28. Februar 2016

Die »Exploration«

Dies ist die weitverzweigte Geschichte eines Leistenbruchs, ja sogar zweier »Brüche«, die da nicht waren.
Die Geschichte beginnt – wenn ich zurückschweife – in der erinnerungsdunklen Vergangenheit. Da hatte ich schon einmal eine »minimalinvasive« doppelseitige Leistenbruchoperation, erfolg- und -lebnisreich. Außerdem einen anlässlich eines Überschlags mit dem Fahrrad schon einmal ausgekugelten rechten Ringfinger.
   Seitdem dachte ich erstens, einmal netzversorgte Leistenbrüche könnten sich nicht wiederholen (falsch!), und zweitens: Meinen Ehering, den trug ich links, weil er damals gerade noch rechtzeitig dem rasch anschwellenden rechten Fingergelenk entkommen war. Nun ging er auch links nicht mehr ab, so eng war er, schon gar nicht hätte er wieder rechts gepasst. (Zur Eheringseite lese man etwa bei Elitepartner nach.)
   Nun hatte meine Frau im Januar eine Leistenbruchoperation, was auch mir meine unguten Bauchgefühle entfachte, sympathetisch. So ward alsbald auch bei mir ein Leistenbruch diagnostiziert, sogar zwei, rechts einer und links unten im wohlbeleibten Bauch. Sowas sieht man nicht, außer unter Ultraschall, und da als herausdrückende Erhebung unter Pressen des Zwerchfells nach unten. Wurde mir sofort klar, da drückt was raus, das das besser nicht täte. Selbst ich sah’s, bei angehaltenem Atem. Das musste operiert werden, wieder nur über Sonden, wieder an denselben Stellen: eine rechts, eine links, und das dickste »Kabel« durch den Nabel. Denn der ist eh schon verknittert.
   Zu diesem Behuf fand ich mich also am letzten Montag, 22. Februar 2016, in einem der für dergleichen gerühmten Krankenhäuser der ehemaligen Hauptstadt ein, in der Früh’ um zehn vor sieben. Spannend war nur noch der Gerinnungstest meines Blutes: Ich hatte zwar mein Markumar schon eine Woche lang nicht mehr eingenommen, die Wirkung ist allerdings verzögert. Und zum Operieren mag man’s Blut nicht zu dünn (Quick > 60%). Das wurde im Lauf des Vormittags positiv geklärt, sodass ich am Nachmittag »unters Messer« durfte, bezw. an die Schläuche. Man wacht auf, und es zwickt. Zusehen kann man nicht; Intubation des Patienten und die künstliche Gasbefüllung des Bauchraums wären zu unangenehm und -sehlich.
Das »Loch« im Nabel ist das größte.
Schwarzweißbild vier Tage nach der OP.
Perspektive von Fülle und Weitwinkel verzerrt.
   Allerdings hatte man schon vorher am Vormittag die Bruchstellen nicht gefunden – das macht man per Hand und Husten. Jetzt aber, bei der Operation, erst recht nicht. Kein Bruch. Bauchdecke überall ge­schloss­en, und innendrin nur ein paar Ver­wachs­ungen nach der letzten OP. Die haben sie weg­ge­schnip­selt, sagten sie, und hätten sich dann un­ver­rich­te­ter Dinge wieder zurückgezogen. Nichts war’s. Statt einer Inguinalhernienabdeckung mit Netz war’s nun eine »Exploration« – einfach ein Ausflug in meinen Bauchraum. Die Mühen mit der Wie­der­ver­dünn­ung meines Blutes, das Zwicken der zugenähten Löcher, die Blutergüsse, das unangenehme Gefühl beim Schlucken (von der Intuabation), eine Nacht im Krankenhaus, das aber blieb mir wie bei einem zweckdienlich Operierten nicht erspart. Die Kosten für das deutsche Gesundheitswesen, erhöht noch durch mannigfaltige Ineffizienzen des Prozesses, bleiben vornehm verschwiegen: Wir haben’s ja.
   Dennoch ist meine Bilanz positiv. Der Ehering, den die geschickte Stationsschwester vor der OP heruntergedreht hatte, kann – nach Weiten – wieder an meine Rechte, und heben kann ich auch.
   Sehr gut waren die Gespräche mit meinem sechsundsechzigjährigen Zimmergenossen Alexander. Wir sind richtige Freunde geworden. Die reizarme Krankenhausatmosphäre, die viele leere Zeit, die man hat, haben wir uns genommen, etwas aus dem Leben zu erzählen. Alexander ist Russ­land­deut­scher, in den Achtzigerjahren aus Kasachstan erst in die DDR, später nach Nordrhein-Westfalen ausgewandert. »Dort war ich ein Deutscher, hier bin ich ein Russe«, sagte er, in seinem stockenden, um Worte ringenden Deutsch. Viel spricht er nicht; seine Frau schon eher, sagt er. Wir aber hatten Zeit. Ich fühlte mich ein, kannte sein Geburtsland um Odessa aus Erzählungen (Link), wusste von Zwangsarbeit in Sibirien, die auch seine Eltern hatten leisten müssen, hatte dann das öde Ka­sach­stan vor Augen. Alles Orte, in die ich nur in Gedanken komme – und mit Alexander, einem vor­ma­li­gen Bordmechaniker der Aeroflot. Sie hatten im Sperrgebiet gelebt, sein Vater war verstrahlt worden und hatte eine Kur auf der Krim bekommen, die ihm sehr wohl getan hatte, dann waren sie dort weggezogen. Und in der DDR, in Delitzsch, da hatten sie im Pfarrhaus gegen Hausmeisterdienste (wenn ich das recht verstanden habe) auf einmal über hundert Quadratmeter für ihre große Familie. – Kurze Blicke in viel Unglück und etwas Glück.

