Sonntagsstimmung, früh, nach sieben. Gisela dreht sich im Bett wieder herum, Carla übernachtet bei einer Freundin. Da machte ich mich kurz vor acht auf in die Kirche. Mit dem Fahrrad geht das ja schnell. Die Gassen der Innenstadt sind leer, die Straßenplatten noch nass von der städtischen Reinigung. Ein Straßenkehrer kam mir laut pfeifend entgegen.
Zunächst radelte ich zum Bonner Münster, Hintereingang. Dort hatte ich in der Krypta eine Frühmesse in guter, aber alter Erinnerung. Das Gitter war verschlossen. Muss wohl erst um neun gewesen sein. Vorne, am Haupteingang wird gegraben, nach Wasserleitungen, auch da nichts. Direkt vom Münsterplatz – das ist der mit dem Beethovenstandbild – kommt man seitlich in die Kirche. Es stehen immer Bettler herum und machen einem die Tür auf. So früh war keiner da, ein schlechtes Zeichen für eine Messe. Allerdings gab es dort einen Plakatständer – weit und breit der einzige Anschlag beim Münster –, doch der warb nur für Orgelkonzerte. Also bin ich weiter zurück geradelt zur Remigiuskirche. Gleiches Bild: Gitter zu, Information keine. Der Tag ist schön, Gott überall. Ich fahre weiter zur Stiftskirche in der Altstadt im Norden. So schön ist die Stadt, wenn sie leer ist. Mit dem Rad hat man die richtige Perspektive, kann gegen alle Richtungen und über all die leerlaufenden roten Ampeln fahren. An der Stiftskirche zwei große Vitrinen mit vielerlei Anschlägen, darunter auch die »Gottesdienstordnung«, doch freilich nur für diese Pfarre. Dazu muss man wissen, dass die zweieinhalb katholischen Bonner Innenstadtkirchen (Münster, Sankt Remigius und die bereits halb entweihte Namen-Jesu-Kirche; die Stiftskirche gehört schon nicht mehr dazu) unter einem selbstgefälligen Stadtdechanten ein sogenanntes Citypastoral bilden, bei dem – siehe Plakatwerbung – Konzerte und sonst schön Erbauliches im Vordergrund stehen, während die eigentliche Seelsorge den entfernteren Pfarren überlassen wird. Eine gegenseitige Aufnahme in die Kirchenblättchen erfolgt traditionell nicht, das sprengte den schönen Rahmen.
Jedenfalls empfing mich die Stiftskirche an diesem frühen Sonntag mit offenen Türen, schon bereit für das Hochamt um halb elf. Die Sonder-Gesangbücher (Bretschneiders »unterwegs«) waren ausgelegt, das ewige Licht leuchtete, die Muttergottes nahm mein kurzes Gebet an, so hoffe ich. Dann suchte ich auch dort vergeblich nach der Innenstadt-Messinformation. Blätter und Broschüren liegen aus bis hin zur städtischen Tipps für Fußgänger im Straßenverkehr, doch wann es denn wo in Bonn Gottesdienste gibt, das sollte man rechtzeitig der Zeitung entnehmen oder im Internet über www.Kath-Bonn.De erforschen. Bei mir stürzen da gleich alle Browser ab (Alternative).
Was rege ich mich auf? Auch meine Frömmigkeit ist sporadisch geworden, landschaftsabhängig: In Südtirol fahre ich jeden Sonntag in die Kirche ins Dorf, zu Hause in Bonn gehe ich inzwischen nur mehr zu den Kindergottesdiensten mit Carla – und die finden nicht mehr statt. »Die beginnen dann erst im September«, meinte der zuständige Pfarrer nach dem ökumenischen Einschulungsgottesdienst, und sind dann erst nur alle vierzehn Tage und ganz gewiss nicht in der City. Ob Muslime auch so unfromm geworden sind?
Ich bin dann doch noch um halb elf zur Messe gegangen – die Familie fuhr mit Freunden nach Duisburg in den Zoo. Vielleicht achtzig Gläubige, eine gute, aktuelle Predigt zum heutigen Evangelium, allerdings nicht zum drängenden Problem des Strukturwandels im Himmel (den wir ja mit der Meinung, jeder käme in den Himmel, verdrängen) sondern zur neuesten »Kirchen«-Frage und zu den hier auf Erden Auserwählten, die sich gefälligst zusammenreißen sollen.
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