9. Dezember 2019

Ransmayrs Weg nach Surabaya

Christoph Ransmayr
Der Weg nach Surabaya
ISBN: 9783596142125
Umschlagbild (Teil) Hubert Scheibl
Mein Freund Martin schenkte mir das Buch zum Geburtstag. Geschrieben von einem Österreicher an einen Österreicher. Es ginge um Kaprun. Ja, das kenne ich, mein Stiefvater aus Oberalm bei Hallein bei Salzburg hatte dort eine Baustelle, in Vorzeiten.
   Kaum fang’ ich’s Lesen an, bin ich auf Hallig Hooge. Das kenne ich noch besser, hatte mich doch ein noch älterer Freund, der Schorsch, eines Winters dorthin verführt auf eine Woche Anderswelt. Dank meines miserablen Gedächtnisses sind mir nur lange Wanderungen, ein einfaches Quartier, ein nur Mittwochnachmittag geöffnetes Lebensmittelgeschäft und Gedanken über die Welt in Erinnerung, sodass wir wieder bei Melancholie und dem Buch sind.
   Also frühmorgendliche Recherche.
   Surabaya, wohin Ransmayr will, klingt mir nach einer Operettenmelodie und ist hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Surabaya. Am End’ der Welt also. Da lasse ich mich noch überraschen. Hooge ist nicht am Weg dorthin, denn Hooge ist auf garkeinem Weg.
   Gegoogelt fällt’s mir wieder ein. Ich kenne Surabaya aus dem Schiffbauerdammtheater, damals in Ostberlin, »Hauptstadt der DDR«, wo ich gerne hinging, als Österreicher, jederzeit.

Lotte Lenya (Wenn’s nicht spielt, bitte melden.)
Nennt sich »Sehnsuchtsort«, und versteckt sich hinter aktueller Werbung: Kerkeling und meiner »Ostalgie« nach Erich Engel, dem bescheidenen Großvater meiner lebenslang Geliebten, rip. Arbeitete in Ostberlin, lebte in Westberlin, unkommentiert.
   Nun zu meinem Hooge. Google-Desktop (gibt’s neu nimmer) findet mir mein Hooge.pdf, 2007, schon aus volldigitaler Zeit (mit Thinkpad und Lumix “Travelzoom”); ich stell’s euch auf www.Siebenfahr.com/Hooge.pdf. Dazu sei gesagt: Steffi ist mit ihren Kindern ausgewandert, Hans-Joachim Schuldt 2011 gestorben, und Google hat meinem Picasa-Webalbum http://picasaweb.google.de/Fritz.Joern/Hooge ohne Vorwarnung hinterrücks eine neue, selbst für mich schwer zu findende Adresse verpasst: https://get.google.com/albumarchive/107484383993159578524/album/AF1QipNCGL8NJnQj7Pao_jzNnozGXgUhTbUJHovOndgS .
   (Fortsetzung folgt. Sonst wird der Tee kalt.)

11.12.19 Fortsetzung im Morgengrauen zu Habach
Wieder zwanghaft Bleistift-lektoriert. »1200 Milliliter pro Quadratmeter Heimaterde«, das gibt’s nicht. Entweder sind’s »1200 Millimeter auf die Heimaterde« oder »1200 Liter je Quadratmeter Heimaterde«. Physik. Tausend Liter im Kubikmeter, also Liter/m² = m³/1000 m² = m/1000 = mm.

Bestätigung der Abschreibungen auf Gebäude,
durch den Freistaat Bayern an Anton Schmid aus Peiting,
Postkarte, 2.9.1946, Vorderseite, »Dringend«,
Additional-Rights - Clearences-NA, Quelle Alamy

   Und wenn ich schon umma Fünfe in der Früh im Bett den Bleistift in der Hand hab’ – genaugenommen am Nachtkastl – dann ist dort »Jause« ein unpassender Austriazismus und »werd’n« zuwenig gekürzt: »wer’n« gehört gesagt in Oberbayern. Das Idiom kenne ich, da habe ich neun Jahre gelebt in meiner prägenden Zeit, von zehn bis neunzehn, in 13b Marquartstein, als sowas noch nicht Postleitzahl hieß. Mein Marquartstein-Landschulheim, liegt östlich vom Inn grad schon in den Alpen beim Chiemsee, Habach eineinhalb Autostunden westlicher über den Inn im Flachen bei Murnau am Staffelsee, den kennt eh keiner. Zu 13b zeigt Google bloß Paragraphen oder Hausnummervarianten, Wikipedia kennts.
Sonst hätt’ ich aber keine Anmerkungen, geschweige denn Kritik, an Ransmayrs grauslicher Geschichte. Meine matinale Depression macht sie nicht besser, schlechter oder minderer. Die Spülmaschine ist schon ausgeräumt. 

