Benutzername. Benutzer knoppix darf erst einmal gar nichts, schon gar nicht auf der Platte herumschreiben. Man muss auf den wohlprivilegierten Nutzer root (wörtlich Wurzel, hier wohl Wurzelsepp) umsteigen, und das ging (laut Heise-Anleitung) mit sudo su - (switch user auf superuser). Als root angemeldet konnte ich das Linux-Programm Testdisk von Christophe Grenier starten. Und was ganz Microsoft nicht geschafft hatte, dieser Franzose konnte es: Die Partition C der Festplatte meines Nachbarn immer noch lesen. Doch ach, auch dieses Testdisk meldete bad relative sector. Es war ja wirklich was gestört auf der Partition. Also reparieren. Beim dritten von Testdisk angezeigten Zwischenergebnis gab es die Möglichkeit zu schreiben. Das habe ich dann mutig getan …

… und hatte fortan eine selbst für Microsoft wieder wohlgenießbare Platte mit den Partitionen C und D, Licht am Ende des Tunnells. Frisch die Betriebssystem-Original-CD eingelegt, neu gestartet, schnell noch (vor dem Laden des unladbaren, da inexistenten Windows’ von der Platte) auf die Taste gedrückt und somit von CD geladen, den Reparaturmodus gewählt – hier Details, also R eingeben, dann 1, dann leer lassen (da kein Administratorkennwort gesetzt war), und gleich einmal bootcfg /scan laufen lassen. Wunderbar, unser altes, einziges Windows wurde auf C gefunden. Der Befehl bootcfg /rebuild hat es dann wieder hoffähig (startfähig) gemacht. Ich musste ihn noch einen Namen geben, nannte es wiedergefunden, und durfte dann die üblichen Startparameter eintragen: /fastdetect /NoExecute=OptIn. Die Parameter lassen sich auch später mit einem Editor nachtragen. Anschließend bootete das System wieder von der Festplatte, ließ man ihm Zeit sogar von der richtigen Windows-Installation. Es brachte allerdings immer noch die unsinnige Auswahl zwischen dem guten und dem gelöschten Windows. Ich habe in boot.ini dann (diesmal) die (richtige) Zeile mit dem gelöschten Betriebssystem entfernt. Seitdem startet der Laptop wie jeder gute Rechner direkt und durch.

PS. Der eventuell neuerdings vorhandene Parameter /usepmtimer besagt nicht, dass man nachmittags besser auf die Uhr sehen soll, als wir es getan haben, er stellt bei manchen Doppelprozessorrechnern sicher, dass die Uhren beider Rechner synchron laufen. PM steht für Prozessmanager. Fastdetect hat etwas mit neuerer automatischer Erkennung an Com-Ports zu tun, und hier dann noch die Erklärung von NoExecute, dem eingeschränkten Datenausführungsschutz. Alles zu boot.ini finden Sie hier.

8. Januar 2009

Das ideale Menschenbild …
… hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr geändert als in zweitausend davor. Beim Schnee Anfang Januar – so selten in Bonn – habe ich ein paar Bilder im Hofgarten gemacht, siehe http://picasaweb.google.de/CarlaJoern/BonnimSchnee. Es war einfach zu schön! Dabei fiel mir wieder einmal (nicht »einmal mehr«) die Bronzestatue vor der Skulpturensammlung auf, dem »Akademischen Kunstmuseum«, vormals Anatomie, einem schönen, symmetrischen Bau, der mich an Palladio denken lässt, fälschlich.

Einen Tag später habe ich mir angesehen, wer der nackte Herr mit dem Schnee auf den Schultern denn ist: »Doryphoros (Achill?), Werk des Polyklet um 450 vor Christus, Abguss einer römischen Kopie, gestiftet vom deutschen Beamtenbund«, schreibt die Bronzeplakette. Wikipedia wusste mehr über den »Doryphoros«. Der Mann ist ein Speerträger, hier ohne Speer. Er »verkörpert das rechte Maß in jedem Sinn, in den Körperformen wie in der Haltung, die auch ein geistiger Ausdruck ist. Erst dadurch, nicht allein durch ideale Körpermaße konnte er das Musterwerk der griechischen Plastik werden.« Ein Ideal also, eher unbeachtet und nun doch frierend inmitten Bonns. (Rechts neben dem Fahrrad übrigens die Buche, die Oberbürgermeisterin Dieckmann am Tag der Biodiversiät, dem 22. Mai 2007, gepflanzt hat, auch eine Ironie.)

Und unsere heutigen ästhetischen Ideale? Ich fand ihrer zahlreiche im Haus und greife einen modernen Schwertträger heraus, im Bild getragen von einer Aufziehfigur, Legoritter Darth Vader gehalten von Tanzmamsell Noggin Bops. Noggin soll eines der wenigen erhaltenen keltischen Wörter sein, dann ein König der Nogs, na bitte. He, she, it bops – boxt ersiees? Lassen wir beide aufgezogen Bebop tanzen.

Ganz im Ernst kann ich mein Bonner »Skulturenkopiemuseum«, leicht zu finden im Internet und am Hofgarten 21, nur wärmstens empfehlen: alle plastische Schönheit dieser Welt auf engstem Raum. Man spart sich Reisen nach Ägypten, Griechenland, Rom und Paris – oder erlebt sie wieder in der Erinnerung …
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PS. Das waren halt noch Ideale: Prinz Eisenherz mit Hirtenstab, 1937