26. März 2017

Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten?

Max Bittrof: Europa auf dem Stier, 1948, DM 5

Wie soll das gehen? Was soll das heißen: Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten? Vier­gang­ge­triebe, vielleicht noch mit Rück­wärts­gang zum Ausparken? 
   Europa läuft nicht. Sie lässt sich höchstens entführen.
   Ein »Europa unterscheidlicher Geschwindigkeiten« klingt gut, ist aber Quatsch. Schon heute werden europäische Vorschriften mehr oder weniger schnell in nationales Recht übernommen, doch darum geht’s gar nicht. 

In Rom wurde am 25. März 1957 unter anderem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, die EWG, in der Wikipedia sauber nachzulesen. Die Europäische Union, die umstrittene, kam erst 1992 in Lissabon auf die Welt, das war nach der Wende.
   Wenn sich »Europa« heute mit der EWG brüstet, so ist das inhaltlich eine Neuwahrheit. 1. War’s damals nicht die EU, 2. ist die EU nicht Europa. Oder wer zählt die Schweiz nicht zu Europa?

Das Friedensargument

Der Aufstand in Ostberlin und der Ungarnaufstand waren vor 1957. Der »Prager Frühling«, der Aufstand in Polen, das waren alles keine »Kriege«, aber Friede war das nicht. Gut, man kann sagen, das war im Ostblock – obwohl von den Aufständigen ein Eingreifen insbesonders der Amerikaner erhofft worden war. Wenn es nicht stattfand, dann ist das kein Verdienst der EU.
Ein »DDR«-Wasserwerfer schützt den Mauerbau
Bundesarchiv, Bild 173-1282
Helmut J. Wolf / CC-BY-SA 3.0
Die »Berlinkrise« 1958 war eine weltpolitische Angelegenheit, weder EU – die es, wie gesagt, damals noch nicht gab, noch EWG hatten daran Anteil. »Mourir pour Berlin?«, las ich damals in Frankreich als Graffito; ich lebte in Westberlin, da war mir das besonders aufgefallen. 

   Und gehört die Ukraine nicht zu Europa? Da gab es Krieg, da ist Krieg. Für die überheblichen EU-Europäer ja nicht, mit ihrem Tunnelblick auf das U in EU. Oder die Schweiz? War sie nicht friedlich, allein, durch Jahrhunderte, ohne E?
   Außerdem wird zumindest Deutschland seit 2002 im Hindukusch verteidigt!
   Kurz: Friedlich sind wir mit und ohne EU. Und gern!

Das Problem – als aus der EWG eine EU wurde

Vor lauter blauen Fahnen und Sternen hat es niemand gemerkt, dass zwar jeder freies Reisen möchte, aber dennoch seine Grenzen behalten wollte und will. Das Europa der Regionen. Der Länder. Und dass man niemandem gesagt hatte, dass nun alles integrierter sein würde als bei der EWG. Wir Bürger haben’s nicht »gespannt«. Erst als die Rumänen kamen und sich hier niederließen, Sie wissen schon. Da stellten die Leute die Haare auf und verrammelten die Kellerfenster.
   Warum brauchen wir zum freien Reisen, zum freien Warenverkehr die Niederlassungsfreiheit? Kann eine Gemeinschaft nicht selbst bestimmen, wen es aufnehmen will und wen nicht? Wenn nicht, so zerstört das die Gemeinschaft, in diesem Fall die »Union«. Wie stellt sich das die EU vor? Mit »Schengen«-Außengrenzen in Cuenta und Melilla!

Schlechte Aussichten

Der Wochenendleitartikel der NZZ endet nachdenklich: »… das laute Gerede vom Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten nährt den Verdacht, die beiden fast schon revolutionären Szenarien seien bloss Feigenblätter, die gar nicht wirklich erwogen würden. Am wahrscheinlichsten heisst die Zukunft also ›Weiter wie bisher‹ – oder wohl eher ›Weiter, bis es nicht mehr geht‹.«


Siehe auch Nato.
Sehr schöne Einzelheiten: Adenauer unterschrieb leere Blätter.
Banknote aus Wikipedia
   Eine Variante wäre die
Europa von Alessandro Turchi (L’Orbotto) 1578–1649

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http://blogabissl.blogspot.com/2017/03/europa-unterschiedlicher.html

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