12.12.19
   Die »vergorene Heimat« ist das »Mostviertel« im Osten der Republik, nicht so sehr des Großdeutschen Reiches, an das Ransmayr gehörig erinnert (politisch also korrekt). Ich kenn’s nicht; die alte Bauenwirtschaft schon; vielleicht mein Freund aus dem Oberösterreichischen, St., auch ein Mair, aber mit i. Ja, die Werkzeuge aus Holz, sorgsam bearbeitet, schweißbegriffen, wir haben sie verloren. Kundige Melancholie.

14.12.19
   Oh Gott, jetzt wird ausgezogen aus dem »Hause Österreich«, als ob das noch ein Haus mit Dativ-e wäre. Im Ernst. Die nett und schön sarkastisch geschriebene G’schicht ist wohlfeil, oder wie man grob im Süden sagen tät’: billig. Österreich ist halb so groß wie NRW, und dass es nicht wie Bayern zu Deutschland gehört eine Erpressung der Russen. Wär’ weniger als ein »Fliegenschiss« … In Deutschland wird, etwa im Geschichtsunterricht in NRW, den meine Tochter abschließend genießt, Österreich so marginal behandelt alswie Bayern.
   Sich aber über alte Gamsbärte auf Bustour zu Zita zu moquieren, ist, wie gesagt, ein Spassettl auf Kosten anderer, das gehört sich nicht. Mein sel. Großvater sprach gelegentlich über Zitas Schicksal, und schickte mich als großdeutsch gesinnter Österreicher nicht dorthin – was nahegelegen hätte – sondern nach Bayern ins Internat, als meine Zeit dazu gekommen war.
   Schon das vorangestellte Zitat aus Roths »Kapuzinergruft« ist hervorragend krass, nennt aber »die Deutschen« Österreichs »Staatsvolk«. Ist alles nicht so einfach. Die Südtiroler wollten dazu, die Vorarlberger weg, ein »Volk« ist das nicht, das da in einen Staat gepresst wurde.
   Jetzt Petitessen:
• Einen »Margrafen von … Lausitz« gab’s nicht, die Lausitz ist kein Ort sondern eine Landschaft, und das sind dann also »Markgrafen der Lausitz«.
• »morganatische« – schönes Wort hier! – heißt soviel wie
zweitrangig. 
• Nichts gegen eine Wiener Gemeindebauwohnung. Meine Tante Mae hatte eine, im VII. Bezirk, Karlweissgasse 41, Stiege 7, I. Stock Tür 3, und hielt sich darin fest, wie alle, die so ein Privileg hatten. Der Ausblick war schön, die Lage, gegenüber der Strulhofstiege, die mir dazu einfällt. Über die Türkenschanze und man ist dort, Maps meint in 54 Minuten zu Fuß.
• Zu Otto Habsburgs Paneuropaunion … gäbe es vermutlich eine Menge zu sagen. Ich weiß nur, dass die am 19. August 1989 als allererste den Eisernen Vorhang geöffnet haben, siehe Paneuropäisches Picknick.
• Als Otto Habsburg 1978 (auch) deutscher Staatsbürger wurde, hat er nicht »das Haus Österreich mit einer blinden Liebe zu Deutschland betrogen«, Blödsinn, selbst im Ironischen, sondern wollte EU-Abgeordneter werden. Das war »Otto von Habsburg« (in Deutschland ist der Adel amtlich nicht abgeschafft) für die CSU von 1979 bis 1999. Er starb 2011. – Ich bin selbst deutscher und österreichischer Staatsbürger, kein Problem; war ganz praktisch. Ich schäme mich auch nicht meiner »großdeutschen Gesinnumg«, bin allerdings inzwischen für kleinere Staaten (»Solidargemeinschaften«), für »Europa« in der jetzigen Form nicht; mir hatte und hätte die EWG gereicht. Gerade die Grenzöffnung für freie Niederlassung hat das Ding verdorben und England verscheucht.
• »in mehreren Plastiksäcken« – müsste schöner süddeutsch »Plastiksackerln« heißen.
• Von wann genau das Zitat von Kronprinz Rudolf (1858—1889) stammt, konnte ich nicht herausfinden. Dass es vor seinem Tod in Meyerling zu datieren ist, ist klar. Konkret, wie man damals »Wissens« schrieb, das mir als »Wißens« hier auffiel, weiß ich nicht, vermutlich »Wiſſens«.
• »Mir bleibt doch gar nichts erspart« – da haben wir immer »Mir bleibt auch garnichts erspart« gesagt.
• Ransmayrs Heumpolemisieren um Kaiser Franz Josephs Manifest gefällt mir nicht. Das Gewissen als Staatstreue und -gehorsam wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der »inneren Führung« offiziell aufgehoben. Mein Vater starb noch daran (Bericht, traurige Geschichte).
• Den Begriff »Westmächte« gibts schon seit 1853.
• einem regierenden Fürsten – da ist der Dativ angesagt.
Hofschranzen 
Die alte Rechtschreibung ist dem Alter des Textes zu verdanken: 1985.

16.12.19 Endlich ausgelesen diesen »Auszug aus dem Hause Österreich«.
   Man kann ja der Meinung sein, die Habsburger seinen dekadent gewesen und an allem Schuld. Ich bin da anderer Auffassung, die ich aber hoffentlich nicht so eloquent und pointiert darstelle. Seit mir eingefallen ist, dass die Leute früherer Zeiten vermutlich nicht viel besser oder schlechter als wir heute waren, und seit sprachlich massenhaft grob vereinnahmt wird, beurteile ich vergangene Zeiten extrem vorsichtig und vor allem die Menschen damals und heute. Heute sind nicht alle »Rechten« Nazis – wenn sich überhaupt wer die Mühe macht, die Begriffe für heute zu definieren – und waren damals nicht alle, die im »Dritten Reich« (heute nur in Anführungszeichen erlaubt, für wen auch immer) gelebt haben, waren Nazis, um einen herausragenden Begriff zu nehmen. Sie waren Leute ihrer Zeit, und um irgendeine Zeit zu verstehen, ja, geht das eigentlich? Wenn schon, dann kehren wir doch im eigenen Auge, statt vor Nachbars Tür. Behutsam. Ohne Urteil: Der war’s!
   So hätte Ransmayr schon 1985 nicht »Gnade vor Recht« schreiben dürfen, wenn Kreisky Zita erlaubt hätte, Österreich zu besuchen. Denn Recht war die Verbannung der Habsburger aus Österreich schon damals nicht gewesen, wenn überhaupt jemals, in einer EU-Zeit. »Ab 1985 wurden mit dem Schengener Übereinkommen die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedsländern geöffnet«, schreibt die Wikipedia und drückt sich wortreich um deren Gründung herum. »Die Anfänge der EU gehen auf die 1950er-Jahre zurück …«. Ja, was denn nicht, und was denn noch? Wenn wir schon zurückgehen, dann nehmen wir doch bitte den Verstand mit und bemühen uns um ein Verstehen. Denn Obacht: Die moralischen Vorstellungen wandeln sich, und wir in ihnen, und was und wie wir heute urteilen ist nicht a priori fortschrittlicher als ältere Urteile. Dafür liegt der Teufel viel zu viel im Detail, und die Meinung beim einzelnen Menschen. – Genug Suada. Es sollte nur mal gesagt sein.

17.12.19 5.45
Diesmal eine gute Geschichte, eine schöne Kurzgeschichte aus dem Jahr 1988: »Die ersten Jahre der Ewigkeit. Der Totengräber von Hallstadt«. Schon hier im Titel endet die Verallgemeinerung gleich im zweiten Satz. Es wird und ist persönlich. Immer hält Ransmayr Inhalt und Stimmung weiter strikt persönlich. Verallgemeinerungen ins Große und Allgemeine verkneift er sich. Wenn schon, darf sich die der Leser selbst machen. Vorgeschrieben sind sie stets deplatziert bis ärgerlich (wie eben diese meine Verallgemeinerung hier). Sind immer: »Papa, ich weiß was!«. Die »Auch mir ist passiert …«-Einwürfe sind mir da noch hundertprozent lieber. (Ich: »Ich war auch schon im Hallstädter Beinhaus, vor den Chinesen.«)
   Jedenfalls geht’s um eine Wanderung mit dem jungen Hallstädter Totengräber und Adalbert-Stifter-Freund Friedrich Valentin Idam auf den Berg und in eine alte Salzgrube. Hall = Salz. Dass ein Gebeinhaus Karner heißt, hatte ich nicht gewusst. Deutsch flüchtet gern in deskriptive zusammengesetzte Wörter, im Süden hat man jeweils spezielle Begriffe, Karfiol als Blumenkohl, Eidam für den Schwiegersohn (= Idam?).
   So endet die Geschichte: »Im Südwind, hatte der Totengräber gesagt, werde viel gestorben. In der Kälte würden die Kranken und Alten noch einmal alle Kräfte aufbieten und auf eine mildere Zeit hoffen. Aber gerade dann, in der Erleichterung des Südwinds, im Aufatmen und Nachlassen der Aufmerksamkeit, käme der Tod.« – Schöner Tod, schöne Geschichte!

