6. November 2022

Korrekturen

 Wie sag’ ich’s meinem Kinde?
   Ziemlich tief im vorigen Jahrhundert war ich Leiter Kommunikation großer Untternehmen. Zuletzt sprach ich für etwa fünfzehntausend Mitarbeiter (als das generische Maskulinum noch unaffällig dafür sorgte, dass Mitarbeiterinnen automatisch dazuzählten). Als eifriges Mitglied der »Gesellschaft für deutsche Sprache«, GfdS (mit richtig kleinem, bescheidenem Eigenschaftswort), haben wir um die Rechtschreibreform gerungen. Zuerst wollten die
– wie im Englischen – alles kleinschreiben, damit es die Schüler beim Schreiben leichter haben. (Ist aber wg. höherer Entropie schlechter lesbar.)

Damals gab es den Beruf des Korrektors, oft auch vornehm Lektor genannt. Wolfgang Emmelmann war der beste, Gott hab’ ihn selig! Er schrieb selbst auch tolle, angeblich total erfundene Lebensgeschichten. Die habe dann ich ihm korrigiert, denn vier Augen sehen mehr als zwei.

Seit damals bin ich korrektursüchtig. Ich finde überall was vielleicht Falsches. Das mögen die Leute nicht, die’s geschrieben haben. Komisch: Kürbissuppe darf man kritisieren, »etwas zu scharf gewürzt«, die Köchin findet sich gewürdigt. Aber Kürbisuppe anzustreichen, das ist schulmeisterlich inopportun. Ich weiß. Der Schreiber denkt, man habe den Inhalt nicht gelesen, worauf’s ja allein ankommt. Dabei liest sich Korrektes einfach besser, flüssiger, hemmungsloser. Jedenfalls alsa Alter.

Meine jüngste Tochter, 21, schreibt praktizierenderweise kleine Schminkanleitungen online. Fetzig, doch nicht immer ganz fehlerfrei. Nur Brigitte Carla Jörn googeln, inzwischen tut’s auch Brigitte cjo, und schon hat man sie, jedenfalls jetzt. Ich zitiere ein kurzes Stück, was wohl erlaubt sein wird:
… Skull-Look. Hierbei startest du mit deiner normalen Make-up-Base. Beim Konturieren hört es dann allerdings auf mit der Natürlichkeit. Es wird extra dick aufgetragen, um den Skelett-Look zu schminken. Unter den Wangenknochen und an den Seiten der Stirn wird mit einem dunklen Konturpuder konturiert, für einen noch dramatischeren Look kannst du auch zu schwarzem Lidschatten greifen. Auf dem Mund wird das Skelett-Gebiss mit schwarzem Make-up angedeutet. Im letzten Schritt, lässt du deine Nase durch die schwarze Form scheinbar verschwinden. Keine Sorge – die Linien müssen nicht perfekt gemalt sein, denn grobe Linien geben dem Skelett-Look Charakter. Um dem creepy Make-up einen Touch Glamour zu verpassen: Dazu ein Smokey-Eye mit Glitzer-Highlight auf dem Lid (dafür am Besten einen Liquid-Eyeshadow benutzen).

Meine ausführlichen »Korrekturen« habe ich ihr auf Papier gegeben, zusammengetackert mit umgedrehtem Tackerteller, lesen war ganz freiwillig. Feedback zum Feedback steht aus. Weil ich eben weiß, dass niemand kritisiert werden mag – es sei denn, er fragt ausdrücklich darum. »Nun, hast du was gefunden?«, fragte mich gestern eine Autorin. »Freilich«, sagte ich, und nicht mehr. Und dann hat sie weitergefragt. Ein Fehler. Hernach war sie, sagen wir, etwas pikiert. Tough Luck. 

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