Weitere Lektüre, etwa 2006 vom Deutschlandfunk »Wenn mit dem Wind die Angst kommt«.
Von mir: »Besuch bei einer frommen Frau«.

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25. Februar 2016

Telegramm

Es gibt – durchsaus erwachsene – Menschen, die noch nie ein Telegramm aufgegeben haben. Und wenn’s so weitergeht, so werden sie auch nie die Gelegenheit dazu bekommen. Telegramme hat man verpasst – wie einen Flug mit der Concorde.
   Also kurz.
Man ging zum Postamt. Dort gab’s Formulare für Telegramm, etwa solche:




Auf das Formular schrieb man möglichst leserlich den Inhalt der gewünschten »Depesche« (ein anderes Wort für Telegramm), meist mit Blockschrift. Man achtetet auf die Zahl der Wörter, denn davon hing der Preis ab.
   Es gab normale Telegramme, die gleich nach Ankunft am Zielort dem Empfänger mit einem Telegrammboten zugestellt wurden. Billiger waren »Brieftelegramme«, die zwar elektronisch (na ja, eigentlich nur elektrisch) »über Draht« übermittelt wurden, dann aber mit der normalen Briefpost ausgetragen wurden. Diese kam bei uns anfangs nach dem Krieg noch dreimal am Tag … Solche ELT-Telegramme (European Letter Telegram) durften nur in »offener Sprache« abgefasst sein, das musste man hinten auf dem Formular bestätigen. Damit sollte verhindert werden, dass Leute Wörter schinden, indem sie sie zu Blöcken mit der Maximalbuchstabenzahl zusammenfügten (bis zu 15 Buchstaben) oder Kodes verwendeten.
Ausschnitt aus einer amerikanischen Kodetabelle. 1940er-Jahre, Quelle
Telegramme, die nicht ganz eilig waren, sandte man also als Brieftelegramme. Am längsten gehalten haben sich Schmuckblattelegramme zu besonderen Anlässen. Stets war es aber jedermann möglich, jedem überallhin ein Telegramm zu senden. Die Identität des Absenders wurde nicht geprüft.
   Für den Schalterbeamten gehörte es sich, dass er die Wörter von hinten her zählte, um den Inhalt (scheinbar) nicht mitzulesen.
  Angekommen sind die Telegramme als ein Blatt, das so beschnitten war, dass es zugefaltet werden konnte: Die Nachricht stand innen, der Empfänger war außen sichtbar.
Telegramm, wie es der Empfänger bekam.
Das Blatt wurde so gefaltet, dass es sich mit der oberen Lasche schließen ließ.
Der Empfänger stand dann für den Telegrfenboten lesbar auf dessen Rückseite.
(Dieses Telegramm entstammt einer traurigen Geschichte.)
Die aufgeklebten Streifen entstammen dem Telegrafen. Später wurden die Streifen auf normale, rechteckige Blätter geklebt und in einen Briefumschlag gesteckt. Solche spezielle Faltungen sind heute unbekannt, zuletzt gab es sie noch bei Luftpostleichtbriefen (»Aerogramme«).