18.12.19 früh. Ein Durcheinander, weil ich das Buch nicht der Reihe nach lese. So: Nachts im Bette auf meiner Linken fällt mir vor Müdigkeit jedes Buch immer wieder schlagartig auf den Boden. Die zwanzig Zentimeter reichen aus, die Seiten zu verschlagen, wenn nicht zu knicken. Dann versuche ich immer wieder weiterzulesen, bloß wo?
   Nochwas. Alle Geschichten sind alt. Sie stammen zumeist von 1985, was die alte ß-Rechtschreibung erklärt.
  Ransmayrs polnische Wallfahrt als Brüderchen »Braciszek«, lang und eher langweilig, hab’ ich jetzt abgelesen. Kurze Hinweise:
• Z dawna Polski Tyś Królową, Maryjo! findet sich hier. Google übersetzt das künstlich intelligent zu:
   1. Du warst lange Zeit polnisch, Mary!
       Sprich das Wort für uns, Mary!
       Ref
. Schattenhafte Hand,
       Verkürzen Sie die Qual der hartnäckigen,
       Pass auf dein Königreich auf, Mary!

   2. Einmal unter dem Kreuz meines Sohnes, Maria!
       Du hast gelitten, Mutter Maria!

       Ref. Durch deinen Sohn, Qual
       Bitte die Auferstehung der Herzen
       Gib im Glauben Ausdauer, Maria!
   3. Polen, du bist lange Zeit die Königin, Maria!
       Sprich das Wort für uns, Mary!

       Ref
. Kümmere dich um die ganze Nation,
       Wer lebt für deinen Ruhm?
       Lass eine wunderbare Maria entstehen!

Melodie angeblich von Jerzy Wasowski. Hört sich so an: https://youtu.be/dV8mcXhUNnU. Noten
• Ein Hetman ist ein Hauptmann: https://de.wikipedia.org/wiki/Hetman .
· »Zehntausenden Mitgliedern« gehört sichals Adjektiv klein, immer schon.

Kaprun liest sich ganz nett. Mein Stiefvater war als kleiner Bauunternehmer in Hallein dort tätig, hat aber wenig erzählt. Ich war in den Fünfzigerjahren Gymnasiast in Bayern und hatte alle vier Wochen »Heimfahrsonntag«. Da konnnte ich nach Hellein.
   Und so gestatte ich mir zu sagen: Damals hat doch keiner an Schuld und Schuldbewältigung gedacht. Auch nicht an Völkerfeindschaft. Es gab populäre Vorurteile. Die aber waren harmlos, wirklich; das kann man sich in unserer neuen Zeit »politischsprachiger« Petitessen nicht vorstellen. Gegen Preußen halt aus Bayern, über Blondinen in Witzen, Amis, Italiener (»Walsche« in Südtirol, aber auch das nicht abfällig). Mein Stiefvater war dann Ende der Fünfziger mit Fremdarbeitern aus Jugoslawien. Ob einer nett zu Leuten war, war seine Sache, meist ja, denn man war aufeinander angewiesen. Alle hatten andere Sorgen, als über Schuld nachzudenken. Alle Männer waren irgendwo Kriegsgefangene gewesen. Mein Stiefvater schlich sich im nahen Glasenapp unter dem Zaun ein und aus, nur um zum Schluss eine offizielle Entlassungsurkunde zu haben. Wer kriegsgefangen gewesen war hatte wenigstens überlebt. Mitleid war nicht angesagt, nicht im Vergleich zu Verwundeten und Toten. Nichteinmal Schicksale verglichen haben wir. Wozu? Heutige, haltet euch zurück mit eurem Urteil, mit der war schuld und mit »Hätten«. !
   Auch Seitenhiebe sind mir da zu billig, außerdem muss ich weg. –  Nun Details:
• »Mehr als 2700 Einwohner werden nun in Kaprun gezählt …«, schreibt Ransmayr. Der kennt seinen Thomas Mann, dacht’ ich.

