Parallelhandel
Hier sieht man ein übliches Mittel zum Senken hohen Blutdrucks, regulär auf Krankenkassenrezept mit gesetzlicher Zuzahlung in einer deutschen Apotheke gekauft. Packung und Beipackzettel sind gewohnt deutsch. Die Tabletten sind blisterverpackt und hier schon zur Hälfte verbraucht. Was fällt dem aufmerksamen Pillennehmer noch auf? Nichts? Dann vielleicht aufs Bild klicken, damit es größer wird.
Die original aufgedruckten Tage «Lun», «Mar», «Mer» etc., die sehen doch nicht so ganz geläufig aus. Ein zusätzlicher Überdruck wiederholt die Chargennummer und kennt die Wochentage auf Deutsch.
Googelt man das Stichwort »Arzneimittelparallelhandel« so wird man fündig. Medizin wird in Europa zu sehr unterschiedlichen Preisen verkauft, scheints je weiter südlich und östlich, desto weniger teuer. Also gibt es Umpacker, die die, sagen wir, französischen oder ungarischen Schachteln aufmachen, die dortigen Beipackzettel wegwerfen, und den Inhalt dann eingedeutscht hier in den Handel bringen, ganz offiziell. Das Medikamentenparallelhandelsvolumen hat Frost & Sullivan 2005 auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Das Hauptproblem dabei scheinen weniger Arbeits-, Transport oder Handelsaufwand zu sein, eher Warenzeichen- und Urheberrechtsfragen bei den Drucksachen. Dagegen gibt es Fachbücher: Rechtsanwalt Dr. Stefan Lieck hat 2007 seine Doktorarbeit darüber gemacht, »unter arzneimittel-, marken- und patentrechtlichen Aspekten«. Das Umpacken birgt freilich auch die Gefahr gefälschten Inhalts, das aber wird sich regeln lassen. »Parallelhändler begehren gegen die Pläne von EU-Kommissar Günter Verheugen auf, ein EU-weites Umpackverbot von Arzneimitteln durchzusetzen. Sie fürchten den Verlust von mehreren Tausend Arbeitsplätzen, Kostensteigerungen im Gesundheitswesen und eine Zunahme des illegalen Medikamentenhandels«, lobbyt das deutsche Ärzteblatt.
Ich will nicht weiter recherchieren, wende mich nur mit Grauen ab von dieser unheimlichen Verwindung europäischer Gesundheitspolitik. Sonst steigt mir noch mein Blutdruck.
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