Was wird aus Deutsch angesichts der Dominanz des Englischen?
Das fragt sich – und uns – im neuesten »Sprachdienst« Januar-Februar 2012 Rudolf Hoberg, bis voriges Jahr Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache. Hoberg ist kein Prophet. Sein Artikel kreist wieder einmal zu lange um die Frage der Wörter, ob fremd oder artig »aus der Region«, und doch weiß und betont er, dass das nicht das Problem ist. »Das Deutsche wird – mit oder ohne Anglizismen – aus vielen Domänen im In- und Ausland verdrängt«, schreibt er. Und fragt sich dann: »Was soll man tun, wenn man überhaupt etwas tun will?«
···Mein ketzerischer Ansatz: Ja will, soll man überhaupt etwas tun? Die Sprache ist eine Macht, fast wie das Klima, sich mit ihr anzulegen mag selbst den fundiertesten Sprachforscher, -förderer und -Fan überfordern. Ich weiß das von der Rechtschreibreform. Nie hatten die Sprachspezialisten eine derartige Möglichkeit gezielter Sprachveränderungen, und haben doch in den Augen der Bevölkerung Mist gebaut, mussten das »Packet« zum Teil zurücknehmen. Vorbei.
···»Einig ist man sich«, so Hoberg, »dass die Deutschen selbst etwa mehr für ihre Sprache tun müssen.« Deutsche sollten mit Ausländern deutsch zu reden versuchen, statt sich gleich in Englisch oder deren Muttersprache zu versuchen. Und in der Wissenschaft spricht er davon, »dass man in seiner Muttersprache anders, differenzierter denkt als in der Fremdsprache.«
···Dagegen lässt sich einwenden, dass es bei Kommunikation zunächst nicht darauf ankommt, den Gesprächspartner sprachlich weiterzubilden. (»Tu nicht fremderziehen«, sagt meine Frau immer, wenn ich mich über andrer Leute Rotznasen aufrege.) Und wissenschaftliche Veröffentlichungen müssen sich – noch mehr als andere Schriftstücke – an den Leser wenden; er muss die Chose verstehen, meist “in simple English”, und nicht mit differenzierten Hintergedanken. Ich kenne genug verlogene Pressemitteilungen, die so spitzfindig formulieren, dass man auf den ersten Blick viel mehr drin sieht, als da ist. Selbst das Wort »Eurorettung« ist samt dem zugehörigen »Schirm« eine so geniale Verlogenheit – dass mir der Gaul durchgeht.
···Sehen wir Deutsch einmal nicht unter dem Aspekt der beleidigten Leberwurst, trauernd über dessen bald erwarteten Untergang. Es besteht keine Gefahr für deutsch (schreibt man das jetzt groß oder klein? Egal, der Leser weiß es auch nicht …)! Sehen wir Deutsch wie ein Musikinstrument, sagen wir die Bratsche. Kein Bratschist wird sich wünschen, dass möglichst viele Bratsche spielen. Er wird sich um seine eigene Perfektion am Instrument mühen, wird sich dann freuen (hoffentlich) über sein Spiel, wird vielleicht ein neues Stück komponieren für seine Bratsche – Sie verstehen, was ich meine. Ein wenig traurig mag er sein, dass heute so wenig Jugendliche mit seinem Instrument anfangen, und überhaupt: Die Welt verkommt. Das wissen wir. Dennoch kommt’s nicht auf die Menge an, sondern, wenn überhaupt, auf die Qualität. Die Zahl deutsch Redender ist egal. Schön wäre, wenn sie sich dann – danke Herr Hoberg! – differenziert ausdrückten.
···Am Ende verlangt Hoberg von uns einen »Sprachen-Spagat«, es gilt, »die Fähigkeit zu erwerben, verantwortlich zu entscheiden, welche Sprache man in welcher Situation verwendet, wobei man sich im Zweifel für die Muttersprache entscheiden sollte.« Bissl verschachtelt gesagt, aber goldrichtig.
···Wie halte ich’s? Seit Jahren schreibe ich deutsch, dann aber, wenn’s um Technik geht (bei mir fast immer), auch englisch. Ich greife wahllos Beispiele heraus.
···Beispiel eins: Stellen der billigen, aber beliebten digitalen Plastikuhr »Imazine« – englisch.
···Beispiel zwei: Vom Stangen-ſ zum Schlangen-s – The ſ used to look like a ſtick ... – zweisprachig, doch das Englische hätte ich mir schenken können.
···Beispiel drei: Einen Player in einen Blog einbetten – deutsch, wäre wohl besser englisch gewesen.
···Tempora mutantur. Mit der Zeit wird wohl mehr dergleichen nur englisch sein. Ein Verlust für die deutsche Sprache ist das gewiss nicht.
PS. Ich wünschte mir, die Deutschen wären erfinderischer, fortschrittlicher, ja technischer. Denn wer was erfindet, der benennt es auch. Nicht nur Rucksack oder Angst. Je mehr wir Neues schöpfen, deso mehr wird auch die Sprache zugewinnen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen