Da erinnere ich mich nur, dass das Lied einmal (als staatszersetzend) verboten war. Hier Links zur italienischen Version in Text und Ton, und zur deutschen (Text, Film). Stimmen kann das nicht so ganz, war das Lied doch Italiens Erfolg in San Remo 1952 und wurde später von Bing Crosby, Eddie Constantine, Yves Montand, Beniamino Gigli und, siehe oben, Peter Alexander gesungen. Liest man zwischen den Zeilen (oder heutzutage im Internet) so geht es gegen die Großen da oben: « … vengono presi di mira i notabili democristiani, cioè i ‹ papaveri › (‹ Lo sai che i papaveri / son alti, alti, alti, / sei nata Paperina / che cosa ci vuoi far? ›); il brano viene accolto trionfalmente dal pubblico, che nell’altezza di quei fiori indovina il potere di cui godono gli esponenti della Dc e del quale fanno un cattivo uso (confermato dalla legge ‹ truffa› proposta nel ’53 e dal caso Montesi). Tuttavia, un’attenta lettura del testo rivela la rassegnazione con la quale venivano accettati episodi di malcostume politico (‹ che cosa ci vuoi far? ›) e, non meno velata dal riferimento alla ‹ Paperina ›, la subordinazione nella quale viveva la donna a quei tempi. »
Claude Monet, Mohnblumen (papaveri), 1873, Paris Musée d’Orsay (Wikipedia)
6. Dezember 2010
Fotofehler
Das »zerteilte« Bild
Kamera kaputt? SD-Karte gestorben? Jedes dritte Bild, das ich auf meinen PC hochgeladen hatte, hatte Fehler: Rechteckige Bildteile waren verschoben und in falschen Farben dargestellt. Links ein Beispiel: Der untere Teil des JPG-Bildes ist in zwei Teile gerissen und farbig falsch. Meist waren die Fotos wie hier in drei Teile aufgeteilt, die Schnittflächen unterschiedlich groß.
Videos stehen zwar in voller Speichergröße im Rechner, spielen aber nicht bis zum Ende. Eine Katastrophe. Ich wollte schon die Kamera einschicken.
Es hat an der Datenübertragung SD-Karte zu PC gelegen. Nachdem ich den Rechner neu hochgezogen hatte, konnte ich die Bilder und Videos wieder wie gewohnt einwandfrei auf den PC laden. Uff!
Das Bild gut übertragen
Stichwörter: Fotofehler, Bildfehler, Bildteile verschoben, Fototeile verschoben, Farben falsch, SD-Karten-Fehler, Übertragungsfehler, Fotos sind fehlerhaft, … Videos brechen ab, Filme zu kurz, Video zu kurz.
1. Dezember 2010
Eine elektronische Grußkarte – und ein paar »korrekte« Gedanken dazu
Gestern bekam ich eine elektronische Grußkarte aus Amerika, von einem alten, treuen Freund. Ein Verlag oder richtiger: eine rührige Künstlerin in Südengland, Jacquie Lawson, malt elektronisch bewegte (und möglichst herzig bewegende …) Ansichtskarten. Für eine bescheidene Jahresgebühr von Euro 8,50 kann man die als Mitglied der Geschmacksgemeinschaft für alle Anlässe als E-Mail versenden. Hier die Karte, die mir zugedacht ward: http://www.jacquielawson.com/thecards.asp?c=3266480&hdn=0, ein statischer Auszug oben.
Mir fiel die aktuelle Weltsicht auf. Los geht’s in Amerika. Und weil sich die Welt linksherum dreht – tut sie wirklich! – geht es dann nach Australien. Als nächstes Japan. Im nächsten Bild ist man in Griechenland, dann in Italien. Ein kurzer Ausflug nach Holland, in Frankreich der Eiffelturm, im Vorbeifliegen noch ein verschämter Blick auf die südenglischen Kreidefelsen, und nach 1'20" ist Schluß »mit Schön«. Die Welt ohne China, ohne Indien, keine Araber und Juden, Deutsche erst recht nicht. Südamerika fällt aus. So mögen wir’s, so ist’s korrekt. Lieb, gell?
29. November 2010
Neu im Unterricht: Modernes Grundschul-Lernen hinterfragt Gedanken zu neuen Inhalten und schlechten Ergebnissen
Zugegeben, ich bin bezüglich Schule ein Gestriger, Vorgestriger sogar. Allerdings ist meine Jüngste in der vierten Klasse Grundschule – »Volksschule« hatten wir früher gesagt –, und da bekommen nicht nur sie, sondern auch ich einiges mit.
Rechtschreibung. Von Anfang an wurde uns Eltern eingeschärft, nur ja keine Rechtschreibfehler zu bekritteln. Den Kindern könnte die Lust am kreativen Schreiben verlorengehen. In der Tat schreiben die Mädchen Storys, dass es eine Freude ist. Unsere »Aufsätze« waren nie so lustig und spannend, unsere Sachbeschreibungen nicht so gut wie die Vorträge unserer Kinder (mit Hilfe der Eltern). Vielleicht hat Carla besonders viel Phantasie, jedenfalls wird sie nie rechtzeitig fertig mit ihren Geschichten. Dafür stört beim Lesen ihrer Geschichten öfter einmal die Verkürzung von dass zu das und von denn zu den oder umgekehrt; aßen wird zu ahsen und hinter der sitz Nachberin verbirgt sich die Sitznachbarin. Schade. Im Gymnasium werden sie sich damit die besten Noten versauen und im Leben die Achtung manches Korrespondenzpartners oder gar Arbeitgebers. Rechtschreibfehler werden noch nicht als Kavaliersdelikt angesehen, das mag noch kommen. Sie zeigen zumindest mangelnde Sorgfalt, schlechten Einsatz von Korrekturprogrammen. Also meines Erachtens: Sofern Ihr Kind nicht total aufmüpfig ist, lehren Sie es beizeiten die Liebe zu korrekter Schreibung, zu Kommas, zu allem, was später den anderen das stolperfreie Lesen erleichtern wird.
Zurück zu Deutsch und Mathe. »Rechnen konnte ich noch nie«, das ist eine durchaus politisch korrekte, ja demutsvoll-bescheidene Aussage in der heutigen Gesellschaft. »Um Deutsch habe ich mich nie geschert«, das darf nicht einmal ein Multikultianhänger äußern. Wir haben früher gewisse Grundrechenarten schematisch eingeübt. Erst einmal das Einmaleins. Dann schriftliches Multiplizieren und Dividieren, später sogar am Gymnasium von Hand das Wurzelziehen. Es gab einen eindeutigen Weg, zur Lösung zu kommen. Beim Malnehmen großer Zahlen konnte man mit den zusammenzuzählenden Zeilen nach rechts schwenken oder nach links, das mochte von Schule zu Schule unterschiedlich sein, aber so variantenreich und beliebig wie heute war es noch nie. Nehmen wir das »halbschriftliche« Dividieren. Es wird übrigens schon vor dem Multiplizieren mehrstelliger Zahlen gelehrt, weil’s so schön ist. Beispielaufgabe: 3550 : 50 = ?. Man nehme erst einmal 3000 oder 3500 und teile das durch 50, bekommt dann 60 oder 70, dann 550 oder 50 und teile das dann durch 50, was 11 oder 1 ergibt, und zähle schließlich die Teilergebnisse zusammen: 71. Wer will, kann 3550 auch aus drei Teilen zusammensetzen, ähnlich wie Carla das im Beispiel rechts bei 1825:5 macht. Addiert wird dabei nach oben. Jeder Schüler möge da sein eigenes Verfahren entwicklen. Das Ganze ist nicht schlecht, ist besonders für Zahlenjongleure ein Spass. Für den, der Zahlen weniger liebt und einfach sicher teilen können will, wäre meines Erachtens ein eindeutiges, schematisiertes Verfahren förderlicher. Meine Empfehlung: Pauken Sie mit Ihrem Kind das Einmaleins als Grundlage, laut, soundsooft wiederholt, und üben Sie danach eine klare Multiplizier- und Dividiermethode ein, von mir aus die, die Sie selbst gelernt haben. Dann klappt das auch später.
Links:
• Link hierher https://blogabissl.blogspot.com/2010/11/neu-im-unterricht-modernes-grundschul.html • Zum (klickbaren) Bildbeispiel von Kurrent aus dem Jahr 1910 siehe meinen Blog über das lange S • Das moderne Schriftbeispiel stammt aus Carlas Geschichte »Das kleine Flughörnchen Silly«
PDF-Dateien von Google-Desktop durchsuchen lassen »Google Desktop« ist ein ordentliches, kostenloses Programm zum Suchen rechnerinterner Inhalte. Alle Datei am Rechner werden offline durchsucht. Dabei entsteht ein Index, damit dann jederzeit ein schnelles Suchergebnis zur Verfügung steht. Zuweilen nervt Google-Desktop, wenn der »Crawler« Ressourcen frisst, das alles durchkriechende Indexierungsprogramm, hier »Tea Timer« genannt. Außerdem wird oft nicht bis zum bitteren Ende indiziert, siehe Wikipedia. Wie auch immer …
Soll Google-Desktop auch Inhalte von PDF-Dateien durchsuchen, und tut’s nicht, dann speichere man in den Ordner "C:\Programme\Google\Google Desktop Search" die Datei "pdftotext.exe" und starte einen neuen Indexierdurchgang. (Die Datei pdftotext.exe braucht nicht eigens gestartet zu werden.)
Der neue Toaster, oder: Wie geht das Ding auf?Cloer Toaster Modell 3710
Ein schöner Toaster. Vor allem, weil er in einem Arbeitsgang doppelt so viel toastet als ein normaler, dabei aber nicht doppelt so viel kostet. Er braucht etwas mehr Strom, knapp 1400 Watt (gegen vielleicht 850), aber insgesamt geht’s schneller. Ein »normaler« Toaster hat nur halb soviel »Gesamt-Schlitzlänge«. Obendrauf ist noch ein unverlierbarer Semmelhalter zum Hochklappen. Also alles bestens. Preis: um die fünfzig Euro.
Der Toaster hat die übliche Stromzuleitung: ein Meter lang. Mir reicht das nicht. Ich will den Toaster auf den Tisch stellen, ohne dass ich wie anno sintemal einen Zwischenstecker in die Lampenfassung schrauben müsste. Dergleichen ist hierzulande nur mehr schwer zu finden. Einen Toaster sollte man da wohl nicht anstecken, ganz zu schweigen von der ästhetischen Note. Der Lichtschalter tät’ sich schön bedanken, statt einer Glühbirne (oh, die gibt es ja auch nimmer) 1400 Watt schalten zu müssen. Mehr Links zu Lampenadaptern unten.
Zum Vergrößern klicken.
Also muss eine neue, lange Zuleitung dran. Die Teile dafür gibt es zu kaufen: dreipolige Leitung, ein Schukostecker; ich bevorzuge die mit Leitungsausführung am Rand unten. Und dann den Toaster aufschrauben.
Das geht aber nicht. Die Schrauben sind Sicherheitsschrauben. Sie lassen sich mit keinem normalen Schraubenzieher öffnen. Schraubenzieher heißen schon seit Jahren »Schraubendreher«, weil der Deutsche so genau ist. Nur: So eine Schraube dreht keiner. Es sei denn ein ganz spezieller. Klicken Sie mal aufs Bild.
