30. März 2016

Ostern 2016 am Hof

Talblick von der Ebenwies (HofOstern16(152).jpg)
G. war noch am Dienstag, den 22. März 2016, in Brüssel gewesen und war zum Glück nicht in die Attentate verwickelt. Ihr Kongress wurde aber abgesagt – schon zum zweiten. Sechs Stunden hatte sie von Brüssel zurück nach Bonn gebraucht. War so aber einen Tag früher als geplant zurück.
   Wir konnten also mit einem Tag Einpackpause schon am Gründonnerstag, 24. März, in den Süden starten. Die lange Fahrt liegt und immer »im Magen«, weil auch wie uns wegen Carla an die Ferientermine Nordrhein-Westfalens halten müssen, knapp 18 Millionen Einwohner, doppelt so viel als Österreicher.

Gründonnerstag, 24. März 2016

(HofOstern16(5))
Um halb acht (7.40 Uhr km 106016) ging’s los in Bonn, 22 abzählbare Einzelstücke und unzählige weitere Reiseutensilien an Bord, bis die Abdeckplane des Audi nur mehr mit Gewalt zuging. Angenehmes Wetter, bewölkt bis ins Maingebiet, dann erst wieder im Allgäu Wolken. Schönes, weites Deutschland, Camberg, der Taunus, Wald vor Wiesbaden, startende Flugzeuge. In den Süden, d. h. das Rheintal hinunter (eigentlich hinauf), Neckar, bei Karlsruhe wieder hinauf in den Vorfrühling, vom ersten Grün (mit Magnolien) ins Grau des Winters und schwupp über die europäische Wasserscheide auf die Schwäbische Alm. Vor Ulm gab’s etwas Stau, wir folgten der Navigationsdame, wurden durch Ulm geleitet – eigentlich wie immer am Weg zum Fernpass. Benzin in Österreich noch billiger als in Deutschland.
      Um halb acht (7.40 Uhr km 106016) ging’s los in Bonn, 22 abzählbare Einzelstücke und unzählige weitere Reiseutensilien an Bord, bis die Abdeckplane des Audi nur mehr mit Gewalt zuging. Angenehmes Wetter, bewölkt bis ins Maingebiet, dann erst wieder im Allgäu Wolken. Schönes, weites Deutschland, Camberg, der Taunus, Wald vor Wiesbaden, startende Flugzeuge. In den Süden, d. h. das Rheintal hinunter (eigentlich hinauf), Neckar, bei Karlsruhe wieder hinauf in den Vorfrühling, vom ersten Grün (mit Magnolien) ins Grau des Winters und schwupp über die europäische Wasserscheide auf die Schwäbische Alm. Vor Ulm gab’s etwas Stau, wir folgten der Navigationsdame, wurden durch Ulm geleitet – eigentlich wie immer am Weg zum Fernpass. Benzin in Österreich noch billiger als in Deutschland, am Fernpass z. B. € 1,099 je Liter, siehe hier. (Italien siehe z. B. hier, »Senza Piombo« wählen, etwa 1,419 in Bozen, in Deutschland z. Zt. etwa Agip an der Raststätte Allgäuer Tor Ost € 1,369.)
   Die Brenner-Videomaut hatte uns die Asfinag nach einer Mail auf das neue Kennzeichen umgebucht. Ich finde ja das in Südtirol gebräuchliche, italienische »Targa« schöner. Das Penser Joch natürlich noch geschlossen. So waren wir nach 794 Kilometern über Bozen um halb fünf am Hof, eineinhalb Stunden nach der ersten Hochrechnung in Bonn (15.05 Uhr). Knapp neun Stunden.
   Es begrüßte uns der Pächter, verabschiedete sich dann aber in die Osterferien. Wir sind beauftragt, das Vieh zu füttern und die Katzen, vielleicht den Elektrozaun einzuschalten oder aus.

Karfreitag, 25. März 2016.