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17. Februar 2016

Es fehlt die Leitkultur

»Was den Gesellschaften Europas fehlt, sind attraktive und einende Zukunftsperspektiven, für die es sich lohnt, sich aus der Vergangenheit zu befreien. Um diese Perspektiven zu entwickeln, brauchen wir einen fundierten und zugleich offenen und mutigen Wettstreit um Ideen und gesellschaftliche Visionen.« – Matthias Heitmann in der NZZ.

Und wenn wir schon bei Lektüreempfehlungen sind, was Erfreuliches:
http://www.nzz.ch/zuerich/auferstehung-im-discolicht-1.18695299 (“Streetchurch”)

Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2016/02/es-fehlt-die-leitkultur.html

13. Februar 2016

Picasa wird aus dem Netz geworfen

Picasa ist tot. Oder nur fast tot?
   Die offizielle Verlautbarung von heute sagt, dass man sich die Bilder weiterhin in »Google Photos« (deutsch: »Google Fotos«) wird ansehen können. Was nicht gesagt wird:
• Die Webadresse wird anders sein. Alle Links zu Picasa-Webalben sind Makulatur.So hat beispielweise mein Album https://picasaweb.google.com/Fritz.Joern/Karneval2016 jetzt die unmerkbare Adresse https://photos.google.com/album/AF1QipP5YO-pRDq3Sz7r3V2HyQJRd0dWKLoJUQGIi83B.
   Das lokale Fotobearbeitungsprogramm Picasa wird es ab Mai nicht mehr zum Download geben, der Support ist jetzt schon lang zu Ende. Was dann auf Klick auf das bereits umbenannte Feld
passiert, weiß nur Google.
   Im Mai soll dann mit den Alben im Web Schluss sein.

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Hier die amtliche Bekanntgabe:

Moving on from Picasa

Freitag, 12. Februar 2016 10:00

Since the launch of Google Photos, we’ve had a lot of questions around what this means for the future of Picasa. After much thought and consideration, we’ve decided to retire Picasa over the coming months in order to focus entirely on a single photo service in Google Photos. We believe we can create a much better experience by focusing on one service that provides more functionality and works across mobile and desktop, rather than divide our efforts across two different products.

We know for many of you, a great deal of care has gone into managing your photos and videos using Picasa—including the hours you’ve invested and the most precious moments you’ve trusted us with. So we will take some time in order to do this right and provide you with options and easy ways to access your content. We’ve outlined below some of the changes you can expect.

Picasa Web Albums
If you have photos or videos in a Picasa Web Album today, the easiest way to still access, modify and share most of that content is to log in to Google Photos, and all your photos and videos will already be there. Using Google Photos, you can continue to upload and organize your memories, as well as enjoy other great benefits like better ways to search and share your images.