Nach langem Forschen sei es allgemein gestanden: Die Schrauben sind »selbstschneidende Maschinenschrauben« M3 des »manipulationssicheren Programms« »System Zero« einer englischen Firma: »praktisch hundertprozentige Sicherheit ohne geeignetes Demontagewerkzeug«. Der Wahlspruch: »Befestigen und vergessen.« In der Tat: Die Schrauben aufzubekommen kann man »vergessen«.
Nun, die Lösung ist ein spezieller Schraubenzieher oder ein Schraub-Bit für knapp zehn Euro. Die aber verrate ich fairerweise nicht, die müssen Sie schon selbst finden …
Antithese Jesus liebt mich – nicht!
– Meist bin ich dieses Gerede einfach leid über den Jesus, der uns immer und überall liebt als sei er der Heilige Geist, der uns umschwebt. Jesus, dein Freund, Jesus dein Retter in der Not, immer bei dir. Auf ihn kannst du dich verlassen. Wie auf ein gut geladenes Handy. Jedenfalls wird das gelehrt, unseren Kindern in der Schule und uns allen von der Kanzel, sofern wir noch in die Kirche gehen. Die alten Drohungen mit Hölle und Fegefeuer, die waren einfach unmenschlich, vorvatikanisch, wobei das letzte Vaticanum Anfang der Sechzigerjahre wieder einmal für gefällige Deutungen herhalten muss1). Der Gott der Christen wird zu einem Armleuchter, auf dem möglichst viele Lichtlein brennen, auf dass es einem warm werde ums Herz und man glücklich lebe auf Erden. Früher muss es fürchterlich gewesen sein als Christ, lauter Vorschriften, die die persönliche Freiheit einschränken, von der vorgeschriebenen Messe am Sonntag zur besten Skilaufzeit bis zur unnatürlichen Enthaltsamkeit gerade in Phasen vorehelichen Sturm und Dranges – beides Kategorie »schwere Sünde«. Nach Jahrhunderten Hadern mit Gott ist nun eine freie Zeit ausgebrochen, in der der Herr nur leuchtet und liebt. Komisch, dass ihm trotzdem alle weglaufen. Es muss der langjährige Friede sein, der weit entfernte Krieg (wir verteidigen unsere Freiheit bekanntlich am Hindukusch), der uns diese süße Götterspeise eingebrockt hat. – Doch genug polemisiert.
Was dem modernen Christen passiert, wenn ihn einmal Christus nicht so sehr liebt und zum Beispiel schwer erkranken lässt, oder ihn seine Freundin verlässt, was dann, das mag ich mir gar nicht ausmalen. Eine fromme Dame berichtete mir jüngst, ihre Mutter sei da einfach »vom Glauben abgefallen«.
Also habe ich mich gefragt: Liebt dich Jesus? Dass wir einander lieben sollen wie uns selbst, das ist bekannt, das hat Jesus oft genug gesagt. Aber hat er wo gesagt: Ich liebe euch? Wo soll das denn stehen in der Bibel? Die bekannteste Stelle ist die im dritten Kapitel des Johannesevangeliums auf eine Frage des Pharisäers Nikodemus: »So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.« Ich zitiere das (schwer verständliche) Kapitel bis zum Ende, damit es nicht heißt, ich hätte da etwas aus dem Zusammenhang gerissen: »Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Werke waren böse. Wer Arges tut, der hasst das Licht und kommt nicht an das Licht, auf dass seine Werke nicht gestraft werden. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt an das Licht, dass seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott getan.«
Heißt das jetzt, dass Gott, dass Christus mich liebt? Er bietet mir die Erlösung im Jenseits, er lässt mir die Erbsünde nach und meine eigenen Sünden, wenn ich sie ordentlich beichte und die Absolution bekomme, aber das macht ihn noch lange nicht zu einem Kuschelgott, zu einem schlechten Vater, der dem Sohn alles durchgeben lässt. Wenn Jesus Bartimäus wunderbar von seiner Blindheit heilt, dann um uns zu zeigen, wie stark Glaube helfen kann – aber eben nur kann, nicht muss. Wie enttäuscht waren die Jünger, als Jesus nicht rechtzeitig als König der Juden vom Kreuz heruntergestiegen ist, zur heimlichen Zufriedenheit seiner Peiniger, bewies ihnen das doch, dass er Gotteslästerer war und nicht Gott.
Ich will das zentrale, das ungeheuer große Opfer von Gottvater und das Leiden Christi ganz gewiss nicht kleinreden, will die Liebe sehen, die uns erlöst vom Bösen – das aber ist kein Automatismus, kein Naturheilmittel, kein Schema F, kein »Gott liebt alle«. Das ist Verpflichtung. Im Glaubensbekenntnis heißt es: »Ich glaube an Gott, den Vater« und nicht »den lieben Vater«, »Und an Jesus Christus, … er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort (vormals: dannen) wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.«
Nun, vielleicht bin ich heute zu alt oder war schon früher, zu meiner Schulzeit, zu früh geboren, um nicht auch an das Jüngste Gericht zu denken, nicht bloß an die Lichtlein.
Ich hab’ dazu einen Theologen befragt: »Worin äußert sich Gottes Liebe?«, antwortet er mir, »Er sendet seinen Sohn. Was sagt dieser Sohn über die Liebe? ›An der Liebe werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.‹ (Johannes 13,35) und: ›Es gibt keine größere Liebe, als wenn jemand sein Leben für seine Freunde hingibt.‹ (Johannes 15,13).« – Nun gut, das ist gewiss keine Händchenhalt-Liebe, das ist Liebe für etwas Bestimmtes, für die Erlösung. Es geht da nicht um Irdisches. Richtig fährt mein Freund fort: »Einseitige Theologie bringt nicht nur die Lehre in Schieflage, sondern es entstehen falsche Handlungsanweisungen; und selbst wenn nicht: Es entsteht ein schräges Gottesbild, was so oder so seine fatalen Wirkungen zeigen wird: Entweder wird nur ›die Liebe‹ gepredigt und der ›Ernst der Lage‹ nicht mehr erkannt. Das suggeriert eine falsche Sicherheit. – Oder es wird nur ›das Gericht‹ gepredigt und die gute Botschaft der Rettung durch die Vergebung der Sünden unterschlagen; Verzweiflung grassiert.« … »Ein Verschweigen der Hölle macht gar nichts besser – ganz im Gegenteil. … Ein Schweigen hüllt die Gläubigen in falsche Sicherheit und redet ihnen ein, dass sowieso jeder selig wird (und wenn nicht, dann doch nach der Läuterung im Fegefeuer; da zeigt sich übrigens gleich eine negative Konsequenz des Fegefeuers: Wir heben uns die Sünden bzw. die Buße für das Jenseits auf und verfallen dem Wahn, dass dann noch dort dieses und jenes in Ordnung kommen kann. – Ganz abgesehen davon: Das Fegefeuer ist nichts originär Christliches.)« – Und ich füge dazu: Das Fegefeuer, so es denn ein solches Hilfsmittel gibt, wird ganz gewiss kein Honigschlecken.
1) Man mache sich die Mühe und lese den Abschlussbericht des Vaticanums »Gaudium et Spes«, ein meiner Meinung nach deutlich mehr von seiner Zeit als von ewigen Glaubensweisheiten geprägtes Dokument.
Alte Zeiten. Die kann man noch heute erleben. Man muss nur ein wenig Zeit haben, und bissl Glück. So wurde Carla heuer ausgewählt, den Heiligen Martin und seinen Bettler als einer der beiden »Pagen« zu begleiten. Die Pagen sind traditionell ein Paar gute Schüler aus der Münsterschule, vierte und letzte Klasse, die dafür dann zwei ganze Tage schulfrei bekommen! Die Martinstruppe tourt durch Kindergärten, Altenheime und besucht das Grab des ersten Martinsbettlers am Nordfriedhof. Keiner unvergessen. Einziges kleines Problem: Zu den Kostümen passen nur herkömmliche, schwarze Halbschuhe, was den Müttern einiges Kopfzerbrechen bereitet hat, im Zeitalter halbhoher Turnschuhe ganz ohne Schuhbänder (Sneakers; Schuhbänder sind inzwischen schon wieder »in«; waren doch praktisch.)
Dann bin ich bei Regen wieder zurück Heim gelaufen, vorbei an der Stiftskirche, wo die Acht-Uhr-Messe gerade zu Ende ging: 17 Frauen und ein Mann (aus dem Kirchenvorstand), 2 Priester, alle vor dem alten Hochaltar. Diese Messe nannte sich ja auch »Frauenmesse«.
St. Martin ist morgen; ein Umzug durch die Stadt, ein Martinsfeuer am Rathausplatz, danach gehen die Kinder »Schnörzen«.
Jüngst schrieb mir ein Deutschstudent aus Teheran, er sei an seiner Magisterarbeit: »Modewort und Schlagwort«, und ob ich ihm bei den Modewörtern helfen könne. Sind alle Wörter meiner alten Wörterliste Modewörter?, fragt er. Gewiss nicht, es sind halt Wörter und Wendungen, die man besonders bewusst einsetzen sollte, oder nicht.
Dann habe ich selbst angefangen, "Liste und Modewörter" zu googeln, und fand haufenweise die üblichen rabiaten, ironischen, besserwisserischenSuadendagegen. Bis ich heute früh im NZZ-Folio den Artikel »Der Löwe spielt Tuba« von Reto U. Schneider las. Generell sind die Artikel in diesen Monatsmagazinen der Neuen Zürcher Zeitung so gut geschrieben, dass ich hinaufblicke wie zu einem Olymp in Wolken. Und was finde ich in diesem tollen Artikel? Den Halbsatz: »… und zweitens müsse schlicht und einfach länger und härter trainiert werden.«
Fast hätte ich darüber weggelesen, blieb dann aber hängen an diesem »schlicht und einfach«; ohne Zweifel ein Modewort neuerer Zeit. Ich stelle mir da immer eine einfache (nicht doppelte) Schicht Holzscheite vor einer Almhütte vor und verschönere mir so diese langweilige Wendung. Beim Schreiben führe man sich die ursprüngliche Wortbedeutung vor Augen, finde ich, wenigstens versuchsweise. Das verhindert schon einmal verquere Kombinationen. (Beispiel: 120 Kilometer pro Stunde – wieso pro, was hat die Stunde davon? Also: in der Stunde.) Doch zurück zu Reto Schneiders schlicht und einfach. Es stört nicht, weil es nicht wiederholt vorkommt. Es stört nicht, weil es (außer mir) als Modewort gar nicht auffällt. Modewörter dienen häufig dazu, nichts zu sagen. (Lesen Sie nur die Schimpfereien gegen »Aktivitäten« oder »Bereich«.) – Aber was bringt es? Ist es nützlich hier? Dieses »schlicht und einfach« ist ein Stilelement, das »es müsse länger trainiert werden« mitten im Absatz wie mit einem gelben Marker hervorhebt. Die »erstens« und »zweitens« tun das auch. Sie helfen dem Leser, sie gliedern.
