Südtirol 2007 – der große Sommerurlaub
Gisela und Fritz, Carla und zeitweise Emely ...
Freitag, 13. Juli 2007 – Reisevorbereitungen
Schon diese Vorbereitungen waren spannend. Der Kofferraum von Giselas neuem Audi, A6 quattro, ihr ganzer Stolz, schien kleiner als der vom Passat. Und unser Reisegepäck wird von Jahr zu Jahr mehr, teils, weil manches Abgelegte gut in Südtirol auf dem Hof bleiben kann – etwas abgetragene Fußbodenläufer etwa –, teils weil man irgendetwas dort wohl brauchen könnte – eine batteriegetriebene Seifenblasenmaschine für zwölf Euro zum Beispiel oder das xte alte Schurlostelefon; und Fritz’ Technik wird auch immer mehr bis hin zum externen DVD-Brenner, mit dem man mitgebrachte Filme zeigen kann, abends, wenn es draußen stürmt und schneit, worauf man bei diesem Klimawandel ja immer gefasst sein muss, selbst im Sommer.
Ja, Sommer war angesagt, wieder eine Hochsommerphase mit dreißig Grad plus und Staus allüberall auf deutschen Autofahrbaustellen, einst Autobahnen genannt.
Was lag näher als nach Geschäftsschluss am Freitag, zugleich Giselas letztem Arbeitstag, ausgiebig Abschied zu feiern, bei Giaccomo (sic! Gehört einem Griechen, der nicht Italienisch kann.), bis nachts um elf. Gisela hatte ja schon gepackt, drei große Reisetaschen, eine Klappkiste Proviant und ungezählte Säcke, Taschen, Kästchen und lose Literatur. Und doch werkelte sie nach unserem heiteren Beisammensein noch bis nach Mitternacht in Küche (Reiseproviant) und Bad (Selbstreinigung), während der Gatte (Fritz, dies schreibend, beim Rauschen des Osterbaches am Sonntagnachmittag!) bereits schlief. Wer sieht denn schon hinein in den anderen, wer würdigt sein Tun? Bis dann so manches Unverstandene heimlich passiert: Giselas Zigarettenvorrat für die Ferien vielleicht und Fritz’ frommes Beichten, auf dass auf den sonntäglichen Pflichtgottesdienst mit Kommunion in Sarnthein kein sündiger Schatten falle.
Soweit Freitag der 13. Juli. Am nächsten Tag wollten wir um sieben Uhr früh Bonn verlassen – haben. Fürchterliche Staus waren vorhergesagt, dazu ebensolche Hitze. Emely schlief schon vorsorglich bei uns, in Carlas Bett; Carla, wie sie’s lieber schätzt, auf dem Sofa (die Vorliebe hat sie von ihrer Urgroßmutter Hödl geerbt, und von mir).
Samstag, 14. Juli 2007 – Bonn—Siebenfahrerhof
Erst musste aufgestanden werden. Mein Wecker klingelte um halb sechs. Da wollte schon einer von uns die Abreise um eine Stunde verschieben, doch gemeinsam blieben wir stark. Und kamen dennoch erst um acht los, das Auto voll bis an die Außenspiegel, samt Fußraum. Erst nach drei Versuchen, das rote Kofferraumdeckelwarnlicht gelöscht zu bekommen, zornigem Zuwerfen nämlich, glitten wir los, auf dem Tacho 711 Kilometer, neu, neu, neu! Ein wunderschöner Tag, dazu beste, doch leicht nervöse Stimmung. Letzte SMS an die Daheimgebliebenen. Auf der A3 Versuch einer vorbeugenden Psychoreiseplanung nach dem Schema: »Ich möchte wirklich einmal, und was willst du?« Danach hätten wir uns eigentlich gleich trennen müssen, wenn uns nicht unsere gegenseitige unerschütterliche Zuneigung – und von hinten das Gequengel der Kinder – in die Reisewirklichkeit zurückgebracht hätten.
Die Navigation, neu, vom Allerfeinsten, klappt europaweit. Sie ließ sich in Südtirol auf den nächsten Weiler stellen: ›Sarntal‹ und als Straße ›Bundschen‹, errechnete 808 Kilometer weit weg und bis um 15 Uhr 42 zu erreichen. Der Weg sollte richtig über das Penser Joch führen – aufpassen muss man, dass man nicht langweilig über Bozen geleitet wird. Auf dem uns bekannten Weg war die Zielzeitangabe das Spannendste: Bereits nach wenigen Minuten war sie schon auf 18 Uhr 4 gestiegen, und während der Fahrt war die häufigste Ansagen unserer Navigationshilfe nicht Richtungswechsel sondern: »Die Route wird aufgrund aktueller Verkehrsmeldungen neu berechnet«. Staus. Überall Staus. So richtig gestanden haben wir wenig, doch Staus gab es – vor allem zwischen Frankfurt und Nürnberg, bis zu zwanzig Kilometer lang. Wir sind denn, autopilotiert, ab Würzburg Richtung Rotheburg ob der Tauber gefahren, konnten endlich die Pferde springen lassen, Fritz am Volant und die Einfahrkilometer fast schon »abgestaut«. Da gelang es mir wieder, die vorhergesagte Ankunftszeit unter 18 Uhr zu drücken.
