6. März 2019

1962: »Neger«?

English summary. Colored used to be the correct word in America. Neger (negro) in Germany, back in the 1960s. Example: the film “To Kill a Mockingbird” and its German version. Video examples.
 
Die Kinder lauschen.
Charles Baker “Dill” Harris
(John Megna)
berichtet von oben.
Wer sich heute den alten Film mit Gregory Peck ansieht, »Wer die Nachtigall stört«, deutsch, wird nach 23 Minuten erschrecken. Der Junge auf der Räuberleiter, Charles Baker “Dill” Harris, gespielt von John Megna, berichtet aus dem Gerichtssaal: »Jetzt seh’ ich eueren Vater und einen Neger …«. Weiterhin wird konsequent von »Neger« und »Negern« gesprochen, ohne sich dabei etwas zu denken.
   Die Geschichte spielt in den Dreißigerjahren. Der Film entstand 1962, ebenso die deutsche Synchronisation, was alles gut in der Wikipedia nachzulesen ist, deutsch und auch englisch.
   Heute »gilt der Ausdruck ›Neger‹ als stark diskriminierend«, warnt der Duden, und die Wikipedia lässt sich auf lange Erklärungen ein wie: »Einher gingen diese Konstruktion einer Rasse und die Etablierung des Begriffs ›Neger‹ mit dem großen politischen und wirtschaftlichen Faktor des transatlantischen Sklavenhandels.«
   Der Stern belehrt uns im April 2015: »Beim Wort Neger sind sich alle einig: Es hat in der deutschen Sprache nichts zu suchen«.
   Ich erinnere mich noch daran, den Schwarzweißfilm als Student gesehen zu haben. An Rasse oder Sklavenhandel hatten wir damals gewiss nicht gedacht, an Diskriminierung schon. Es war um Apartheit und Gleichberechtigung gegangen, weshalb dieser Film so wichtig war.
   Man glaubte anfangs wirklich an ein Land, zwei gleichberechtigte Gesellschaften, wie heute fernab an »ein Land, zwei Systeme«, Hongkong und China. Dabei geht das alles höchstens mit Druck – oder im glücklichen Südtirol. Wie Kohlensäure (H2CO3, »menschengemachte«!) im Sprudel nur unter Druck gelöst bleibt.


Also wollte ich jetzt dem offensichtlichen Bedeutungswandel des Begriffes »Neger« nachgehen. Mir scheint, es ging ihm wie vielen Begriffen: Sie nutzen sich ab, verändern sich, werden von neunen Sprachmoden überholt, »politisch«. Die Wikipedia wählt sich zum Beleg ihrer Meinungen nach Geschmack passende Zitate aus. Eigene Recherchen (wie diese) macht sie nicht; das muss man wissen. Mir – als Techniker – fällt auf, dass publizistisch immer öfter mit Quellen und Meinungen Dritter statt mit direkten Erfahrungen und eigenen Überlegungen argumentiert wird: sehr akademisch, stets aber sich selbst aus der Sache heraushaltend, schein-neutral. Die subjektive Zitatauswahl des Berichtenden bildet dann die Meinung der »Nachricht«, die dann so recht keine mehr ist.
   Doch das möge jeder sehen, wie er mag.
   Mich hat noch interessiert, was damals in Amerika die korrekte Bezeichnung für einen Afroamerikaner war. Dazu habe ich einen akademischen Freund aus Kalifornien befragt und die Originalversion des Films angesehen. “Negro” war in Amerika damals schon nicht korrekt, man sagte “colored”, farbig. Inzwischen gilt:  “… the word we use most often nowadays in the US is black. Some people use African American, but we do not use colored or negro.” – Ein Beispiel Pressemitteilung von Facebook im Juli 2018. Zu Schwarzer siehe unten.
   Hier die Filmausschnitte, englisches Original, dann deutsch (Ich hoffe, dass mir keine »Filter« in die Quere kommen.):


Nun deutsch:

Link zu diesem Post: http://j.mp/2UqG4aA
   = https://blogabissl.blogspot.com/2019/03/neger.html

Mehr zu Eigenbezeichnung und Fremdbezeichnung im Blog hier.

Zur Bezeichnung Schwarzer schreibt der Duden (März 2019):
Die Bezeichnungen Schwarzer, Schwarze sollten außer als Eigenbezeichnung nur verwendet werden, wenn in bestimmten Kontexten die Hautfarbe relevant ist (wie z. B. in Bevölkerungsstatistiken). In Deutschland lebende Menschen mit dunkler Hautfarbe wählen zunehmend die Eigenbezeichnung Afrodeutscher, Afrodeutsche .
Eine Eigenbezeichnung liegt vor, wenn ein Schwarzer sich selbst als Schwarzen bezeichnet; andere dürfen das nicht.
   Während der Duden also einen »Menschen mit dunkler Hautfarbe« (so wohl p. korrekt) für einen oder eine sich selbst als Schwarze oder Schwarzer Bezeichnende oder Bezeichnenden sieht, wagt sich die Wikipedia schon weiter vor und erklärt: »Die Bezeichnung Schwarze deutet auf eine sehr dunkle Hautfarbe der so bezeichneten Menschen hin. Vielfach werden jedoch Menschen mit allen möglichen Varianten der Hautpigmentierung von dunkelsten bis zu sehr hellen Hautfarben einbezogen, einschließlich Albinos. Daher ist die Bezeichnung ›Schwarze‹ kein Indikator der Hautfarbe, sondern einer rassentheoretischen oder ethnischen Einteilung.«
   Ich persönlich möchte stets so schreiben, dass der Leser, der Adressat gleich und ohne zu stolpern versteht, was ich meine, unabhängig von der »Eigenmeinung« der oder des Bezeichneten. Und da sind uns alte Bezeichnungen oft gewohnter und somit verständlicher als neuere Konstrukte. Die »Konntotation« hängt vom Konnotierenden ab, und neue Konstrukte sind oft unnötig spezifisch einschränkend (etwa Sinti und Roma – ja was denn nun? Sinti und oder Roma? – für Zigeuner oder Afrodeutscher für Schwarzer, der ja vielleicht ein Afroösterreicher ist).
   Siehe auch
  https://blogabissl.blogspot.com/2012/03/fremdbezeichung-vs.html = http://j.mp/2UsSj6v

»Neger« strafbar? Eine Polemik hier.
Ein leicht übertriebenes Plädoyer gegen »Neger«: »Warum ich das nicht mehr hören will ›Neger‹«. Zusammenfassung: »Jemand kann mir zwar erklären, wie es [Neger] gemeint war, aber er muss auch akzeptieren, wie es beim Adressaten ankommt. Das entscheidet nicht der Absender.«

Was man früher als exotische Kuriosität gesehen hat oder als Rollenspiel (Indianerspiele der Kinder, Klub der »Hunkpapas« in Frankfurt) – siehe Völkerschauen – wird inzwischen als absolut ungehörig empfunden.
   Ich habe die »Hunkpapas« noch selbst in den Niddaauen zirka 1980 erlebt. Zitat: »Ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte wurde die Ausrichtung des 22. “Indian Councils” an Pfingsten 1972 in Zusammenarbeit mit den beiden ebenfalls in Frankfurt ansässigen Western-Clubs “Wyoming” und “Hunkpapa” auf dem Gelände der letztgenannten [Hunkpapas]. Es wurde mit ca. 1500 Teilnehmern eines der größten in der langen Geschichte des deutschen Western-Hobbys.«

Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung, aus der roten »Mao-Bibel«

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