Nach einem Monat, nachdem ich mit meiner Magisterarbeit über Moderwort und Schlagwort angefangen hatte, habe ich bereut, wieso ich mir dieses Thema ausgewählt habe. Eigentlich ging es darum, dass ich kein Deutschsprachler bin und folglich nicht so ein hohes Sprachgefühl habe, wie ein Deutscher bzw. eine Deutsche, um zu urteilen, ob ein Wort wirklich ein Modewort ist, und wenn ja warum! Aber nachdem einige Deutsche, unter denen manche sogar Autoren sind, mir geholfen hatten, hat sich meine Meinung über meine Auswahl allmählig geändert, sodass ich nun sehr froh bin, dass ich mit diesem Thema beschäftigt bin. In Wirklichkeit empfinde ich, dass sich mein Deutschsprachgefühl wegen dieser Arbeit gesteigert hat, aber trotzdem habe ich noch einen langen Weg vor mir zu gehen, um zu behaupten, mein Deutsch gut zu sein. Herr Jörn ist eine der Personen, die mir geholfen hat, und deswegen hat er immer meinen besten Dank dafür. Seine Schrift »Plädoyer für das Modewort« antwortet vor allem auf eine meiner Fragen, die ich mir in den vergangenen Monaten gestellt hatte: Wieso muss man Modewörter überhaupt meiden? Die Antwort auf diese Frage war mir sehr wichtig, weil ich die Modewörter in meiner Muttersprache (in der persischen Sprache) sehr schön finde. Trotzdem ist es von Person zu Person unterschiedlich, ob Modewörter gut oder schlecht sind. Als einem Ausländer klingt mir das Modewort schlicht und »einfach sehr schön«, jedoch weiß ich nicht wie die anderen darüber urteilen.
Link hierher: http://j.mp/2MaZKLf =
http://blogabissl.blogspot.com/2010/11/pladoyer-fur-das-modewort-jungst.html
4. Oktober 2010
Das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in Deutschland in der Bildung hört sich so an: »Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.« (Grundgesetz Artikel 91b Absatz 2) – sonst eben nicht! Klingt so harmlos – und ist für mich deshalb nachgerade verlogen.
Ich weiß wohl, dass Bildung Länderaufgabe ist, nachdem im Dritten Reich alles zentralisiert war. Doch brauchen wir deshalb über fünfzig Jahre später immer noch 16 Kultusministerien und ein 17. in Berlin, dazu eine koordinierende Kultusminsterkonferenz?
Filz ist, wenn die Dinge so verwoben sind, dass sich keine Faser drin bewegen kann. Filz kann sehr schön aussehen (s. Bild). Ich bin es leid.
Zwanzig Jahre keine DDR mehr
Dazu eine kleine telefontechnische Reminiszenz.
Telefone waren die idealen Abhörgeräte, besonders, wenn sie mit einem guten Mikrophon ausgestattet waren. Die Apparate – damals ausschließlich in Postbesitz –, und natürlich Mikrophonkapseln ließen dich leicht austauschen. Damit nun aber das Telefon auch dann aufnimmt, wenn der Hörer auf der Gabel liegt und nicht telefoniert wird, bot sich für die zusätzlich nötige Abhörleitung der unbenutzte fünfte Kontakt zwischen Leitung a und Leitung b in den Steckdosen an. Privatgespräche empfahlen sich im ganzen Ostblock nur bei laut aufgedrehtem Radio oder bei einem Spaziergang in der buchstäblich freien Natur.
Seite 19 aus meinem »Telefonbuch« aus dem Jahr 1995, dank Googles Einscannen von Büchern nun nicht mehr nur »vergriffen«
Vertiefungsfragen zum Thema Telefon in der DDR: 1. Wie lange hat man auf einen Anschluss gewartet? 14 Tage, 14 Monate, mindestens 14 Jahre? Antwort hier. 2. An einer Leitung waren oft mehrere Telefone angeschlossen. Dann konnte man nur angerufen werden oder telefonieren, wenn der Nachbar nicht telefonierte. Bis zu wieviel Anschlüsse hingen an einer Leitung? Antwort siehe GA, Gemeinschaftsanschluss, wieder hier.
Eine erfreuliche Nachricht
Deutschland hat keine Kriegsschulden mehr.
Berlin (dpa) – 92 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hat Deutschland endgültig keine Kriegsschulden mehr. Heute*) wurde eine letzte Rate überwiesen an zahlreiche private Finanziers, die die Forderungen der Gläubiger übernommen hatten. Die Anweisung durch das zuständige Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen war bereits in der vergangenen Woche erfolgt. Ende Juni standen noch 75 Millionen Euro aus diesem Kapitel in den Büchern des Bundes. *) Samstag, 3. Oktober 2010. Bild klickbar. Mehr wie immer in der Wikipedia, letzter Absatz hier: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Londoner Schuldenabkommen die Rückzahlung der privaten deutschen Auslandsverschuldung geregelt. Dazu gehörte auch ein Teil der Reparationen, die 1930 auf Anleihenbasis vorfinanziert und damit in Privatschulden umgewandelt worden waren. Ihre Höhe wurde halbiert. Bis etwa 1983 zahlte die Bundesrepublik 14 Mrd. DM Schulden zurück. Allerdings wurden Zinsen in Höhe von 251 Millionen Mark aus den Jahren 1945 bis 1952 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands ausgesetzt und schließlich ab 3. Oktober 1990 wieder fällig. Die Bundesregierung gab darauf Fundierungsanleihen aus, die aus dem Bundeshaushalt getilgt wurden, die letzten am 3. Oktober 2010. Tilgung und Zinsen betragen für 2010 etwa 56 Millionen Euro.
1. Oktober 2010
Mit Tochter Carla (9) gehe ich am Nachmittag durch die Stadt. An allen Ecken sitzen und spielen Bettler. Die Stadt hat es aufgegeben. Betteln ist jetzt in Bonn erlaubt. Parksünder sind leichter zu ahnden.
Doch ich schweife ab. Eine Gruppe aus Rumänien – um das politisch korrekt zu sagen – spielte, fiedelte und zupfte eine alte, wohlbekannte Weise. Frag’ ich Carla: »Kennst du das Lied?« »Nein.«
Da kommen Rumänen zu uns, um uns unsere Volkslieder vorzuspielen, um auf unsere Trändendrüsen zu drücken oder auf die deutsche Romantik – und wir kennen unsere eigenen Lieder nicht mehr! Von happy birthday to you bis zu Schalom und good morning kalimera ist alles drin in den Köpfen der Kinder. Schämen wir uns deutscher Lieder? Darf’s immer nur nur silent night sein? White Christmas ist inzwischen eh schon gängiger. Ja, schämen wir uns!
Geschichte sollte erst erkannt werden, und nicht gleich gewertet.
Heute früh zur besten Sonntagsvormittagszeit habe ich ein »Essay« im Deutschlandfunk gehört: »Kolonialkriege - Im Herzen der Finsternis« von Stephan Malinowski. Hochinteressant und ungemein faktenreich, zum Teil ein wenig sehr gehoben (»Bei den europäischen Kolonialkriegen nach 1945 handelt es sich zudem um Phänomene der Ungleichzeitigkeit«) und halt leider durchgehend moralingetüncht. Grausamkeiten und Kriege hat die Welt genug gesehen, und verwerflich sind sie alle, damals wie heute. Das ist selbstverständlich. Will man allerdings eine Zeit verstehen, dann sollte man sie nicht mit den Augen unserer heutigen – im übrigen recht dünnen – Moralvorstellungen ansehen. Dieser Farbstich mag nach fünfzig Jahren Friede hierzulande populär sein, ich finde ihn aber unangemessen. Ein Zeitalter, das sich außer »sozialer Gerechtigkeit« wenig Gedanken darum macht, was »sich gehört« und was nicht, das nur immer wieder neue oberflächliche Bezeichnungen für »afrikanische Amerikaner« erfindet (für Juden übrigens nicht), sollte seine gerade gängigen Ansichten nicht mit alten Fakten vermischen.
Ansichtskarte aus dem Ersten Weltkrieg: »Kriegsgefangene Turkos u. Zuaven«
Ich hole etwas aus, persönlich. Ich bin bei meinem Großvater aufgewachsen, einem Mann, noch geprägt vom ausgehenden 19. Jahrhundert (seine Memoiren hier). Er hat mir erzählt, wie er in Wien Schwarze im Zirkus ausgestellt gesehen hat. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Dass ich selbst eine Frau »ohne Unterleib« gegen ein paar Lire im Panoptikum erlebt habe, wird mir allerdings auch niemand glauben. Die Leute hatten damals eine andere Vorstellung von der Welt. Mein Großvater hatte sich ähnlich empört darüber gezeigt, dass im ersten Weltkrieg in Europa Zuaven eingesetzt worden waren wie Giftgas. Afrikaner schätzte er nicht aus »rassischen« Gründen gering, sondern betonte immer nur, sie hätten keine Schrift entwickelt, und seien deshalb kulturell nicht so weit gediehen. Ich selbst war von Anfang Januar bis Anfang März 1959 in einem englischen Internat ausgetauscht – voll in der Tradition der Kolonien, aus denen die »höheren Kinder« zurück nach England zur Bildung geschickt wurden. Weil sich deren Eltern auf eine lange Zeit in der Kolonie eingerichtet hatten. Vergangene Traditionen, vergessene Gefühle, verdrängtes Denken.
In der Neuen Zürcher Zeitung erschien am 4. September 2010 der Meinungsartikel von Redaktionsmitglied Anton Christen »Warum Schwarzafrika keine Entwicklungssprünge macht«. Das beste an diesem nachdenklichen Artikel ist, dass das Christen auch nicht weiß. »Erfinder und Neuerer haben in afrikanischen Gesellschaften einen schweren Stand«, schreibt er, spricht von »einem Mangel an Gemeinschaftssinn«, von einer traditionellen vorwissenschaftlich-magischen Wirklichkeitsauffassung, schließt aber ohne Resümee.
Der Deutschlandfunk-Vortrag ist durchtränkt von negativen Bewertungen (»das europäische Wüten im nicht-europäischen Raum«) und von einem entsprechenden demütigen Bedauern, das erst dadurch möglich wird, dass man sich selbst als den damals Schuldigen vorstellt. Wir sind nicht die Europäer des 20. Jahrhunderts, schon gar nicht »die Deutschen«, »die Italiener«, Belgier, Engländer oder Franzosen, die in Afrika gekämpft haben, in Abessinien oder Algerien. Wir können uns eine Zeit voller Kriege nicht mehr vorstellen. Der kirchliche Friedensgruß ist uns bloß peinlich. Ich glaube, wir können nicht einmal erklären, warum »wir« in Kundus steckengebliebene Tanklastzüge in die Luft jagen statt den ADAC hinzuschicken. Lasst uns erst einmal das deuten, gerne auch moralisch, bevor wir über vergangene Jahrhunderte richten oder uns für sie entschuldigen. Aber vielleicht habe ich – überempfindlich gegen »Schönsprech« – dieses moralische Bewerten samt passendem Schuldbekenntnis nur hineingehört?
Maria-Zeichen an der Tür zum Schlafzimmer
am Hof. Das eigentliche Zeichen habe ich schwarz nachgemalt und das Bild stark aufgehellt, damit man es gut sehen kann.
In Wirklichkeit sieht das etwas undeutlicher aus: hier.
Soviel dazu.
Stichwörter: Maria Sign, Maria-Symbol, Maria-Königin-Zeichen, picture sign Maria, logo Maria, logo Mary
Weitere Zeichen: eher kitschig-neugotisch, als »MaterDei«, chinesisch (klickbar)
Links zwei offene Mercedes-Autoschlüssel. Ganz links und oben quer der alte, rechts, kleiner, der neue (ohne mechanischen Teil).
Die Schlüssel bestehen aus Elektronik mit Funk- und Infrarotfernbedienung, einer roten Leuchtdiode, die die Funktion erkennen lässt (Infrarot sieht man notfalls im digitalen Kamerasucher), und einem mechanischen Notschlüssel, falls der Strom ausfällt. Mit dem mechanischen Notschlüssel lassen sich das Auto und der Kofferraum öffnen, nicht aber der Motor starten. Wie man den mechanischen Schlüssel, der zugleich zum Anhängen an einen Schlüsselbund dient, nach Lösen einer Sperre herauszieht, ist offensichtlich.
Wie kommt man im Schlüssel an die Batterien? 2 Stück CR2025 à 3V.
Man nimmt zuerst den mechanischen Schlüssel heraus. Dann:
Beim alten Schlüssel befindet sich in der Öffnung, die durch das Herausziehen des mechanischen Schlüssels entsteht, eine graußweiße Zunge*). Man drückt sie waagrecht – wie mein Foto suggeriert – nach innen und kann dann zugleich das Batteriegehäuse des Schlüssels nach außen ziehen. Im Foto ist das Batteriegehäuse schon erfolgreich ein Stück draußen.
Beim neuen Schlüssel ist die seitliche Abdeckung (Deckel) auf der Rückseite abzunehmen, die »Rückwand«. Das sieht man rechts im Bild. Dazu drückt man innen in der Mitte der Öffnung den Sperrhaken des Deckels etwas nach unten und lüpft den Deckel ab.
Übrigens: Der elegante, fünf Millimeter flache Ersatzschlüssel (nicht im Bild), hat keine Fernbedienung und keine Batterie drin. Sein mechnanischer Teil öffnet Türen und Heck, die Elektronik antwortet, wenn der Schlüssel in »die Zündung« gesteckt wird, aufs Auto und fühlt sich nur dort zu Hause. Ein Schlüssel, der sich im Armaturenbrett nicht herumdrehen lässt, ist entweder der falsche oder hoffnungslos kaputt. Mit der Batterie im Schlüssel hat das nichts zu tun.
*) Das Bild ist klickbar und wird dann schön groß. Fragen an mich: Fritz@Joern.De
25. August 2010
Toponomastik Zum Südtiroler Ortsnamensstreit
Die Ortsnamensfrage ist im zweisprachigen Südtirol ein Dauerbrenner. Neuerdings geht es um die hölzernen Wegweiser des Alpenvereins Südtirol, des AVS – im Bild ein Beispiel. (Mehr zur Sache bezw. ein Einführungsartikel zum Thema aus der Neuen Zürcher Zeitung durch Klick drauf.) Wieder einmal gibt es einen Gesetzentwurf. Wieder einmal streiten sich die hier Gebildeten um die »Toponomastik«. Dabei kennt man diesen Begriff in normalen Gegenden (oder Word-Programmen) nicht einmal. Inwieweit die speziellen Wegweiser ungesetzlich sind, inwieweit sie Italienisch berücksichtigen – das tun sie gelegentlich wie hier im Bild – kann ich nicht beurteilen und bitte um Vergebung, hier nur sprachlich generell zu werden.
Ich sehe Benennungen sprachtechnisch, kommunikationstechnisch. Mir sind sprachliche Höflichkeit, Verständlichkeit, Merkbarkeit wichtig. Wer sich einen Namen ausgedacht hat und wann, das finde ich zwar recht interessant, aber für die Kommunikation unerheblich – selbst wenn der Name, wie hier so oft – von einem Faschisten stammt oder nur schlampig übersetzt ist. Ob ein Name einen amtlichen Segen hat oder nicht, auch das will mich nichts angehen. Die Frage ist: Versteht der Leser, der Hörer, der Angesprochene die Sache? Weiß er gleich, worums geht? Wie sagt er? Wie verwendet er den Namen? Wie gibt er den Begriff weiter?
Zurück also zur Sache, zum Benannten. Selbst wenn der ein Mensch ist, werde ich ihn zwar höflichkeitshalber mit dem von ihm gewünschten Namen ansprechen, ihn aber im »Eigengebrauch« nach eigenem Gusto benennen. Nichts und niemand hat das Recht, anderen vorzuschreiben, wie sie unter sich über ihn reden. Engländer schreiben Habsburg gern mit p (s. http://en.wikipedia.org/wiki/Hapsburg), das klingt richtig.
Zugegeben: Schwierig wird es mit Orten, die sich mutwillig umbenennen. Muss ich aus Protest vor den Untaten der frühen Türkischen Republik, die 1930 Istanbul als Name festschrieb, weiter Konstantinopel sagen? Sollte ich Afing (it. Avigna), eine Fraktion Jenesiens, Avianennen, nur weil der Name von a via kommt? Deutsche schreiben statt Wilna inzwischen ja auch Vilnius, sprich Vilnus. Oder Mumbai, wenn ich Bombay meine? Das hängt davon ab, mit wem ich spreche, wem ich mich verständlich machen will, und wann. Früher oder später mag sich Mumbai einbürgern, so wie heute niemand mehr Agram sagt sondern Zagreb, viele aber noch Pressburg, und wir alle (mit Ausnahme der deutschen Illustrierten Stern): Trient.
Unser Hof heißt Siebenfahrer oder kurz Siebenfahr. Der Name ist natürlich falsch, das Fahren gewiss, und sehr wahrscheinlich auch das Sieben. Früher hat man es beim Schreiben nicht so genau genommen, konnte es oft auch nicht, und dann ist im Zeitalter der Schreibmaschinen irgendeiner der Namen stehen geblieben. Die Italiener haben aus Siebenfahrer Settecarri gemacht. Ich rege mich nicht auf darüber. Wenn sie sich das besser merken können, warum nicht? Einen Hiesigen dürfen sie danach nicht fragen, der kennt nur den Siebenfahr. – Am Hof gibt es Flurnamen, Namen der Äcker, die einmal bearbeitet wurden, Lehen, Raut, Angerwies, Ebenwies, Leite, Wasendraht und so weiter, die gibt es italienisch meines Wissens nicht, und deutsch auch nicht mehr, weil sie keiner mehr nennt, keiner mehr kennt. Aus Äckern ist eine Wiese geworden. Das finde ich schade. Zudem sind manche schon ganz zugewachsen, wie die Noag Wies oder das Anreuthel, da ist jetzt Wald, Abteilung 17 oder 16.
Es hängt also ab davon, ob ein Name einer bestimmten Gruppe von Leuten geläufig ist. Der Rest ist Höflichkeit. Und um allgemein zu Schildern zu kommen, um die es beim Südtiroler Toponomastikstreit immer am meisten geht: Da würde ich mir wünschen, wenn es in Bozen Richtungsschilder auch nach Trient gäbe und nicht nur nach Trento, und in Trient gelegentlich welche nach Bozen – sofern man in Trient annimmt, dass sich dort auch Deutsche zu orientieren versuchen. Ich werde nie ein Schild zum Maso Settecarri aufstellen, aber nur, weil so wenig Italiener kommen, und die meisten eh Siebenfahrer sagen. Überhaupt haben wir kein Schild zum Hof (dafür eine Anfahrbeschreibung im Internet).
Also. Die Namen, die Hinweise, die Tafeln und Wegweiser müssen sich auf die einstellen, die sie lesen oder lesen sollen. Kommunikation heißt, dass der Angesprochene das Gesagte versteht, schnell, leicht und flüssig – nicht der Sprechende. Es geht um den Empfänger, nicht den Sender. Wie die Sache wirklich heißt, wie sie sich nennen mag, wie Ämter, Verkehrsbetriebe und Straßenverwaltungen sie zu benamen geruhen, ist wichtig nur für die, ist nachgerade eine Karl-Valentin-philosophische Frage. Die mögen sich Rechtschreibregeln ausdenken, die feiner gesponnen und gnadenloser sind als jeder Duden, der bereits Spaghetti mit und ohne h zulässt, aus Flexibilität und Freundlichkeit denen gegenüber, die kein Italienisch können. Regel 33: »Häufig gebrauchte Fremdwörter, vor allem solche, die keine dem Deutschen fremde Laute enthalten, können sich nach und nach der deutschen Schreibweise angleichen.«
Bei höflichen Hinweisen müsste man, feingesponnen, noch die sprachliche Nähe der jeweiligen Begriffe berücksichtigen, was vollends eine Geschmacksfrage ist: Venezia klingt ähnlich wie Venedig, also deutsch-verständlich, aber mit San Candido bringt niemand so schnell Innichen in Verbindung; ein Italiener, der nach San Candido will, ist von einem Hinweis auf Innichen dann eher verwirrt. Bushaltestelle und Fermata Autobus könnte man vielleicht zu einem knappen Bus-Stop wandeln.
Speziell Italiener haben gern eigene Begriffe. Das mag damit zusammenhängen, dass ein Deutscher zwar alle italienischen Laute einigermaßen direkt aussprechen kann, ein Italiener aber keineswegs deutsche. Zum Beispiel fehlt ihm das h, vom ch ganz zu schweigen.Statt also Gast’aus ’irsch sagen zu müssen nennt er’s halt gern Ristorante Cervo. Wir sollten das nicht krummnehmen. Ich habe mich schon vor Jahren damit beschäftigt, etwa in meinem Sprachtipp Ortsnamen.
Vor allem: bitte Gelassenheit. Keine Aufregung, wie andere etwas nennen. Sprache, Bezeichnungen wandeln sich, auch unsere. Nicht einmal feste Namen werden im Deutschen überall gleich genutzt: Ein Tiroler Huber Franz ist anderswo Franz Huber. Schlimm?
Ein Panoramablick auf unseren blühenden Garten in Bonn
Eigentlich noch ein Arbeitstag, jedenfalls für Gisela. Es gelang ihr allerdings, etwas früher aus dem Büro zu fahren. So kamen wir beide (ohne Carla) um 16.45 in Bonn mit dem Auto los (Tacho km 80795). Die vielen Kisten, Taschen und Pakete hatten dann doch alle leicht gepasst in den Kombi, obwohl wir jedesmal meinen, diesmal wird’s zu viel. Das Navigationssystem prognostizierte zunächst eine nächtliche Ankunft am Hof um 0:28 Uhr, korrigierte sich dann bis auf 3:10, was auf ausgedehnte Staus schließen ließ. So schlimm ist es dann aber nicht gekommen: Bis wir die Staus erreichten, waren sie wohl schon wieder aufgelöst. Und von den neuen Störungen erlebten wir glücklicherweise immer nur den Anfang: Ein Auto am Dach hinter Aschaffenburg, eine Frau, die im Altmühltal bei Greding am Mittelstreifen im strömendem Regen schreiend ihrem Hund nachlief – vielleicht, jedenfalls hielt weiter vorne jemand einen Hund fest und winkte verzweifelt. Phantasievoll ratend und schlechten Gewissens sind wir weitergefahren. Kurz vor München übernahm Fritz das Steuer, zur Nachtfahrt. Tanken in Angath in Tirol: Diesel ist in Österreich inzwischen etwas teurer als in Deutschland. Unterhaltung mit Bus-Fernfahrern. Über Bozen dann auf den Hof, an um 1.17 Uhr (81640 = 845 km; 8h 32'; Ø 99 km/h).
Schnell die Taschen mit den Kleidern und dem Waschzeug aus dem Auto, Betten überziehen, SMS schicken, schlafen. Eine wunderbare Ruhe.
Samstag, 31. Juli 2010, erster Einkauf im Dorf
Vormittags ins Dorf, erst Brot, Blumen (teuer und schlecht), dann Zeitung, Grab (gut gepflegt), Kaffeehaus, Spar (der mittags offen hat). Nachmittags am Hof, der Verwalter kommt mit seinem Sohn. Sie montieren uns den Kugelgrill. Kleine anderweitige Reparaturen, die Gläser der Grablaterne etwa oder Fritz’ Nachttischlampe. Abends draußen am Hof essen mit den Pächtern.
Sonntag, 1. August 2010, wieder Kirche und Carla
Wie es sich gehört um halb Zehn ins Hochamt ins Dorf. Unser alter Pfarrer, der so deutlich und so durchschnittlich predigt, dafür die Messe samt Monstranz in einer Dreiviertelstunde schafft! Das allerdings ohne weithergeholte Fürbitten und friedlich-peinliches Händeschütteln, wie in Bonn gängig. Gedenken an kürzlich Verstorbene, vor allem den 21-jährigen Elektriker, den hier am Freitag eine Betonplatte unter sich begraben hatte.
Danach im Kaffee Kirchplatz bei Zeitungen (Sonntags-Bild und Alto Adige) auf unsere Tochter gewartet, auf die »Lösegeldübergabe«, wie wir’s genannt haben. Pünktlich um zwölf kommen Bs. Große Freude, gutes Essen beim Höllriegl. Kaffee und Kuchen, später Frizzante Rose für die Damen bei uns am Hof (La Gioiosa et Amorosa. Pinot Rosa. Marca Trevigiana. Frizzante. 10,5 Vol.-%., 750 ml € 2,09, EAN 8006805035010)
Nachmittags am Hof, die Bauern heuen, dann kommt der Jagdpächter vorbei, wir improvisieren einen Imbiss mit Käse und Wurst. Das voriges Jahr hier von uns beobachtete »Schmaltier« war ein zwölf Jahre alter Hirsch gewesen.
Nachts tippt Fritz Tagebuch, speichert ein paar Bilder ins Netz. Bei 33 kbit/s Modemgeschwindigkeit und Uploads mit effektiv 22 bis 25 kbit/s eine Geduldprobe. Am Montag kommt von der Dolomiten-Redaktion der Artikel für Mittwoch zum Prüfen, PDF, 3,14 MByte. Den Kaspersky schalte ich schon einmal aus, der sich immer vordrängt mit seinen »Updates«.
Montag, 2. August 2010, Dorf-Amtliches
Fritz ist ins Dorf und die Mädels sind allein im Haus, Carla tanzt mit dem Besen bei aktuellen Hits durch die Stube. Fritz zum Forstamt, Elektrosachen kaufen, frisches Weihwasser holen, beim Bürgermeister vorsprechen (Dank für die Kurvenspiegel, und ja, die Straße soll möglichst noch heuer wieder geteert werden), offizielle Müllbeutel holen (große kosten insgesamt € 9 pro Sack), Bank. Um elf Ablösung. Gisela und Carla fahren ins Dort, zum Spar, die hiesige Bancomatkarte ausprobieren. Geht. Fritz sieht sich an der Tanzbachbrücke um, die Durchforstung der Noagwies – die längst keine Wiese mehr ist –, die Öde unter der Staatsstraße. Da fehlt Humus.
Nachmittags am Hof. Das Umschalten vom Strom für den ersten Stock (vormals Max, abgemeldet) kann ich doch nicht selbst weil bei uns Phase und Nulleiter vertauscht sind. Wie also verbinden? Der Hauselektriker kommt recht spontan am Abend vorbei. Die »Phasen« kann man ruhig tauschen, der Nullleiter wird hier nicht geerdet. Er schaffts im Handumdrehen. Und stellt sich als der nette Mann von Afingsbruck heraus (oberhalb Halbweg), mit Energiesparhaus, Beerenzucht und netter Großmutter, siehe Tagebuch HofSommer06.doc und 1. August 2006. Das sitzen wir noch ein bisschen zusammen.
Dienstag, 3. August 2010, Abschiedsessen im »Mondschein«
Am Vormittag gehe ich mir auf der alten Straße vorne herauf den »Kastanienhain« ansehen. Die Förster haben dort ein großes Stück Dickicht wieder zu einem ansehnlichen Gebiet gemacht, sogar samt neuem Trog! Das alte Winterwasserhaus, lang schon nicht mehr in Betrieb, verfällt. Carla kam erst unter Protest mit, kehrte dann, wo’s steil und weglos wurde (und Brennnesseln standen) verzweifelt um. Schade.
Nachmittags ging’s nach Bozen, ich hatte eine Verabredung mit einem Architekten und bummelte dann noch durch die Stadt, Gisela und Carla shoppten. Dank Mobiltelefonen haben wir dann noch unsere Freunde am Waltherplatz getroffen, wanderten in die Bindergasse und haben dann gut und schön im Mondschein-Garten gegessen; die Kinder spielten im zugehörigen kleinen Park Flug in den Urwald auf der Hollywoodschaukel.
Mittwoch, 4. August 2010, hinauf in den Wald
Hinauf in den Wald, den Waldarbeiter suchen. Außer seinen Traktor haben wir nichts gefunden. Dafür haben wir alle Wege abgefahren. An der Grenze zum Ritten eine Blindschleiche, die sich immer nur windet, statt zu fliehen. Ob sie verletzt war? Carla fährt zurück im Kofferraum, aus Spass.
Am Nachmittag, nach ausgiebigem Mittagsschlaf der Damen (und ich hab’ die Klospülung in der M3-Wohnung repariert, dort gesaugt und gekehrt), haben Carla und ich Äste geschnitten und abtransportiert. Dann hat Gisela Abendessen gemacht, »Jägerfrikadellen«, Soße und Kartoffeln. I. und M. sind da, werkeln in Stall und auf der Wiese, die Sense wird gedengelt, wer kennt das noch?
Donnerstag, 5. August 2010, Meran
Wir sind beide früh auf, was so etwa sieben Uhr heißt, Carla noch nicht. Es gießt. Der Regenmesser zeigt frisch nur 1 bis 2 mm Regen. Dennoch Pfützen am Hof. Und wir haben vergessen, Tisch und Bänke hochzuklappen. Macht nichts. Hier wechselt das Wetter schnell, und selbst bei Regen ist der Blick ins Tal schön. Schön grün und satt und ruhig, im Mittelgrund ein paar Nebelschwaden, glänzende Wassertropfen nahdran. Das Telefon ist nach wie vor kaputt. Ich komme mir wie amputiert vor, mit nichteinmal einem Telefon. Dann geht gar nichts mit Bildern ins Netz oder einfachen Mails. Die Mobilfunkverbindung, die ich gestern Abend noch getestet habe, geht über den Netzbetreiber Wind (mit bis zu zwei Strichen 20 m oberhalb vom Hof) gut und vermutlich teuer (»gehört nicht zu den Vertragspartnern«) mit bis zu 8 kbit/s, und über Tim (Gisela hat da ihren dienstlichen Spezialtarif) praktisch gar nicht: 1 kbit/s. Also alles zurück zum Blackberry. Was damit geht, gut, sonst halt »Funkstille«.
Am Vormittag sind wir dann nach Meran gefahren, nicht ohne Ärger über die hintere Stoßstange, die ich dann doch nicht so angekratzt hatte, wie ihr Schaben und der Aufschrei Giselas es hätten vermuten lassen. In Meran muss man den Parkplatz »Kornplatz« ansteuern, modern und Lauben-nah. Bei strömendem Regen allerlei Einkäufe und ein Imbiss, Treffen in der Kirche. Ich rief die Telefonstörung an, was stets ein längerer Prozess ist, doch für mich bereits Routine mit vorwegeilenden Tasteneingaben. Für Samstag war die Reparatur versprochen, als wir aus Meran zurückkamen, bereits erledigt. Ein Lob der Telecom! Meran, fanden wir, ist eine weitere (und von hier schon mittelweite) Reise nicht wert, wenn man Bozen vor der Haustür hat. Übrigens bewährt sich unsere neue, preiswerte Waschmaschine (knapp € 340).
Am Hof sind wir Nebel-eingehüllt. Morgen soll wieder die Sonne scheinen! Und Birte kommen.
Freitag, 6. August 2010, im Wald
Nur 15 Grad hat’s in der Früh. Nach dem ergiebigen Regen gestern (hier gemessen: 32 mm) und vorgestern (8 mm) hat es abgekühlt. Unten im Tal rauscht wieder die Talfer, braun, vom ungewohnt vielen Wasser, darüber Nebelschwaden, in der Ferne oben die Wolken schon in der Sonne. Ich schlafe zu wenig, und doch haben wir nicht gehört, wie Birte und Matias in der Nacht um halb drei angekommen sind, leider. Carla, die auf sie sehnsüchtig gewartet hatte, auch nicht. Dafür verkündete sie’s mir gleich um sechs Uhr früh. Sie hat die Gewohnheit, mich sie zurück ins Bett begleiten zu lassen).
Nach einem guten, gemeinsamen Frühstück in der Stube sind wir wie geplant um zehn mit zwei Förstern in den Wald gefahren. Zuerst ganz hinauf zum Sag Bödele, einer alten Quelle am Rand unseres Gebietes am Ritten. Viele Zirben. Reifes Holz. Leider zahlreiche Käferbaume, Anlass für uns, dort rasch einen kleinen Schlag mit Seiltrasse hinunter zum Höhenweg auszuzeichnen zu wollen. Das mögen dann 150 bis 200 fm werden.
Dann zurück zu den Holzarbeitern am Höhenweg. Sie arbeiten gerade an den bereits ausgezeichneten 110 fm, zum Teil Käferbäume außerhalb der Klepp unter der Straße, zum Teil oben zwischen Höhenweg und Lägerle bezw. Spraiter-Gebiet. Geschlagen darf erst am August werden, die Holzfäller haben dann viel zu tun und sind nicht leicht zu bekommen. Außerdem muss man schon wissen, wer das Holz kauft, um es von vorne herein für das Sägewerk auf die gewünschten Längen zu schneiden. Also mussten wir uns schon entscheiden, wem wir’s verkaufen: wieder der Säge hier im Tal.
Dann sind wir sechs bei der Jagdhütte (ehemalige Seilbahnhütte) am Höhenweg hinunter zu den Schragen gegangen. Auf der Schattseite hinunter von der Brunnwies viele, fast unerreichbare Windwurfbäume, zum Teil schon mit dem Käfer drin. Auch da werden wir auszeigen müssen, vielleicht 200 bis 300 fm. Das junge Paar lief zurück, das Auto auf den oberen Stall hinunterzufahren. Dorthin bin ich dann mit den Förstern und Carla die Schragen hinuntergegangen. Vom Ende der Brandtlerstraße oder von der Serpentine des Italienerwegs werden wir eine Straße in die Schragen bauen müssen, damit das Gebiet dort erschlossen werden kann.
Am Nachmittag sind wir, die Förster und ich, dann vom Hof aus noch einmal hinaufgefahren, um von unserem Holzfäller zu erfahren, ob er das Holz von dort bringen kann. Gott sei Dank! Für kommenden Donnerstag, 12. August, 9 Uhr ist die Auszeige angesetzt. Davor können die Förster als Fachleute noch überlegen, wo die beiden Transportseile gespannt werden sollen, damit wir die nötigen Schneisen mit auszeigen.
Nach der Arbeit ging unser Pächter noch mähen, unsere steilste Wiese, die Leite. Zwar ist das Gras dort schlecht und teils schon recht trocken, trotzdem. Weil die Einachs-Mähmaschine immer rutscht, erfordert die Arbeit Kraft und Konzentration, ist auch nicht ganz ungefährlich.
Am Abend hatte Gisela Schweinebraten mit Reis, Sauce und Kochgemüse (»Succatash«) gemacht, der Mäher war mit eingeladen. So waren wir zu sechst, haben gut gegessen und zum Teil noch bis zehn fröhlich beisammengesessen, obwohl alle müde waren
Samstag, 7. August 2010, Boxis kommen, Grillfest.