However, for those of you who don’t want to use Google Photos or who still want to be able to view specific content, such as tags, captions or comments, we will be creating a new place for you to access your Picasa Web Albums data. That way, you will still be able to view, download, or delete your Picasa Web Albums, you just won’t be able to create, organize or edit albums (you would now do this in Google Photos).

One thing to make clear is that none of this is happening today—if you have a Picasa Web Album you can keep using it as normal. We’ll start rolling out these changes on May 1, 2016.

Desktop application
As of March 15, 2016, we will no longer be supporting the Picasa desktop application. For those who have already downloaded this—or choose to do so before this date—it will continue to work as it does today, but we will not be developing it further, and there will be no future updates. If you choose to switch to Google Photos, you can continue to upload photos and videos using the desktop uploader at photos.google.com/apps.

Finally for developers, we will also be retiring some functions of the Picasa API. Developers can learn more here.

Again, none of these changes are happening today, and we’ll continue to update you along the way. We apologize for any inconvenience this transition causes, but we want to assure you that we are doing this with the aim of providing the best photos experience possible. Google Photos is a new and smarter product, that offers a better platform for us to build amazing experiences and features for you in the future.

















B) Dann hab’ ich Picasa zum Herunterladen genommen.
   »Import« geht nicht, das bezieht sich nur auf Geräte wie Kameras usw.
   Aber:  Im lokalen Picasa Daten, Aus Google Fotos importieren geht.


Datei, Aus Google Fotos Importieren ...
   Gibt man dann »alle Alben« an, so sieht’ etwa so aus:
 Die Alben werden als Picasa-Alben (!)  auf z. B. C:\Users\Fritz\Pictures\Downloaded Albums\Fritz.Joern\Münchenwoche\MueFeb16%2528141%2529.JPG gespeichert – das ist schon ein Bildbeispiel –, also auf
(Windows7): C:\Benutzer\Eigene Bilder\Downloaded Albums\Fritz Joern\…
   Dort sehen die Dateinamen etwa so aus:
MueFeb16%2528141%2529 = im Original war der Bildname MueFeb16(141).JPG,
d. h. %2528 = ( und %2529 = ). Die %-Angaben sind also die üblichen Kodes für Sonderzeichen.

Ich meine, die Bildunterschriften sind ordentlich in die Exif-Daten eingebaut, die Ortung auch. Also alles bestens?
    Nachteil: Die Alben lassen sich richtig nur mit Picasa betrachten. Man muss sich also sein altes Picasa behalten.
   Wie man die Alben samt ihren Bildunterschriften wieder im Netz sichtbar macht, weiß ich nicht. Dazu kommt, dass Bilder aus Alben, wenn überhaupt, so nur über ihre Bildunterschriften suchbar waren.

Was ist mit Videos?

Wie adressiert man die zugehörigen Google-Foto-Alben?

Kommt noch.

“Picasa users will have their photos automatically uploaded into Photos. Should they want to hang onto their images there, they can do so until May 1, when the service is fully shut. Sabharwal wrote that Google is “creating a new place” for Picasa users who want to tweak photos with tags, captions or comments in ways that Photos cannot. Google is fading out the Picasa desktop application starting on March 15”, Quelle.

Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2016/02/picasa-wird-aus-dem-netz-geworfen.html

10. Februar 2016

»Sündenbock Griechenland«

Leseeempfehlung

http://www.nzz.ch/meinung/ein-unwuerdiges-schwarzpeterspiel-1.18683948:
Sündenbock GriechenlandUnwürdiges Schwarzpeterspiel in der Flüchtlingskrise
Die Stimmen, die Griechenland mangelnden Einsatz in der Flüchtlingskrise vorwerfen, werden lauter. Dabei zeigen sich in der Ägäis primär die Unzulänglichkeiten des europäischen Lösungsansatzes.