22.12.19 so früh auch wieder nicht; es ist Sonntag. 8.50 Uhr, sonst die int. Presseschau im DLF.
Da poppt noch ein Whatsapp-Gruß auf von meinem frommen Freund, den ich rasch beantworte:





Heute trägt man die Ablenkung »smart« mit sich! Also:
   »Der Blick in die Ferne«, ein rührendes Pensée zu TV von 1985, genüsslich zu lesen, und doch inzwischen schon so lang, dass ich Ransmayrs kompositorischen Rückblick (Ringbau, Anapse?) am Ende zu Schreiner Josef Werwein erst auf den zweiten Blick erkenne.
   Kurze Anmerkungen:
· »Infratest« gab’s vor den teuren Höreranrufen, tatsächlich. Da sollte man als allgemeneine Zustimmung Klos spülen oder Backöfen und Herdplatten einschalten. Das wurde dann zentral gemessen wie heute vielleicht die Zeitdauer von Applaus (am Donnerstag beim Poetry-Slam im Underground, siehe Bilder, erlebt).
· In »Sankt Elmsfeuer« gehört ein Bindestrich, wenn man unbedingt den »Sankt« dazuschreiben will. Sankt-Elmsfeuer.
· Den Traubes in Ostberlin war wie allen in der DDR »Westfernsehen« staatlich-realsozialistisch verboten, sie haben’ aber doch gemacht. Die Stasi guckte, in welche Richtung die damals noch großen »terrestrischen« Fernsehantennen standen.
· Den Fernseher »RFT Stassfurt Debüt-VT«, mit ü, sieht man z.B. hier:
  https://www.ddr-museum.de/de/objects/1018092 ,
»Hersteller: VEB Fernsehgerätewerk Staßfurt. Originalpreis: 1630,- M. Gewicht: 20,10 kg.«
· »Im Jahr 2000 werde ich sechzig. Dann lassen die mich raus.« – Hinter der »Mauer« waren die DDR-Bürger ja eingesperrt und durften erst ab sechzig in den Westen reisen. Dann fiel die Mauer aber unerwartet am 9.11.1989.

23.12.19 6 Uhr, »Licht aus!« hatte Gisela geflüstert, es stört sie schon meine nächtliche Taschenlampe beim Schlafen. Nachdem ich unlängst von meinen Freunden zufällig erfahren hatte, dass sie überhaupt nicht im Bett lesen können, preise ich mich dennoch glücklich und stehe dann halt auf ins Licht des Esszimmers.
   Den »Besuch in Süditalien« hab’ ich seit gestern gelesen, und Ransmayrs Geschichten werden immer trauriger, fremder, weiter weg. Eine zampogna ist ein dortiger Dudelsack, oder wie die stets besserwisende deutsche Wikipedia schreibt, eine Sackpfeife.
   »Die Neunzigjährigen« waren damals, 1980, noch trister.
  Selbst »Przemyśl« ist altösterreichisch-melancholisch, Galizien, mehr hier:
 https://de.wikipedia.org/wiki/Przemy%C5%9Bl#Habsburger_Monarchie .
Der einzige Ausreißer in der Geschichte könnte höchstens der »Pogrom« sein, 1918 wohl noch ein seltener Begriff, doch treffend.
   Mehr zu dieser Geschichte 2012 von Marek Jakubóv:
http://czasopisma.tnkul.pl/index.php/rh/article/download/5106/5203 . »Die Przemyśl-Reisenden bewegen sich zwischen den durch die Literatur überlieferten Vorstellungen und eigenen Gewohnheiten, die an die fremde gegenwärtige Umgebung angelegt werden«. Kommentare zu Ransmayr ab »Seite« 286.
[Übrigens klasse: https://urlclean.com/]
24.12.2019 sechs Uhr. Schnell, den es ist schon morgens heilig »Abend«. Also:
Konstantinopel Istanbul. Wieder so ein langes Luftanhalten. Ransmayr (mein Freund kennt ihn sogar persönlich!) kann das, wie ein Apnoe-Taucher in Geschichten. 
· Die Worte des »Sehers Johannes« stehen in dessen Offenbarung 18,16ff. Ums in meiner geschätzten »Innsbrucker Bibel« (Google-Suchen in der Bibel nur einfach »Innsbruck« zufügen):  https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/offb18.html#16 . Wehe, wehe, wehe, die drei Wehen hatte früher wohl jeder gekannt, denn »die Posaunengerichte 5–7 (Off 8,6ff) werden als drei Wehen bezeichnet und betreffen den Menschen selbst (fünfmonatige Qual; geistiger Tod; Vertilgung von der Erde)« (Quelle). 
 