Vormittag am Hof. Ich schneide die uralte, ganz verschossene Glyzinie weg, die Damen machen sich mit Perlen Armbänder, dann sortiere ich Fotos und schreibe Tagebuch. B. und M. sind hinauf auf den Berg, bis zur oberen Wies, und finden am Jagersteig Pfifferlinge. Albert, der Jagdaufseher, kommt und der Kommandant der freiwilligen Feuerwehr: Am Dienstag machen wir die Feuerwehrprobe. Er hat ein Baugeschäft, interessant.
Nachmittags, gegen halb sechs, kamen die Boxis nach langer Fahrt von Bonn. Die Münchner Ostumfahrung war voll, also fuhren sie durch München und dann über Garmisch, Mittenwald. Eine schöne, aber lange Fahrt. Ich schiebe wieder eine Portion Bilder ins Netz, ein paar Stunden online, und verteile eine neue Version des Tagebuchs. Dem Kaspersky-Virenscanner werde ich endgültig verbieten müssen, Updates aus dem Netz zu ziehen: Täglich drei Megabyte, das ist ätzend.
B. und M. hatten den Pächtern versprochen, ihnen beim Heuen zu helfen. Auf der steilen Leite bei der Hitze eine schweißtreibende Tätigkeit, alles ganz von Hand. Nur der Heutransport – eigentlich ist’s die zweite Mahd, also »Grummet« – ist allerdings hochmodern. Das Heu wird in große Tausend-Kilo-Zuckersäcke gestopft, und dann werden die Säcke, immer gleich mehrere, mit der Seilwinde des Traktors hochgezogen und gleich weiter in den Stadl gefahren. Statt mühsamer Heu-Tragearbeit in Leintüchern bis zum nächsten Weg, wie noch vor ganz wenigen Jahren, mechanischer Transport. Ich gehe mir das von hinterm Stadl ansehen, und rufe dann die bereits Veneziano-trinkenden Herrschaften, besonders die Kinder, dazu. Zum Schluss sind alle am Rechen, Sammeln, Staunen oder über die Wiese rutschen, und das gesammelte Heu ist eingefahren. Die Pächter haben dann noch am Sonntag den zweiten Teil, den vorderen, mit ihren Gästen eingefahren. Kein Regentröpfchen hat’s getrübt. So soll’s sein.
Alle mitsammen haben wir dann angegrillt, das heißt, ich hab bei gutem Südwind den neuen Kugelgrill eingeweiht, G. hat kleine (Nürnberger) und große (Brat-) Würste, Schweinssteaks und mariniertes Roastbeef aufgelegt, dazu gab’s Kochkartoffeln, selbstgemachte Peperonata, Salat und interessante Saucen and zwei langen Tischen. Mit den Kindern waren wir elf!
Sonntag, 8. August 2010, ein kapitaler Bock, Kirche, Dorf und Abreise von B. und M.
Wie es sich für einen Sonntag hier gehört, fährt die Familie fein gemacht ins Hochamt um halb zehn. Unsere Gäste haben sich alle angeschlossen. Sogar für ein Frühstück hat die Zeit noch gereicht. Nur: Wir wurden unterbrochen, ein unangemeldeter Frühbesuch, noch vor der Abfahrt ins Dorf zur Kirche. Albert und E., der Weidmann, waren extra gekommen, uns den schönsten Rehbock, den man hier seit langem gesehen hat, zu zeigen. Schön drapiert und noch ganz weich und warm in Fell lag er da, in der Wanne im Kofferraum, zum Stolz seines Jägers. Auf der oberen Wies war er gegen sieben mit zwei Schüssen korrekt erlegt worden. Große Freude aller. Ein schönes Geweih, das sah auch ein Laie.
Zur Kirche sind wir trotzdem noch rechtzeitig gekommen, haben sogar beim Nachbarn am Osterbach auf der Straße ein Reh gesehen, das sich über die Leitplanke in Sicherheit brachte. In der Kirche sang der Chor. Der (neue) Pfarrer schritt die Kirche ab, verteilte Weihwasser, und dann gab’s Weihrauch, dass der Altar vernebelt war. Wie hier üblich gelang die Messe trotzdem in 39 Minuten, unsere deutschen Gäste waren »fassungslos«. Bei ihnen läuft eine Messe eineinhalb Stunden. Kurz vor dem Kommunion kommt dann der Altpfarrer von hinten durch die Kirche zum Altar, um mit auszuteilen. Bis dahin sitzt er hinten im Beichtstuhl. Fromme Sitten wie ich sie bei uns in Bonn nur mehr von den Polen kenne.
Danach besuchten wir das Grab der Großeltern. Kaffee im Kaffee Kirchplatz (Dolomiten, Bildzeitung, Alto Adige), frühes Mittagessen beim Höllriegl, und zurück zum Hof. B. und M. fuhren um halb drei weg, ab über den Brenner. Wir trödelten herum, die »Slackline« wurde gespannt, ein Badminton-Netz, und die Kinder wollten nicht zum Nachbarn wandern, natürlich. Am Abend kam ergiebiger Regen, der uns beim Abendessen am Hof verscheuchte. Danach doppelter Regenbogen über dem Sam.
Montag, 9. August 2010, Bozen, Baden im Osterbach
>Vormittag blieb D. mit den Kindern am Hof – vor allem die Slackline hat es ihnen angetan. Eine Zirkusvorführung mit Clown, Seiltänzer, sogar Tiger wurde einstudiert. Die Frauen fuhren mit mir nach Bozen, ich trennte mich, wanderte ein Stück über die Talferpromenade am Schloss Martesch vorbei, ging zu meinem Architekt Nr. zwei, dem italienschen, fand dann eine Adresse für Obstbäume (Hafner Franz & Armin, Baumschulen, Pillhofstr. 27, Frangart 0471-633361, 3357477790, 3356752200, www.Hafner.Bz.It) und landete schließlich bei unserem Jäger, um ihm die Foto aus meinem PC zu übertragen. Inzwischen riefen die Damen an; sie saßen vornehm im Stadtkaffee am Waltherplatz. Danach wollten wir eigentlich zurück auf den Hof fahren; die Suche nach einer Tönung zog die Abreise aber hin, dann noch Einkauf beim Bindergassen-Spar, und endlich ab aus der Hitze.
Nachmittags fuhren Boxis und die Kinder zum Osterbach. Es muss aber ein kühles Vergnügen gewesen sein. Abends gab es wieder zu gut und zu viel zu essen: Brathendl mit Reis und Pilzsauce, dazu unser neu entdeckter Rosé spumante. Unser Verwalter schaute vorbei. Wir wollen die Ausbesserung der Fenster vorantreiben. Vor dem Zubettgehen schauen die Kinder noch Sterne, Boxis haben ein Teleskop mitgebracht. Der Himmel ist allerdings großteils bewölkt. Die heutige Dolomiten auf Seite drei unter einem Grauviehkalb: »Im wahrsten Sinne des Wortes Sommerfrische fürs Vieh: Zu trocken und zu kalt ist es derzeit für Kühe und Kälber aus Südtirols Almen.« Da werden Schlachtvieh billig (z. Zt. 70 Cent/kg) und Heu teuer werden (»Heuer liegen wir also ganz sicher über 20 Cent fürs Kilo Heu.«).
Dienstag, 10. August 2010, Klettergarten, Feuerwehrfest fällt ins Wasser
Tagsüber trennten sich die Wege: Während alle anderen zum Klettergarten in Terlan fuhren und dort lange begeistert in luftigen Höhen schwebten, blieb ich hier am Hof, telefonierte herum, hing die Wäsche ab, und begleitete vor allem die Förster zum Sag Bödele. Dort musste vor der Auszeige der Bäume eine Trasse für das Förderseil geplant werden, so, dass unten und oben große, feste Bäume zum Festmachen stehen, dass unten Platz für das Holz ist, dass wir nicht über Nachbars Land kommen (ein wenig schon, beim »Eck« der Grenze am Sag Bödele. Die Försterin hatte sogar ein GPS-Gerät mit, in dem allerdings die Grenzen nicht der Realität der Grenzsteine am Boden entsprechend eingezeichnet war. Nach der Planung von drei Varianten einigten wir uns auf die erste, relativ schräge. Bis hinauf auf den Sam kommt man eh nicht.
Wurde Holz früher bevorzugt von oben auf eine Straße darunter getrieben, so hat sich das heute umgekehrt. Heute holt man das Holz schonend mit dem Seil von unten herauf. Wege sollten also tendenziell oberhalb des zu erschließenden Gebiets verlaufen, nicht, wie früher, unterhalb.
Am Abend kam der Hydrauliker wegen dem neuen Anschluss des öffentlichen Wassers. Die Feuerwehr kam dann nicht (obwohl wir so viel Speck und Käse bereitgestellt hatten), drinnen im Dorf hatte ein Gewitter Keller überschwemmt. Da war die freiwillige Feuerwehr nicht mehr frei.
Mittwoch, 11. August 2010, Gardasee, Besuch Bruder mit Sohn
Unsere Gäste sind mit Carla zum Gardasee gefahren, haben aber nach der Sarca-Schlucht dann keine Lust mehr gehabt, die Westseite hinunterzufahren, zumal sie ohnehin nach Bardolino wollten auf der Ostseite. Die spektakuläre Anfahrt hatten sie trotzdem, weil sich sich schon in Arco links wandten. Und drei Kinder im Heck sind nicht zu begeistern für reines Sightseeing, eher für Baden im See. Das ist ihnen dann auch gelungen. Zurück von Bardolino wurde noch ein Abstecher zu Signora Poggi, der Inhaberin des Weingutes LeFraghe in Cavaion Veronese unternommen, um die zur Neige gegangenen heimatlichen Weinvorräte wieder aufzufüllen. Nach einem Besuch des Mega-Hyper-Supermarktes "IperAffi" im gleichnamigen Ort ging es mit frisch erworbenem Prosecco direkt über die Autobahn wieder nach Norden in Bozener Gefilde.
Wir waren derweil am Hof, zu zweit, Ruhetag. Mittags kam überraschend mein Bruder mit seinem Sohn Harry. Sie hatten eine Zwei-Tages-Tour auf den Latemar gemacht und sind dann von hier – gestärkt von Speck, Käs und Kuchen – durch den Wald hinauf in ihr Quartier auf der Lentsch gefahren. Ich hab ihnen aufgemacht und bin dann vom mittleren Stall heruntergewandert – ca. fünf Eierschwämme, sonst nichts. Um Fünf kam der Fenstermann und hat aufgenommen, wo Scheiben fehlen oder beschädigt sind, wo nachgekittet werden muss (macht man heute mit Silikon), hat sogar am Dachboden die ganz heruntergekommenen Außenfenster von unserem Schlafzimmer gefunden und eingehängt.
Am Abend bin ich nach Jenesien gefahren und habe mir ein Funk-Internet angesehen, über das ich in den Dolomiten berichten will. Eine Speziallösung, um einsame Höfe und Gegenden ohne DSL anzubinden. Geht sehr gut, war allerdings hier nicht die Wald-und-Wiesen-Installation. (1700 bis 200 kbit/s Download, 300 kbit/s Upload, Ping-Zeiten um die 40 ms, € 30 inkl. MWSt./m. Dagegen war Mobilfunk ohne Chance.)
