12. September 2011





In Gottes Namen:
Im Namen Gottes
eine szenische Lesung
von Peter-Adrian Cohen
11. September 2011,
Werkstatt des Theaters Bonn
mit anschließender Diskussion



Gestern Abend, passend zum Gedenktag, die szenische Lesung im Bonner Theater, fünfzig Zuhörer vielleicht, danach die öffentliche – und ganz offene – Diskussion mit dem Autor und Vertretern der christlichen, jüdischen und muslimischen Glaubengemeinschaften. Gleichzeitige Afführungen in New York (Judson Memorial Church) und Cambridge, Massachusetts, (Central Square Theater), aus Termingründen am Vortag Uraufführung in Zürich.

Das »Stück« geht unter die Haut. Inspiriert durch Helen Whitneys Film Faith and Doubt at Ground Zero sprechen hier aber nicht die Bilder sondern direkt und nur die Menschen: Gedanken, Wortfetzen, O-Töne und Plädoyers der Betroffenen, teils original, teils ausgedacht, nachgedacht. Professionell vorgetragen von sechs Schauspielern. Eine Ohrenweide, wenn das damals nicht so schlimm gewesen wäre. Es ging um die Erleidenden, nicht um die Täter, von denen man annahm, sie hätten gedacht, das Fürchterliche im Namen Gottes zu tun.

Es geht um das Hadern mit Gott, wie schon bei Hiob, um das Böse und das »Warum ich?« Darauf gibt es bekanntlich keine Antwort, für den Frömmsten nicht. So sehr mich der Inhalt ergriff, so fand ich die Rahmenüberschriften dennoch aufgesetzt, gliedernd zwar, aber nicht ausgefüllt.

Da geht es bei Hiob schon kräftiger zu: Hiob 1,13Des Tages aber, da seine Söhne und Töchter aßen und Wein tranken in ihres Bruders Hause, des Erstgeborenen, 14 kam ein Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder pflügten, und die Eselinnen gingen neben ihnen auf der Weide, 15 da fielen die aus Saba herein und nahmen sie und schlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts; und ich bin allein entronnen, dass ich dir's ansagte. (1. Mose 10.7) (1. Mose 10.28) (1. Mose 25.3)
16 Da er noch redete, kam ein anderer und sprach: Das Feuer Gottes fiel vom Himmel und verbrannte Schafe und Knechte und verzehrte sie; und ich bin allein entronnen, dass ich dir’s ansagte. 17 Da der noch redete, kam einer und sprach: Die Chaldäer machte drei Rotten und überfielen die Kamele und nahmen sie und schlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts; und ich bin allein entronnen, dass ich dir’s ansagte. (1. Mose 11.28) 18 Da der noch redete, kam einer und sprach: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken im Hause ihres Bruders, des Erstgeborenen, 19 Und siehe, da kam ein großer Wind von der Wüste her und stieß auf die vier Ecken des Hauses und warf’s auf die jungen Leute, dass sie starben; und ich bin allein entronnen, dass ich dir’s ansagte.
20 Da stand Hiob auf und zerriss seine Kleider und raufte sein Haupt und fiel auf die Erde und betete an (1. Mose 37.34) 21 und sprach: Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt. (Prediger 5.14) (1. Timotheus 6.7) 22 In diesem allem sündigte Hiob nicht und tat nichts Törichtes wider Gott. (Luther-Bibel)

Wiedereinmal musste für’s Böse der Holocaust herhalten, sozusagen als summum pravum, diabolicum. Und wieder einmal löste sich alles in Liebe, in sich haltenden Händen. Der Autor lässt sich hinreißen von den, wie er sagt, »außergewöhnlichen Menschen«. »Gott ist die Liebe«, auch das wurde wieder gesagt in der Diskussion, und ich kann mir nicht helfen, das hilft mir nicht. Du bist meine Zuversicht, Herr, meine Hoffnung von Jugend an (Psalm 71,5) – das ja, aber nicht die Erklärung für Unrecht, Unglück, Trauer und Tragik. Da lasse ich mir den Herrn (unchristlich?) außen vor.

Die Glaubensvertreter bemühten sich dann noch, Relevantes beizusteuern, Dr. Hossein Pur Khassalian, iranischstämmig, »Urologe, nicht Theologe«, wie er sympathisch sagte, fand die Sicht der Attentäter nicht berücksichtigt und litt unter Vereinfachungen, zwei Juden erzählten als Hintersinn Geschichtchen von damals wunderbar erretteten Juden, Pfarrer Blanke wusste auch keine Antwort, nur, dass Gott sich mit den Leidenden solidarisiert. Ein Trost.

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Radio-Interview mit dem Autor Peter-Adrian Cohen (schweizerdeutsch) hier
Seine Antwort auf die Frage, wo da der Herrgott war, ist rekursiv: »Die Antwort ist, die Frage immer und immer und immer wieder zu stellen.« »Kann man in dieser Welt leben, ohne gläubig zu sein und ohne zum Fundamentalisten zu werden?« – »Der Widerspruch im Universum ist kein Konstruktionsfehler, keine Schadstelle, er ist Ansporn zur Kreativität. Wer immer das Universum geschaffen hat, der hat sich doch etwas dabei gedacht …« – Dann erzählt Peter Cohen, wie er als Zürcher Mittelschüler mit 17 nach Amerika »in die Prärie« gekommen ist, ein Stipendium bekam für Princeton, dort seinen Bachelor machte, und dann in Harvard den Master in Betriebswirtschaft. Nach seinem Bestseller “The Gospel According to the Harvard Business School” konnte er sich mit fünfzig leisten, nur mehr für’s Schreiben zu leben.

Internet-Interview mit Peter-Adrian Cohen (englisch) hier

PS. Hören Sie hier (4' 29") Pfarrer Burkhard Müller, Bonn. Er sprach am 20. September um 6.35 Uhr die Morgenandacht im Deutschlandfunk: Gott straft nicht auf Erden, Gott ist nicht »Herr der Geschichte« – allerdings sieht Pfarrer Müller auch darüber hinweg, dass Gott am Jüngsten Tag dennoch richtet – und straft.

1 Kommentar:

Frank Fremerey hat gesagt…

Hallo Berichterstatter! Ich saß zwar in der Diskussion nicht auf dem Podium, aber direkt neben Dir. Eine Antwort? Ich habe meine Antwort zumindest gegeben und zwar hier: http://www.sankt-petrus-bonn.de/home/st-petrus/aktuell/artikel/archiv/nine-eleven-im-namen-gottes.html