In unserem Stammgasthof, dem Sinsdorfer Hof an der Ausfahrt Hilpoldstein Süd, haben wir gegen zwei Uhr Mittag gemacht. Die Kinder durften Baumklettern. Danach war Gisela am Steuer. Dank »signifikant besserer Fahrttechnik als beim Vorgänger« (ihre Worte) gelang es ihr, die Zielzeit rasch von anfänglich 19 Uhr – wir hatten etwa eine Stunde Pause gemacht – um eine Viertelstunde zu verbessern. Denn: Die Staus auf der Strecke hatten sich alle aufgelöst! So kamen wir bestens voran, entspannt, wohltemperiert, und mit schlafenden Kindern. Erster Alpenblick (bei Neufahrn vor München) um 15.35 Uhr. Im Inntal gegen 16.15 Uhr macht Fritz noch einen Mobilfunk-Datenübertragunstest bei letzter, unbegrenzter Fahrt. GPRS (keim UMTS vorhanden): Download 73 kbit/s, Upload 38 kbit/s, Pingzeit nicht gemessen. Immerhin, etwas besser als stehend mit dem Modem übers Festnetz.
Dann hinein nach Österreich, die Kufsteiner Festung, Geschwindigkeitsbegrenzung, wir rechneten Datum zur Optimierung der Zehn-Tage-Maut. Traditioneller Tankhalt in Angath zum Kauf der beiden Zehn-Tages-Vignetten; die Videomaut war ausgefallen. (Und getankt hatten wir in Hilpoldstein.) Die Satellitennavigation zeigt die stetig steigende Meereshöhe, 500 Meter. Wir essen riesige Eisportionen, trinken riesige Schorlen, umgeben von Reisegruppen aus Brünn (Aufkleber auf einem Golf: »Porsche Brno«). Die Leute in Trainingsanzügen, mit nackten Oberkörpern (teils wegen Tätowierungen, teils wegen Bodybuilding, oho!). Schon wegen der üblichen Damentoilettenschlange zieht sich der Aufenthalt fast eine Stunde hin, bis halb sechs. Unser Ziel ist auf 19 Uhr 32 gerückt. Egal. Wir sind im Süden. Wir sind glücklich. Und die Staus sind auch weg, nicht einmal an der Mautstelle am Brenner. Gisela erklärt die Berge, über die wir müssen, woraufhin Emely Angst bekommt. Ihre einzigen Bergerfahrungen bislang scheinen Achterbahnen zu sein. Brenner 18 Uhr 10, Zielprognose 19.27 Uhr, 1370 Meter hoch, genau, dann Sterzing, 940 Meter hoch, und wieder hinauf aufs Penser Joch, eine Ansage in 1600 Meter Höhe: »Achtung, zeitabhängige Verkehrsführung!« Gemeint ist die Wintersperre wegen Schnee. Am Joch um 18.50 Uhr, 2210 Meter, 19 Grad, Prognose weiterhin 19.30 Uhr, und halt wunderschön. Die Berge am Abend. Ein einsamer Radler hat’s schafft’s mit uns.
Die Navigation zeigt ein Tohuwabohu von Ortsnamen, hauptsächlich deutsche, Sterzing aber kennt sie nicht und bleibt stur bei Vipiteno. Der Hauptort des Sarntals, Sarnthein, wird Sarntal genannt, wohl weil beides italienisch Sarentino heißt. Bundschen (Ponticino, Brücklein) gibt es wieder richtig.
In Sarnthein haben wir noch Linda auf eine Zigarettenlänge herausgeklingelt, sie lebt mit ihrem Mann Albert (unserem Jagdaufseher und Wald-Faktotum) direkt an der Landstraße. Albert war am Berg unterwegs. Und wir hatten es schon nicht mehr eilig. (Im Bild Emely, Carla, Gisela und Fritz, darüber die Sarner Scharte. Alle Bilder sind klickbar und werden dann groß – das heißt, ich lade sie vom Hof mit dem Modem in voller Größe hoch.)
Dann Bundschen, unser »Navigations«-Ziel, nach 860 Kilometern, danach Tanzbachbrücke, Höhe 780 Meter, und endlich am Hof, 920 Meter über dem Meer, 46° 35' 51" Nord, 11° 23' 7" Ost.