Donnerstag, 12. August 2010, Regen, Kastanienfest, Feuerwehrprobe
In der Früh hat es gegossen. Die Auszeige fiel also buchstäblich ins Wasser, ebenso das Reiten am Ritten für die Kinder am Nachmittag. Ich bearbeite Fotos, Mail und Tagebuch, Gisela bereitet Essen vor, weil heute das Feuerwehrfest klein nachgeholt werden soll und die »Kastanienfeier« steigt. Unsere Gäste fahren ohne die Kinder nach Bozen, das bei diesem Wetter und Ferragosto hoffnungslos überfüllt ist. Sie kämpfen sich im Stau um die Stadt zum Spar in der Industriezone durch. Dort gibt es gefällige Geflügelscheren für fünf Euro und Biernachschub für unsere Feiern, danke! Hier heroben spielen die Kinder in Zimmerhüttl und Stadt. Endlich einmal richtig spielen, ohne Elektronik oder Plastikfiguren.
Am Nachmittag kommen zuerst die Forstarbeiter, die am Roden des Kastanienhains unter der großen Kastanie beteiligt gewesen waren, dazu, ganz unaufdringlich, ein Chef, Dr. Heinz – na, sagen wir’s Google-feindlich rückwärts – Rettir. Wir gehen hinunter zum Lokalaugenschein, die große Kastanie wird vermessen: Umfang 7,80 m, entspricht einem Durchmesser von 2,50 m (ein weiteres altes Bild auf www.Joern.De/hof1950.htm). Dann gibt es am Hof einen kleinen Umtrunk mit Speck und Käse, mit Knabbereien, Haribo-Spaghettis und vor allem selbstgemachten Quiches und Kuchen von Gisela. Dem Land entsprechend, dem Ort und dem Anlass geht das in Ruhe, gemächlich und ohne Verlegenheit ab, etwas, was man sich in den hastigen Städten nicht mehr vorstellen kann. Ich erinnere mich an das angeblich türkische Sprichwort, wo man einem, der schnell wieder geht, nachsagt: Er steht auf wie ein reicher Mann. Hier ist man noch bescheiden, ob arm oder reich.
Wenige Stunden und einen Regenschauer später – die Bänke hatten wir ins Trockene gestellt – biegt kurz vor acht die Feuerwehr mit Blaulicht und einem Signal um die Ecke, zwei Wagen, von allen sehnlichst erwartet. Schnell werden Schläuche ausgerollt und vier Spritzen installiert. Zwei schützen das Wohnhaus, zwei löschen den Stadl bzw. spritzen dahinter in die Wiese, 800 l/min mit 8 bar. Die 20.000-Volt Leitung ist ungefährlich, weil das Wasser sauber und der Strahl zerstäubt sind. Das Wasser kommt aus dem Tankwagen, der wiederum aus dem neuen Hydranten nachgefüllt wird. Unser neuer Hydrant gibt gut Wasser, mit 5,5 bar, und ist überhaupt »der besten Hydrant im Sarntal«. Als das Feuer »gelöscht« ist, wird ordentlich am Hof Meldung gemacht, und erst dann gibt es zu Essen und zu Trinken und zu Reden. Unsere Feuerwehr im Dorf hat 60 Mann, die Sollstärke, Mädels werden keine genommen, sorry. Dreißig haben einen Piepser, bei Großalarm erklingt die Sirene, unvergessen jedem, der sie einmal zur Probe im Dorf gehört hat. Fast jede Woche ist mit einem Einsatz zu rechnen. Dann wird es dunkel, Kerzen leuchten am Boden, man redet so hin und her, und dann gegen halb zehn ist Zapfenstreich. Die Herren nehmen ihre schwere Ausrüstung wieder auf und ab gehts zurück ins Dort.
Freitag, 13. August 2010, Auszeige am Sag Bödele
Alle waren hier, zumal das Wetter eher kühl und regnerisch war. Am Nachmittag bin ich mit den Förstern, dreien, auch Martin war dabei, und Dirk hinauf auf den Höhenweg gefahren, dann das letzte steile Stück hinauf zum Sag Bödele zu Fuß. Mit dem Regen hatten wir Glück, es tröpfelte nur, die Kladde, die ich führte, blieb einigermaßen trocken. Trotzdem legte ich zum Schrecken aller einen unfreiwilligen Purzelbaum hin, als ich auf einem nassen Zweig ausrutschte. Die Bäume werden in Brusthöhe und natürlich mit Rinde kluppiert, das heißt mit einer Art Riesenschublehre gemessen; alle 5 cm beginnt eine neue Dickenklasse. Die wird dann dem »Schriftführer« zugerufen, getrennt nach Baumart und eventuell Zustand wie dürr. Der bestätigt den Zuruf und macht einen Punkt – oder einen Strich; ein Rechteck samt Diagonalen ist voll mit zehn Punkten. Und das je Waldwirtschaftsabteilung, hier 8 und 9. Auf die Gesamtmenge bin ich neugierig, es muss ziemlich viel sein. Es ist eine Gegend, zu der man nicht so einfach kommt, da nützt man die Gelegenheit eher aus. Sogar unser Nachbar will sich beteiligen und wird am Dienstag auszeigen.
Ich erwische mich immer wieder dabei, alte Geschichten zu erzählen. Wie früher die Bäume mühsam und kunstvoll mit langen Sägen gefällt wurden, wie dann gut gezielt mit dem Beil ein Kreuz in den Stock geschlagen wurde, wie … Ich sollte das sein lassen. Es sind immer dieselben alten Geschichten, Einzelheiten aus einem Gesamtbild, das vergessen und vergangen ist, und das so recht keinen interessiert. Es macht mich höchstens alt, wehmütig, rückwärtsgerichtet.
Überhaupt merke ich, wie schwer es uns allen fällt, hier, jetzt und da zu sein, den Augenblick oder doch wenigstens den Tag zu leben. Da dudelt Musik (heuer groß im Kommen: We No Speak Americano. Comm t pò kapì ki t vo ben, Si tu I parl miez american, Quann s fà l’ammor sott la luna, Comm t ven n’gap e t’ì i love you. Pà Pà l’americano), dort schmökert man ein Buch, jemand ruft an am Handy, eifrig werden SMS ausgetauscht, und selbst beim klassischen Waldspaziergang laufen die Gedanken sonstwo hin, meist nach anderswo. Gisela hat ihre Ausschreibung gewonnen, das erfährt sie von ihrem Chef, große Freude; ich schreibe ein Mail an unser neues Wasserkraftunternehmen hier, die SEL AG, sie mögen uns von den Hochspannungsmasten vor dem Hof befreien, bekomme mit, dass die Leitungen wieder an eine andere Firma weitergegeben worden sind, an eine SE Hydropower GmbH, und frage mich, ob dergleichen nicht wieder so ein Verscherbeln öffentlichen Tafelsilbers auf Kosten kommender Generationen ist, wie wir es aus Deutschland kennen. Nachts lese ich stundenlang »The Orientalist« von Tom Reiss und bin geistig zwischen Berlin und Baku, bei Emigranten (das Wort gibt es fast nicht mehr) und vergessenen politischen Wirren. Doch zurück zum Dort-Sein, wenn man doch hier ist. Vielleicht sollte ich wirklich eine Pilgerreise tun, um die Gedanken nachkommen zu lassen, aufholen in ein langsameres Jetzt.
Abends dann letzter Abend mit Boxis, die uns zu Pizza im Dorf einluden, beim Hofer. Vorher erwische ich noch meine Mutter am Telefon, die heute 91 wird.
Samstag, 14. August 2010, einer zur Messe, zwei zum Shoppen
Um halb Acht war im Dorf eine Messe für Paul Springer und seinen erst kürzlich verstorbenen Bruder, sehr gut, feierlich, und doch nicht übertrieben: 34 Minuten, keine Predigt, zirka 200 Leute. Vorher bin ich noch ans Grab gegangen und habe eine Kerze angezündet. Es war ein herrlich schöner Morgen, so schön, wie sie nur früh und nach Regenwetter sind, dabei zehn Grad frisch. Am Rückweg traf ich noch kurz Josef O. unten auf der Noag Wies beim Durchforsten. Dann letztes Frühstück mit Boxis, ihre Abreise über Bozen, weil die Kleine noch Ausmalhefte haben wollte, die es nur dort gibt … Oh, diese Stadtmenschen! Bald darauf zog es auch meine zwei Frauen nach Bozen, trotz des herrlichen Wanderwetters. »Mittags« um halb vier kamen sie wieder. Boxis besichtigten auf der langen Rückfahrt nach Bonn noch Schloss Linderhof und einen berggasthof in 900 m Höhe, bis sie erst um Fünf wieder loskamen und doch schon um halb elf zu Hause waren; Regen auch dort.
Ich verlegte inzwischen unter dem lecken Trog eine Abflussrinne, ließ zwei Wäschen laufen und hing sie auf, stellte oben die Uhr am Herd, was man so tut, wenn man Zeit hat.
Nachmittags buk Gisela einen Kuchen, Pfirsiche drauf und bestrichen mit heißer Aprikosenmarmelade aus der Mikrowelle, wunderbar. Etwas Gries im Teig, meinte sie, sei der Trick. Abends fing es dann wieder zu regnen an. Wir spielten zum ersten Mal »Dolopoly«, das Monopoly der Dolomiten, und hatten unsere Freude dran.
Sonntag, 15. August 2010, bei »Strobls«
In der Nacht hat es wieder ausgiebig geregnet und gewittert. Weil wir gestern so lange aufgeblieben waren, zudem mit schlechtem Wetter gerechnet hatten, haben wir erst gar nicht versucht, uns zu den ausgiebigen Mariä-Himmelfahrt-Feierlichkeiten im Dorf aufzumachen. Schade.
Vor zwölf sind wir dann nach Jenesien gefahren, mit dem Kuchen und einer Flasche Sekt. Dies und wir kamen gut an. Helmut hatte schon den Grill heiß, die Kohlen perfekt am Glühen, und briet das schönste und dickste Stück Rindfleisch, das wir seit langem gesehen haben, dazu Lammstückerl und Würste. Sie hatte feinen Salat, Bratkartoffel und vor allem Vorspeisehäppchen gemacht, ein Genuss! Mit dem Wetter hatten wir auch Glück; wie am Tag davor begann es erst am Nachmittag zu regnen, am Ende wieder so ausgiebig. Erst gegen sieben waren wir wieder am Hof, hatten uns gut unterhalten, und waren wohl beisammen. Carla hat sich gut gehalten, die meisten Zeit ohne elektronische Unterhaltung, nur mit Probieren der alten Stöckelschuhe der Gastgeberin. Ein Paar durfte sie sogar behalten. Passt schon.
Danach hier gleich wieder eine Runde Dolopoly, bis gegen zehn, dann ins Bett.
Montag, 16. August 2010, Auszeige auf den Schragen
Wieder einer dieser anfangs klaren Tage, der nachmittags und vor allem abends in Regen übergeht. Am Nachmittag war die zweite Auszeige, die bei den Schragen beziehungsweise unter dem Brunnwiesel, angesetzt. Wieder war Martin dabei, wir fuhren hinauf auf den Höhenweg, und fanden dann sehr viel Schadholz – meist Sturmschäden – fast bis hinunter auf den Italienerweg. Mit dem Wetter hatten wir Glück in dieser steilen Gegend (ich sogar mit einem wunderschönen Steinpilz). Vielleicht sollte eine andere Seiltrasse gezogen werden, statt herunter vom Höhenweg (und dann der weite Transport über den Ritten) vom Italienerweg hinauf. Das wollen sie sich kommende Woche mit dem Holzfäller ansehen. Gisela und Carla fuhren inzwischen ins Dorf. Der morgige neunte Geburtstag von Carla zieht sozusagen endlose Vorbereitungen vor sich her.
In der Nacht habe ich dann noch ein liebevoll mit dem Ipod gefilmtes Geburtstagsvideo von Carla für Birte auf Youtube hochgeladen, eine knapp 40 Megabyte große MP4-Datei (BirteGeburtstagCarla.mp4 35,9MB). Bei der hiesigen Modemgeschwindigkeit von nominal 34,6 kbit/s dauerte das fast sechs Stunden; bis 100 % mussten 43 MByte hoch- und sonderbarerweise 6,6 MByte heruntergeladen werden, ca. 10 MByte/h; danach ging es weiter, doch wozu? Ich weiß nie, welcher Prozess eigentlich welche Daten überträgt, und das bei all dem Gerede über Internet-Sicherheit! Das Video steht seit auf www.youtube.com/watch?v=VToF3EynqQ0&hd=1, ich hoffe wenigstens. Scheinbar hat Youtube schon das nötige Drehen um neunzig Grad mit erledigt, um das ich mich hier vorher vergebens (mit Virtualdub) bemüht hatte, weil ich nicht das neueste Picasa am Rechner habe, das das kann. Zwischendurch stürzte der Rechner ab, usw.
Dienstag, 17. August 2010, Carlas 9. Geburtstag, Trient, Fest
Kurz vor Neun sitzen wir in der Stube am großen Tisch, Carla hatte schon ihren ersten Anruf (von Birte) und dann im Nachthemd ihre Kerzen am Geburtstagskuchen ausgeblasen, und packt jetzt einen Harry-Potter-Artikel nach dem anderen aus, bis hin zu einer Internatskrawatte. Draußen ein schöner Gebirgstag; der Förster hat angerufen, dass wir schon den 2010er-Zuschuss für die Holzbringung mit Seil beantragen sollen, weil unser Holzfäller (der übrigens und richtigerweise zu zweit arbeitet) mit der Partie um den Höhenweg fertig ist. Die nächsten werden sich wohl bis 2011 hinziehen.
Bis zur Abendeinladung für Carla hatten wir Zeit, Zeit, um ins nahe Trient zu fahren. In rund einer Stunde ist man dort, von Bozen aus gemütlich auf der Autobahn durch endlose Apfelplantagen, immer wieder hin und her über die Etsch, rechts und links die steilen Felsen mit den trockenen Wäldern der Salurner Klause, von Alters her Sprachgrenze zwischen Italienisch und Deutsch, heute Provinzgrenze. In Trient führte uns die Navigation gut zum Schloss, Castello del Buonconsiglio, Eintritt € 7 bezw. gratis für unter 18-Jährige und Presse.
Im Schloss war eine weitläufige Glasausstellung, von den schönen Fresken und interessanten Räumen beinahe ablenkend. Interessante Filme aus Murano, kitschiges und weniger kitschiges Glas die Fülle, dann der schöne Blick aus dem Treppenhaus, die alten Gänge, der Innenhof mit der Loggia und wieder ihren Fresken; schön, ein schon öfters besuchtes Schloss zu besuchen. Wir verloren uns immer wieder, zum Glück gibts Handys. Seitenblicke auf Italiens Helden (und Österreichs Deserteure, i. e. Cesare Battisti) nur für den, der darauf sein schowinistisches Augenmerk richtet, gewiss nicht für aktuelle Touristen. (Viktor Emanuel am 9. 11. 1918: … Oh Soldaten und Matrosen, schon jetzt segnen euch die antiken und die jüngsten Märtyrer und die Kommilitonen, die an eurer Seite gefallen sind, auf dass ihr Blut nicht umsonst für euch vergossen ward, und das ganze Vaterland jubelt euch zu, denn für euch wurde sein Ziel erreicht; und euer König drückt euch das Wort der Dankbarkeit mit tiefer Bewegung des Gemütes aus, das sich zu euch aus dem Herzen des ganzen Volkes Italiens erhebt. (… O soldati e marinai già vi benedicono i martiri antichi e recenti ed i commilitoni che caddero al vostro fianco poiché per voi non fu sparso invano il loro sangue e la patria intera vi esalta poiché per voi fu raggiunta la sua meta e il vostro re con profonda emozione di affetto vi esprime la parola di gratitudine che si eleva a voi dal cuore in tutto il popolo d’Italia.)
Dann ein freundliches und preiswertes Mittagessen draußen im »antiken« Restaurant zu den zwei Mohren – oder afrikanischen Amerikanern, wie man heute sagen würde, ein Bummel durch die Stadt zum Dom, der uns wieder sehr beeindruckte. Der Haupteingang hinten ist mit einem Milchglaswindfang umgestaltet, sodass wenigstens etwas Licht in das Halbdunkel kommt. Schön. Dann rechtzeitig (und müde) zurück zum Hof, wo Gisela den Geburtstagskuchen und ihr perfekt vorbereitetes Dinner anschmiss; Carla und ich deckten in der Stube auf, weil das Wetter immer noch unsicher ist, für zehn Personen (die beiden Hofpächter, der Jagdpächter, der Jagdaufseher und seine Frau, der Verwalter mit Sohn, wir drei).
Den Aperitiv (Tomaten-Bruschetten, Jelo-Sekt) konnten wir dann doch draußen nehmen, und schon da steig die Stimmung. Mich freut es immer wieder, wie gut eigentlich ganz unterschiedliche Leute hier zusammen sein können. Für mich ist das Südtirol. Das eigentliche Abendessen (Schweinebraten, Rosmarinkartoffel, Pilzsauce, Feldsalat, Lagrein, schließlich Schokoladetorte und Schnaps) entwickelte sich dann mehr und mehr beinahe zu einem Hüttenfest. Carla packte ihre Geschenke aus. Die Jüngeren, wozu sich der Jagdpächter ebenfalls outete, tauschten sich über aktuelle Schlager aus, Carla kam mit ihren CDs, dem Tischlautsprecher, und es wurde sogar ein ganz klein wenig getanzt! Carla kostümierte sich, schlug Rad, und hatte viel Spass, besonders mit A. Zu guter Zeit trennte sich die Runde, Carla fiel ins Bett, Gisela hatte sogar den Abwasch gut organisiert, und im Nu waren auch wir fertig. Ein schöner Tag!
Als Einschub hatte ich mir vorgenommen, über die Geräusche hier am Hof zu schreiben, vor allem über die verschiedenen Türen. Schön die große, schwere Haustüre mit ihrem ausgeleierten, etwas herunterhängenden Griff fällt schon mit einem charakteristischen Klack ins Schloss, wobei man sie ja eher zumacht als zuwirft. Stube und Gästezimmer haben extra Schließfedern, die fallen schnell (Stube) oder langsam (Gästezimmer) zu, wenn sie nicht offengehalten werden. In der Stube sorgt ein gebogenes Stück Baudraht dafür, das um einem der beiden Garderobehaken geschlungen ist – ebenfalls Improvisationen aus großen alten Nägeln oder Holzstiften. Die Schlösser der Türen sind hier nicht einheitlich und vielfach noch alte Kippklinken. Sie fallen, wenn überhaupt, alle anders »ins Schloss«. Die U-förmigen, festen Teile muss ich immer wieder gelegentlich in den Türstock zurückklopfen, damit die geschlossene Tür nicht zu locker steht. Am wichtigsten ist der Klack der Kühlschranktür, eine Art Doppelschlag, nur aus dem zu erkennen ist, ob der Kühlschrank hier in der Stubenküche auch gut geschlossen ist. Dann kämen die hölzernen Schläge etwa der Tür zur alten Werkzeugkammer im Haus, das Tor zur Tenne, usw.
Mittwoch, 18. August 2010, Pragser Wildsee, Packen
Wir wollten unseren letzten freien Tag doch ausnützen. Trotz trüben Wetter und fortgeschrittenem Tag haben wir uns über Bozen ins Pustertal aufgemacht, zum berühmten Pragser Wildsee. Carla wurde geködert mit der Möglichkeit zu baden. (Dabei ist der Gebirgssee so saukalt, dass ich selbst als 14-Jähriger nur mit größter Überwindung dort eine kleine Runde geschwommen bin.) Der Ausflug war kein Erfolg, im Gegenteil. Die Anfahrt im Pustertal vor Bruneck ewige Staus, am See Horden von italienischen Familien, Picknick wohin man sah, das alte Hotel und alles drumherum ganz in italienischer Hand, tausende Autos auf Parkplätzen für fünf Euro und wild daneben. Ein eher minderes Mittagessen auf der kühlen Veranda des Hotels. Dann kurzer Spaziergang am Ufer. Carla war sogar mutig mit beiden Beinen im Wasser. Eine halbe Stunde Ruderboot – die Vermieter waren ausnahmsweise deutsche Burschen – hätte zehn Euro kosten sollen. Dafür beobachteten wir zwei Fischer. Die Bergrettung lud einen Toten in das Auto des Bestatters um. Wir fuhren nach Toblach. Der Ort war derart überfüllt, dass wir erst nach langer Suche und Gewarte irgendwo draußen einen Parkplatz fanden – und feststellen mussten, dass wir Carlas nagelneue schwarze »Lotto«-Jacke am See verloren hatten. Also noch mehr Ärger, wilde gegenseitige Schuldzuweisungen, Drohungen sofortigen In-die-Luft-Gehens bezw. Instant-Rückreise. Dann haben wir aber doch noch einmal den Weg am See abgesucht, den Parkplatz, in den Cafes gefragt, doch leider ohne Erfolg.
Abends haben wir dann schon einmal unsere Sachen gepackt. Das macht fast ganz allein Gisela. Ich bin nur für Technik zuständig, eventuell für Wäsche, Schuhe, Graffl. Letzte Nacht.
Donnerstag, 19. August 2010, endlich wieder strahlend schön, letzter Besuch, Rückreise
Noch bevor gegen elf unsere Bonner Freunde von Rabland im Vintschgau kamen, haben wir das Auto vollgepackt, die Betten abgezogen, Wäsche gestartet. Der Tag war ausnehmend schön, wie das so ist nach trüben Tagen und sich gehört, zur Abreise mit besten Erinnerungen.
Ich konnte wieder einmal Haus und Hof zeigen, die Kinder durften Heuhüpfen, selbst der Junior mit seinem Rucksack beteiligte sich unermüdlich. Einfach ein heiteres Beisammensein. Gedankenaustausch über den Hof, dazu Jörns Lebensgeschichte, ein wenig Foto-Fachsimpeln (Filme sind fast nicht mehr zu bekommen), Talblick und drei Parasole auf der Wiese. Der schöne weiße Bovist mitten am Weg, den ich zwei Wochen vorher nicht gepflückt hatte, ist jetzt einfach nur noch ein alter, ausgetretener Staubpilz. Unsere Gäste fuhren dann am Nachmittag wieder weg, gerade als »die Jäger« noch einmal zum Abschied vorbeischauten.
Um halb sechs (17.36 Uhr, 25°C) kamen wir los gen Norden übers Joch. Die Navigation prognostizierte Ankunft um halb zwei (1.26), nach 855 km (über Bozen). Da waren wir kurz nach zwei (2.06) nach ca. 830 km und einem guten, langen Abendessen in Weyarn.
Bewegte Ferien, die unter dem verregneten Wetter gelitten haben, vielleicht auch ein wenig durch unsere Ungeduld, immer etwas erleben zu wollen. Ich hatte viel im Wald zu tun. Gisela wäre gerne mehr hinaus gekommen, nach Ferrara, Vicenza, Modena – beim nächsten Mal. Carla kam mir natürlich zu wenig mit in den Wald; da aber bin ich unersättlich. Eine andere Welt.
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