Es folgt aus Kreta die kurze und düstere Dædalus-Geschichte Dazu nur: Eine Triere war ein »dreistöckiges« Ruderschiff, sehr beliebt. (Das Bild rechts aus der Wikipedia.)

30.12.19 ½4. Nun noch die letzten drei Ransmayr-Geschichten gelesen, nachdem mich Gisela um eins geweckt hatte, durch ihr Zubettgehen.

Zuurberg gibt’s nicht in der deutschen, nicheinmal in der englichen Wikipedia, heißt ja wohl bloß »Zauberberg« – nein, leider nicht, zuur steht holländisch für sauer, bitter …. In Google-Maps kommt man da zu einem Campingplatz bei Holten in Holland, so am halben Weg von Münster ans Meer. Booking.com freilich hat’s, und an der richtigen Stelle. Leicht zu finden ist ein “original part of the hotel dating back to 1861”. Der Pass, Suurberg, liegt so achtzig Kilometer von der schönen Küste des Indischen Ozeans (Alexandria-Düne) entfernt im Gebirge. »Suurbergpas (Zuurbergpas) is 'n bergpas wat in die Suurberge noord van Addo op die R335 na Somerset-Oos lê. Die pas is in 1858 gebou, behaal ’n hoogte van 960m bo seespieël en ’n maksimum helling van 1:14«, sagt uns immerhin die südafrikanische Wikipedia in Afrikaans, »Der Suurberg-Pass (Zuurberg-Pass) ist ein Gebirgspass, der in den Suurbergen nördlich von Addo an der R335 nach Somerset East liegt. Der Pass [die Passstraße] wurde 1858 gebaut und erreichte eine Höhe von 960 m über dem Meeresspiegel und eine maximale Steigung von 1:14«, 4°. Ich sag’ bloß: -33.306498 25.711632 in einer inzwischen »globalen Welt«. Hier ein Fünf-Minuten-Reklame-Video: https://youtu.be/vq6YxASOIq0 mit Elefanten und Haflingern, in dem immer noch Schwarze die Weißen bedienen. Ransmayrs Winterhoek-Berge waren damals schon der Gebirgszug mit Namen »Winterhoek-Suurberg«, mit Dinosaurierkochenfunden so vor 250 Millionen Jahren (Quelle). Sonst: einfach eine schöne Geschichtem, melodisch, ruhig atmend.
   Surabaya, die Geschichte mit der Zeitung oben am Führerhaus, ist ebenso schön, und ohne moderene Schreibtricks wie Angeben mit unsinniger Präzision oder Hinhalten des Verständnisses. Stattdessen alte poetische Kunst, wie im Nachhängen einer Bestärkung etwa am Ende des ersten Absatzes mit dem schönem, seltenen Strichpunkt (Semikolon): »… mit nur leichtem Gepäck, andere mit ihrer ganzen Habe; auch das war nicht viel.« Klingt mir nach Bert Brecht. – Nur ein einziges Wort hat mich gestört, wo sich Ransmayr seine Polemik nicht verkneifen kann, beim »Wüten« der Kolonialherren, »noch Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg«.
   Zum Schluss »Fatehpur«, die »Siegesstadt«. Ransmayr beschreibt sie mit ihren inzwischen über dreißigtausend Einwohnern fast melancholisch als Ghost-Town. Die kurze Geschichte ist ein im Ton wunderbar gehaltenes »Summen schwarzer Bienenschwärme«, das über den Thron des Großmoguls Akbar hinauf in den Himmel der Phantasie führt, zu tausendundeiner Nacht.

(Keine Fortsetzung folgt.)

Links:
• Das Buch https://books.google.de/books?id=dEEWAwAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=inauthor:%22Christoph+Ransmayr%22&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiC9aLQl7fmAhWToFwKHWWcCLcQ6AEIZjAI#v=onepage&q&f=false
• Mein Hooge-Fotoalbum jetzt auch auf  j.mp/fj2YzmADC oder https://photos.app.goo.gl/yNABmwuhogrEYcBo8
• Picasa-Alben wiederfinden (englisch)
 https://blogabissl.blogspot.com/2019/12/finding-picasa-web-albums.html 

Permalink hierher http://j.mp/2LzoRJA
 = https://blogabissl.blogspot.com/2019/12/ransmayrs-weg-nach-surabaya.html
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