Ich gestatte mir (bis auf möglicherweise kommende Proteste wegen Urheberrechtsverletzungen) die Geschichte anonymisiert hier widerzuspiegeln.
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Foto Ghesquiere |
1. Akt
Die NZZ veröffentlicht am 8. April 2018 eine Glosse über postkoitale Traurigkeit,
Die Zigarette danach.
Die Autorin Birgit Schmid würzt sie mit einem klassischen Zitat.
Sie können das (hoffentlich) hier lesen: http://j.mp/2HuKxlZ =
https://www.nzz.ch/gesellschaft/auf-eine-zigarette-danach-ld.1374592
(Birgit Schmid: »Auf eine Zigarette danach«).
Zitat, kursiv von mir:
»Nicht zufällig nennen die Franzosen den Orgasmus kleinen Tod, und ein lateinisches Sprichwort geht: ›Post coitum omne animal triste‹, nach der Vereinigung sind alle Lebewesen traurig.«
2. Akt
Ein klassischer Leserbrief, der’s etwas besser weiß:, NZZ 18. April:
Die Crux mit Zitaten
Birgit Schmid stellt in ihrer süffigen Kolumne (»In jeder Beziehung«, NZZ 6. 4. 18) fest, dass nach dem Beischlaf sich postkoitale Traurigkeit einstelle, von der »vorwiegend Frauen« betroffen seien.
Sie schmückt diese Erkenntnis unter anderem mit der Aussage, die dem griechisch-römischen Arzt Galenos von Pergamon zugeschrieben wird: »Post coitum omne animal triste est«, »Nach dem Beischlaf ist jedes Lebewesen traurig«. Zu gerne wüsste ich, ob sie absichtlich verkürzt zitiert hat. Die Aussage geht nämlich eigentlich weiter: »sive gallus et mulier«, also »ausser dem Hahn und der Frau». Das »omne« wird somit relativiert, Galenos war da anderer Meinung als Birgit Schmid.
Ohne Stellung zu beziehen: Dies zeigt wieder einmal sehr schön, wie man mit ungenauen
beziehungsweise verkürzten Zitaten deren Sinn verändern kann.
3. Akt
Ein Leserbrief zum Leserbrief legt am 25. April geistig den Rückwärtsgang ein.
Vorsicht bei Zitaten
Mit den Zitaten muss man tatsächlich sorgfältig umgehen. Im Falle von Birgit Schmid ist der Vorwurf bewusster Verkürzung jedoch nicht berechtigt (Leserbrief NZZ 18. 4. 18). Das lateinische
»post coitum omne animal triste est sive gallus et mulier« heisst, sofern es richtig überliefert ist: »Nach dem Koitus ist jedes Lebewesen traurig – sei es ein Hahn oder auch eine Frau.« [Die Leserbriefschreiberin oder der Leserbriefschreiber] übersetzt das »sive« mit «ausser» bzw.
mit »ohne«, was wohl eine Verwechslung mit lat. »sine« wäre. Seine Übersetzung ist falsch. Hahn und Frau sind Beispiele für Lebewesen, nicht Ausnahmen der Traurigkeit. Also: Sinngemäss kann man die vier letzten Wörter des Zitats ruhig weglassen. Ob aber der Galen zugeschriebene Satz wirklich von ihm stammt, ist eh nicht sicher, und schliesslich darf man ruhig annehmen, dass der Grieche Galen mit dem Latein auch so seine liebe Mühe hatte, wenn er seine römischen
Kunden behandelte.
sive
bei Google: oder
bei Frag-Cäsar: oder, oder aber
bei Pons: oder
Linguee kann kein Latein
Latin is Simple analysiert das Sprichwort
Übrigens ist der Fehler mit dem »außer« häufig, etwa hier. Selbst die Welt patzt, allerdings nach einem Test tantrischer Yoni-Massage in Berlin. Woraufhin Galen (129 bis 199) als Galçn erscheint.
Gelegentlich auch als: Post coitum omne animal triste praeter gallum, qui cantat. (Quelle)
Gegen moderne Blogs sahen Bücher damals halt noch »wertig« aus. Genug.
Link hierher: http://j.mp/2HsKYNE
https://blogabissl.blogspot.com/2018/04/animal-triste.html
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