21. September 2011

Papstrede im Parlament –

– unerwünscht von denen, die von der politischen Korrektness schon zur politischen Intoleranz fortgeschritten sind.

Rund hundert Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei hatten angekündigt, der Rede des Papstes im Bundestag am 22. September fernbleiben zu wollen. – Quelle Tagesschau

Mehr als zwei Drittel der Deutschen, die sich gegen den katholischen Glauben entschieden hätten, würden »stigmatisiert«.
Der Papst sei der »letzte absolute Monarch« in Europa und trage mit seinen Auffassungen, etwa zu Frauenrechten und Empfängnisverhütung, die Mitschuld »an der bisher global nicht gestoppten Aids-Epidemie sowie an der Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung von Millionen Menschen«.Quelle RP-online

Eine Religion, die ein bestimmtes Verhalten fordert, unterdrückt freilich die Freiheit mit moralischen Mitteln – vom Kopftuch bis zum kondomlosen Verkehr. Darüber kann man im Einzelnen streiten.
xx Diese Suppe haben wir uns selbst eingebrockt: Wenn – vor allen von den Kirchen – immer bloß propagiert wird, Jesus sei lieb und nett, und der verlangt außer Liebe nichts von uns, warum sollten wir uns »verbiegen«?
xx Die politische Korrektheit geht inzwischen so weit, dass ein deutscher Landeshäuptling zu seinen sexuellen Neigungen sagen kann: »… und das ist gut so!« – wo uns das doch gar nichts angeht. Sagte aber wer, er möge Schwule nicht, würde er ausgebuht oder boykottiert. Und nicht jeder hält Aids für eine rein gesellschaftliche Herausforderung, zu der man rote Maschen trägt und Benefizkonzerte sponsert, sondern für eine Seuche, an der einer fast immer selbst Schuld ist. Darf man’s wagen »Lustseuche« zu sagen? Oder ist das tabu? Meinungen mag es da viele geben – sie zu sagen, darüber zu reden ist in unserer wenig belastbaren Konsensgesellschaft verpönt.
xx Schließlich: Die Befürworter einer strikten Trennung Staat-Kirche mögen doch bitte alle kirchlichen Staatsfeiertage abschaffen, dann werden wir schon sehen, wie »Bundestagsabgeordnete der SPD« darauf reagieren. (Wir haben einfach viel zu viele Abgeordnete, ne!)
xx Musste ja mal gesagt werden.

Ein saftiger Kommentar der katholischen »Tagespost« hier.
Zeitlos humorig: Vatikanische Übersetzungsfehler
Da gehts unter anderem um den neuen Youcat-Katechismus
Hier der off. kath. Katechismus, z. B. Keuschheit als Tugend unter dem Einfluss der »Kardinaltugend der Mäßigung«. – Aber viell. weiß eh keiner mehr, was Tugend heißt.

Da fällt mir ein. Ein Mailfreund hat mir mal »Lust« auf Katholisch zusammengestellt, mal sehen, ob ich das hier hereinkopiert kriege. Jedenfalls vielen Dank ihm! Also ich hatte ihm zum Thema Lust und Freude, kirchlich, geschrieben: »… Das Christentum ist eigentlich eine fröhliche Religion. Die Erlösung hat stattgefunden, ›Christus ist wahrhaft auferstanden‹. Freuen wir uns darüber!« Darauf er: »Hierzu kann ich nur Ja und Amen sagen. Ich habe bei kurzer Recherche unter www.stjosef.at > Kirchliche Dokumente aus dem Katechismus der Katholischen Kirche folgende Worte zum Stichwort ›Lust‹ gefunden:

Kontext ''Welcher Ruhm, welche Lust wird es sein, wenn du zugelassen wirst, um Gott zu schauen, wenn du der Ehre gewürdigt wirst, mit Christus, deinem Herrn und Gott, die Freude des ewigen Heils und Lichts zu genießen ...‚ mit den Gerechten und Freunden Gottes im Himmelreich dich der Wonne der verliehenen Unsterblichkeit zu freuen!'' (Cyprian, ep. 58, 10,1).
Kontext 2351 Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die GeschlechtsLust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird.
Kontext 2352 Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. ''Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu brandmarken'', weil ''der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht''. Der um ihrer selbst willen gesuchten geschlechtlichen Lust fehlt ''die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe realisiert'' (CDF, Erkl. ''Persona humana'' 9).
Kontext ''Als Tobias und Sara in der Kammer allein waren, erhob sich Tobias vom Lager und sagte: Steh auf, Schwester, wir wollen beten, damit der Herr Erbarmen mit uns hat. Und er begann zu beten: Sei gepriesen, Gott unserer Väter ... Du hast Adam erschaffen und hast ihm Eva zur Frau gegeben, damit sie ihm hilft und ihn ergänzt. Von ihnen stammen alle Menschen ab. Du sagtest: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein ist; wir wollen für ihn einen Menschen machen, der ihm hilft und zu ihm paßt. Darum, Herr, nehme ich diese meine Schwester nicht aus reinerLust zur Frau, sondern aus wahrer Liebe. Hab Erbarmen mit mir, und laß mich gemeinsam mit ihr ein hohes Alter erreichen! Und Sara sagte zusammen mit ihm: Amen. Und beide schliefen die Nacht über miteinander'' (Tob 8,4-9).
Kontext Lust:
Kontext ''Der Schöpfer selbst ... hat es so eingerichtet, daß die Gatten bei dieser [Zeugungs]funktion Lust und Befriedigung des Leibes und des Geistes erleben. Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust anstreben und sie genießen. Sie nehmen das an, was der Schöpfer ihnen zugedacht hat. Doch sollen die Gatten sich innerhalb der Grenzen einer angebrachten Mäßigung zu halten wissen'' (Pius XII., Ansprache vom 29. Oktober 1951).
(http://overkott.dyndns.org/kkk-suche.htm)
xx Das kommentiert mein Gesprächspartner – kein Katholik übrigens – dann weiter so: »Ich sehe neben den vielen theologischen Schätzen des römischen Teils der Kirche die tiefe und fundierte Ethik als ein wunderbares ›Pfund‹ an, mit dem sie auch tatsächlich wuchert. Aus meiner Sicht ist meistens nur in den Augen allzu ›Liberaler‹ die Ethik der Römisch-Katholischen Kirche zu ›konservativ, restriktiv, traditionell‹. Es stehen dagegen m.E. tiefe und sinnvolle Gedanken dahinter, die zumeist sowohl theologisch, als auch psycho- und soziologisch unterfüttert sind - mir ist das sehr sympathisch, denn man merkt die hohe Bildung der Autoren und Artikel.«
xx Sollte sich noch jemand für einen Katechismus interessieren, empfiehlt er den »Inbegriff der christlichen Lehre. Ein biblisch-apostolisches Glaubensbuch« von Heinrich Wilhelm Josias Thiersch.

PS. Die Papstrede samt Fußnoten hier, die ARD-Übertragung hier. Eine gut druck- und lesbare Kopie auf drei Seiten gerne von mir, Fritz@Joern.De. Zum in seiner Rede angesprochenen Positivismus in der Wikipedia: »Die [Rechts-]Setzungen erwiesen sich in der Rechtsdiskussion des 20. Jahrhunderts als problematisch, als nach dem Zweiten Weltkrieg Richter sich für Rechtssprüche aus der Zeit des Nationalsozialismus verantworten mussten.« – Ausführlicher unter »Rechtspositivismus«, Dualismus von Recht und Moral.
xx Entscheiden unsere Abgeordneten nach ihrem eigenen Gewissen? Wohl nicht. Entscheiden sie demokratisch nach der Meinung der vermeintlichen Mehrheit? Wohl nicht, zumal die Bild-Zeitung die Mehrheit darstellen will und das auch tut. Entscheiden Sie für ihr eigenes Fortkommen? Sie versuchen das. Man bedenke die Entscheidungen über Atomlaufzeitenverlängerung und -ausstieg, um die »Rettung« des Euro.

3 Kommentare:

Frank Fremerey hat gesagt…

Wenn wir mal von den kirchlichen Irrungen und Wirrungen absehen und uns den Quelltext 3 Mose 18 zum Thema Lust anschauen, zum Beispiel hier, fällt auf, was nicht explizit verboten ist, nämlich zum Beispiel der Geschlechtsverkehr zwischen Frauen, die Masturbation, die Ehe von Priestern, die Vielehe, etc.

Schauen wir dann in die Paulusbriefe, stellen wir fest Timotheus 3,2, dass dieser empfiehlt, dass zumindest die Bischöfe "nur eines Weibes Mann" sein sollen. Von Priestern, die "keines Weibes Mann" sein sollen war erst 1.000 Jahre später die Rede.

Im übrigen - mein Kommentar - halte ich Sex für völlig überschätzt oder wie eine Freundin einmal sagte: "Gemeinsam beten oder singen kann wesentlich intimer sein" wobei ich dann doch einschränken musste, dass guter Sex eine sehr spirituelle Erfahrung sein kann. Aber wer hat schon guten Sex?

Im Allgemeinen wird von seiten der Institution Kirche schon über Sex gesprochen wie Blinde von der Farbe reden.

Frank

Fritz Jörn hat gesagt…

Frank – ich hätte gar nicht so tief einsteigen sollen in Einzelheiten einzelner Gebote. Es geht doch darum, dass überhaupt Regeln anerkannt werden, die »höher« sind, die vielleicht unangenehm sind. Wenn wir die alle für Unterdrückung halten – wobei ja jeder frei ist, sie einzuhalten oder nicht – dann sind wir nicht mehr als eine schnurrende Katze. Wohlfühlen als höchstes Gebot – das kann’s nicht sein. Die philosophische Papstrede eben ging genau darauf ein.

FrankFremerey hat gesagt…

Mein erster Kommentar galt der urspruenglichen Version dieses Blogeintrangs.

Seitdem hat sich der Inhalt vom Thema Lust zum Thema Papstrede verschoben. Gut.

Gute Und wichtige Rede, die daran erinnert, dass die Wurzeln unseres Grundgesetzes nicht aus einer Mehrheitsentscheidung oder einer rechtspositivistischen Auffassung ableitbar sind sondern nur aus der tiefen Einsicht in die Natur des Memschen als eines Wesens, das sih nicht selbst grschaffen hat.

via smartphone daher orthohraphisch schwierig