Am Hof waren die Pächter nicht da, verständlich an »ihrem« dreißigsten Geburtstag, auch die zwei Pferde nicht (die sind auf der Alm), Enttäuschung bei den Kindern, dafür eine Kuh im Stall. Die Wohnung war nicht frisch gereinigt (hatte ich nicht richtig bei Martina erbeten), riesige Enttäuschung von Gisela, die sich in der Folge zu einer veritablen Krise steigerte, angesichts dem Berg Auszupackendem, den zu überziehenden Betten, dem Durcheinander bei der Bettwäsche und überhaupt als Antiklimax zum Glück der Berge und der Erwartung sorglos schöner Tage in Tirol. Nur gut, dass Gisela dann doch zu müde war, am Absatz kehrt zu machen. Und Überraschungen für mich: keine Klospülung, dafür rinnt der Siphon unter dem Waschbecken. Übliche Hofanfangsroutine: Telefon, Boiler und Kühlschank ein, Betten überziehen, Staubsaugen, Auspacken, Kinder vom gröbsten Unsinn abhalten, und vor allem Auspacken. Den Kindern habe ich dann Gnocchi gemacht mit Tomatensauce. Gisela konnte sich beruhigen durch ihr Auspacken und das Anwerfen der ersten Waschmaschine, Fritz beim erfolgreichen Reparieren der Klospülung, die sich nur festgefressen hatte mangels Übung. Gegen Mitternacht hatten wir uns wieder, die Kinder schliefen längst, und draußen strahlen die Sterne, so schön wie nur hier!
Sonntag, 15. Juli 2007 – Kirche im Dorf und Baden im Osterbach
Herrliches Wetter, 19 Grad, Sonnenaufgang 8.15 Uhr. Wie es sich gehört, verließen wir geschniegelt und geputzt kurz nach neun den Hof, zum Hochamt um halb zehn – im Bild die beiden Grazien Emely und Carla an der Hoftür.
Im Dorf startet gerade ein Radrennen zum Penser Joch, der Carabinieri-Chef begrüßt mich herzlich mit Handschlag. Die Messe – schwach besucht leider – gelingt in 45 Minuten, der alte Pfarrer zelebriert und predigt monoton. Evangelium vom barmherzigen Samariter, die Kinder kriegen’s nicht mit. Mich rühren die alten Kirchenlieder – »Was Gott tut, das ist wohlgetan«. Lebte man mehr danach, hätte man dann keinen Streit, keinen Stress? Es bleibt Bemühen. Am Grab der Großeltern ausgewachsene Rosen, teils welke Blumen.
Beim Kaffe Kirchplatz Eis und Kaffee — unvergleichlich, hier in Italien. Rundgang im Dorf, wieder leicht verschönert (an der Brücke beim Würstlstand), eine kleine Brücke neu oberhalb der Straßenbrücke. Friedlich, schön, eben sonntäglich. Ein Bauer, den ich kennen müsste, ganz in Tracht, spricht mich an, und berichtet mir über den Stand der geplanten »städtischen« Wasserleitung auf den Hof. Dann eilt er weiter – zur italienischen Messe. Ein Spätaufsteher, oder hatte ihn etwas aufgehalten? (Südtirol sollte uns ein Vorbild für »Integration« sein.)
Wir essen zu Mittag im Höllriegl-Garten, und die Blasmusik spielt dazu! Nudelsuppe mit Fleischeinlage für die Kinder, Milzschnittensuppe für mich, Schnitzel für Gisela, viel Hunger hatten wir ja nicht. Gisela wird zum zweiten Mal für eine Italienerin gehalten, mit ihrer Chanel-Sonnenbrille.
Und jetzt am Nachmittag tollen die Kinder im eiskalten Osterbachwasser herum, Emely lernt von Carla das Steineklettern, Emely ist mutiger im Wasser. Ich baue Damm, fotografiere, mache kleine Filmchen, rede rein – und klappe jetzt zu.
Abends dann waren die Pächter da, herzliches Wiedersehen. Igor arbeitet mit der Maschine am Heu (Zusammenrechen zu Reihen) auf der Ebenwies. Martina unterhält sich mit Gisela. Ich schraube den billigen Plastiksiphon im Bad auseinander, säubere und hoffe, dass er ohne neue Dichtungen und ohne ›Plastik-Fermit‹ wieder dicht hält. Carla freut sich über ihr »erstes Victorinox«, das mit ohne Spitze, ich hatte es als Überraschung mitgebracht, Emely muss derweil mit meinem Messer schnitzen. Morgen in Bozen wollen wir ihr auch eines kaufen. (Die Kinder, und wir erst mit unserem Markenfimmel, sind doch Neidhammel, zumindest aber Perfektionisten.)
Abends gibt es bei uns Pfannkuchen. Die Kinder werden gebadet. Ich sitze am Hof und tippe, muss noch die Fotos einziehen. [Also schließe ich mit den beiden Grazien, in der Sonne sich vom eiskalten Nass erholend: … Einige Bilder habe ich herausgeschnitten, Juli 2010]
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