19. Januar 2017

Rundungen, Rundungsradien

Da müsste man mal wieder was schreiben, über die designhistorische Entwicklung von Radien.

Ein berühmter Radius ist die Bierflaschlrundung am Übergang von Zimmerwand zu Zimmerdecke, heute altmodisch wie Blümchentapeten.

Dann fand ich zufällig von Hans Gugelot Radiengedanken zu einem Fotokopierer von 1963:
Aus »System-Design Bahnbrecher: Hans Gugelot 1920–65«
von Hans Wichmann auf http://bit.ly/2jOycxS
Es gibt daher drei grundlegende Möglichkeiten, einen Quader mittels seiner Radien an den Kanten zu gestalten. Wobei die drei Ergebnisse sich voneinander grundlegend unterscheiden. Bei allen Ergebnissen gibt es doppelt so viele Kanten, also acht, mit kleinem Radius, als es Kanten mit großem Radius gibt. Selbstverständlich lässt sich die Stufung der beiden Radien beliebig variieren, so dass man in der praktischen Anwendung dieser Theorie geradezu unendlich viele Möglichkeiten hat, einen Quader durch die Verrundung seiner Kanten zu variieren. Ein praktisches Beispiel für die Anwendung dieses Verfahren ist das Bürokopiergerät, das wir für die Firma Lumoprint, Hamburg, entworfen haben. Die Ordnung dieses Gerätes besteht aber auch darin, dass wir einen Deckel vorgesehen haben, der fast sämtliche Funktionen des Gerätes steuert.XX
YY
Lediglich die Einstellung der Lichtstärke wird an einem separaten Bedienungsknopf vorgenommen. Man sieht sehr deutlich, dass die horizontal liegenden und parallel zur Längsachse des Gerätes verlaufenden Kanten mit den großen Radien versehen sind, die übrigen acht Kanten, also die Kanten der Stirnflächen, mit kleinen Radien. Man erhält hierdurch eine Betonung der Stirnfläche und dadurch eine fast rohrförmige Erscheinung des Gerätes. Hierdurch erscheint das Gerät nieder und lang, und hätten wir die langen Seiten des Gerätes mit kleinen Radien versehen, wäre das Gerät bedeutend kürzer und auch höher erschienen. Die natürliche Konsequenz dieser Gestaltung bedingt, dass wir das Gehäuse vom Boden lösen, was, da das Gerät teilweise mobil eingesetzt wird, zum Tragen ein Vorteil ist. Im weiteren hat es sich erwiesen, dass im Werkzeugbau diese Anwendung unserer Theorie ein Vorteil ist …

Soweit Hans Gugelot im Vortrag »Der Designer in der heutigen Gesellschaft«, gehalten in Stockholm im Mai 1963. S. 21/22 
– Da sehen Sie übrigens, wie viel besser gewohnte Rechtschreibung zu lesen ist. Ich hab’s Ihnen extra zweispaltig gesetzt, in Helvetika und ähnlich klein wie oben.


Auf das Thema gekommen bin ich heute über ein Bild des 87-jährigen Jean Widmer.



Hier der schöne Artikel, samt einer Bilderserie und interessanten Kommentaren (dort auch der Urherrechtshinweis zum Bild).

»WC-Garnitur Faro White«
Wenko Art. 20023100, € 15
EAN 4008838120316
In den letzten sechzig Jahren haben sich die Radien verringert. Mehr weiß ich Nicht-Designer leider nicht zu sagen …

Zu rund heutzutage: »Die fabelhafte Wenko-WC-Garnitur Faro ist ein hübscher Blickfang in jedem Badezimmer. Der Behälter in der Farbe Weiß fasst 440 ml besteht aus Keramik und sieht sehr schick aus«, propagiert ausgerechnet »Businessclassfluege.De«.

Links
Statik von Verrundungen (Viertelkreis vs. krümmungsstetig)
Radientopologie (Zwei-Klammer-, Drei-Winkel-Prinzip)
Hannes Famira (fand ich schön)

Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2017/01/rundungen-rundungsradien.html
Tabellendesign im Blog hier mit width 650px, erste und zweite Spalte je 250px 

Keine Kommentare: