In der vorliegenden 112-seitigen »Eckartschrift 222« ISBN 978-3-902350-59-6 mit fast vierzig Bildern und Landkarten, knapp zehn Euro, geht es um noch weiter Ausgewanderte, bis nach Transkaukasien und Tiflis in Georgien beim Kaspischen Meer. »Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in den nordkkaukasischen Gebieten über hunderttausend Deutsche, verteilt auf zweihundert Ortschaften«, schreibt Frau Paulsen (Seite 16), und das war nur ein Siedlungsgebiet. »Vor 1914 lebten mehr als fünftausend Deutsche in Baku« (Seite 60). Der »Rückweg« führte über Sibirien und Aserbeidschan. (Im »Archipel Gulag« lobt Alexander Solschenizyn im Kapitel »Die Völkerverschickung« die Deutschen in Russland über den grünen Klee … )
Nina Paulsen – nicht die junge bei der Berliner Morgenpost sondern die 1950 im Altai geborene (Seite 108), hier mehr über sie – schreibt angenehm unaufgeregt, verkneift sich Verurteilungen und »postfaktische« Moralurteile. Vom Ausbruch des Tambora 1816 und der folgenden Hungersnot in Schwaben (Seite 6—7) berichtet sie wie über die Opfer der Atomtests bei Semipalatinsk (Seite 91) nüchtern, einfach und klar. (Semipalatinsk wurde 2007 deshalb eigens umbenannt.) Möge denn jeder Leser nach eigenem Wunsch selbst mitdenken und mitfühlen.
Mut, Glaube, Bildung, Fleiß und Friedlichkeit dieser kleinen Gemeinschaften, nach Herkunft und Religion durchaus getrennt, beeindrucken besonders aus heutiger, alles globalisierender und kulturell vermischender Sicht. »Es ist auch kein einziger Fall bekannt, dass Deutsche nach Mordanschlägen oder Überfällen an ihren Mitmenschen Rache geübt hätten« (Seite 44).
»Diese Zusammenballung großer und kleiner Völkerschaften im Kaukasusgebiet stellte seit jeher eine explosive Mischung dar: Georgier, Armenier und Aserbeidschaner mit ihren verwandten Stämmen, Tataren, Juden, turkmenische Stämme, kurdische, assyrische und turksprachige Gruppen, Kurden, Iraner und mehrere Stämme altkaukasischer Sprachen, mongolische Kalmücken, altkaukasische Tschetschenen, Inguschen, Tscherkessen, türkische Karatschaier, Osseten, Abchasen und noch viele mehr« (Seite 36).
Beim Lesen hält man am besten die Wikipedia bereit. Wer weiß denn schon (oder sollte ich sagen: noch), wo Livland ist (Seite 8)?
Das 2016 noch in alter Rechtschreibung gedruckte Buch endet in der Hauptsache um 1990 – Geschichte ändert sich ja nicht, sie wird nur inzwischen immer moralischer gedeutet: Astana heißt da noch Zelinograd. Das macht aber nichts. Viele der Leser werden sich ohnehin nur an frühere Namen erinnern. Der Text läuft dann kurz mit aktuellen Ereignissen bis 2011 aus.
Schön fand ich den weiten Themenkreis Paulsens. Nicht nur Herkommen, auch Sprache und Lebensart der Siedler, ihre Gemeinschaften, Häuser, Erfolge und dann ihre Auflösung wird beschrieben.
Mir selbst war interessant, wie hoheitlich getrennt die Dörfler lebten.
Hier eine Landkarte aus dem Beresan-Gebiet (?), Quelle, ganz wo anders: katholische (rot), protestantische (blau), russische (schwarz) und ukrainische (?, schwartz) Dörfer. |
Bisschen gestört hat mich der durchgehende Fettdruck. Manch einer aber mag’s so vielleicht leichter lesen.
Das Heft empfehle ich jedem, der von der deutschen Geschichte mehr als bloß Schulwissen kennen möchte. Und der ahnt, dass Geschichte nicht wiederkommt, dass sie sich nicht wiederholt.
Nina Paulsen geb. 17.9.1950 |
Link zu meinen Gedanken über Frau D. aus Sebastiansfeld: http://blogabissl.blogspot.com/2013/03/besuch-bei-einer-frommen-frau-laatzen-7.html
»Russen verzeihen schneller.«
Flucht und Vertreibung mit der Landkarte »Die Umsiedlungen des Führers«. Der nämlich wollte auch Völkerwanderungen.
Link zur »Kaukasischen Post« (Seite 43) 1906—1914, 1918—1922, 1994 …
http://www.webarchiv-server.de/pin/archiv03/1303ob37.htm
http://maisinger-andrej.de/-----------------------200--------------------.html
Link hierher: http://j.mp/2M5uhtM =
http://blogabissl.blogspot.com/2016/12/die-deutschen-in-der-kaukasusregion.html
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