Am Karfreitag sind die Geschäfte hier nur am Nachmittag – Jesu Sterbestunde – geschlossen. Am Vormittag konnten wir problemlos einkaufen, Milch, Brot, Gemüse, Fleisch. Gisela ergatterte noch die letzten weißen Eier; die Sarner sind braun. Ich hatte mich mit Karl verabredet, um »meine« Belegexemplare seines Sarnerstraßenbuchs abzuholen (Erstauflage 800 Stück, bei ihm am Dachboden). Normal gibt es sie für dreißig Euro im Informationszentrum am Kirchplatz. Mehr siehe www.Sarner-Geschichtsverein.Org/Strasse. Karls Wohnung in einem Mietsblock gegenüber dem Despar musste ich lange suchen; mit den Hausnummern haben sie’s hier wie anderswo weniger.
   Am Grab hatte scheint’s Mariandl ein bisschen aufgeräumt, ein Palmstrauß stand drauf.
Der Ofen in der Stube wird
aus der Küche geheizt
(HofOstern16(159).jpg). Video
   Mittags waren wir wieder am Hof. Jetzt lohnte sich einschüren, was im großen Stubenofen (von der Küche aus) sehr gut geht, sofern es am Dach nicht zu warm ist und der Zug fehlt. Riesig lange Bretter und Stangen gehen hinein und verbrennen bis hinten.
   Richtig ausgepackt wurde nun auch. Dazu gab’s eine Gemüsesuppe mit Klütjes. 
   Das mobile Internet hatten wir nicht am Laufen, angeblich hatte der Elektroladen im Dorf gerade zum Mobilfunkbetreiber Wind keine Verbindung, und das bliebe auch so die nächsten Tage. Es zeigte sich aber, dass man die Sim-Karte ganz selbst betreiben kann. (Reaktivieren mit SMS an 4033 »3GB SI«, deaktivieren – wichtig! – bei kurzen Aufenthalten gleich wieder mit »3GB NO«. Guthabenabfrage an 4155 »SALDO« geht, Verbrauchabfrage »DATI« ging nirgends. http://www.wind.it/it/servizi/scheda115.phtml, http://italia-blog.de/tag/wind/, http://www.silbernagl.biz/Mobilfunk/MobilfunkauswahlSuedtirol.php#def;0;1270545.008169;5880687.941677;9, http://www.prepaidgsm.net/en/italia/wind.php) Nur gut, dass ich noch ein Analogmodem im Thinkpad habe und Rolmail einen Einwahlpunkt.
   Die Damen haben Eier gefärbt, mit »deutschen« Farben, die aber nur auf heiße Eier gehen. Carla arbeitet an ihren Videos und an ihrem »Abschiedsbuch«, eine Art Poesiealbum vor der Übersiedlung nach Amerika.

Stubenrundblick (201603/HofOstern16(230).jpg)
(HofOstern16(165).jpg)
Karsamstag, 26. März 2016

Die Damen fuhren nach Bozen, ergatterten den letzten Parkplatz beim Mondschein, luden die Wind-Sim-Karte, kauften für Carla eine Handtasche im Kofferradio-Look und saßen dann bei zwanzig Grad am Waltherplatz. Die Stadt voll.
   Ich hatte einen ruhigen Tag am Hof. So ruhig, dass ich unseren Jagdpächter verpasste, der am Nachmittag vorbeigekommen war und extra zwei Flaschen Prosecco gebracht hatte, für den Jagdaufseher und für uns.
   Nachmittags wurden dann Osterbrot gebacken, Kränze, Hasen und Igel. Die kamen in die vier selbstgemachten Osterkörbchen.

Ostersonntag, 27. März 2016

Erst einmal hatte uns die blöde Sommerzeitumstellung eine Stunde früher aufstehen lassen. »Wenn ich jetzt den Wecker auf acht stelle, seine automatische Zeitumstellung in der Nacht klappt aber nicht, komme ich dann zu spät?« – unlösbare Fragen. Alle Funkuhren haben’s aber geschafft! Und wir auch, ganz rechtzeitig feingemacht, um viertel nach neun in die Kirche gekommen; gerade noch rechtzeitig für Plätze in den Bänken. Eine volle, eine schöne Ostermesse. Der alte Pfarrer, der die Acht-Uhr-Messe gelesen hatte, zeigte sich sehr zufrieden: Zwei ganz volle Messen! Unser Zelebrant predigte über die Länge des Lebens, die Hetze, die uns das modere Diesseits bringt, und wie man sich doch angesichts der Ewigkeit – an die man dann allerdings glauben muss – eigentlich gar nicht zu beeilen braucht.

(HofOsternCarla(152)mod.jpg)


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   Danach sind wir – ohne den gewohnten Gasthausbesuch – zurück zum Hof. Am Sarner »Großparkplatz» trafen wir noch die Schlögg-Familie und tauschten geweihte Eier, zwei unserer »Galaxy-Eier« gegen bunte mit Farnabdrucken. Die kommen mit einem Farnblatt in einer Strumpfhose ins Farbbad.
   Das Wetter war warm und sonnig, der ausgehende Winter, dieser erste Frühling mit ersten Blüten und noch recht braunen Wiesen, machte müde, und so wurde das Eiersuchen erst einmal verschoben.
   Dafür gab’s ausgiebig ein Osterfrühstück, und die Ostergeschenke ohne Suche gleich hinterher. Richtig schön.
   Nachmittags pflegen wir ein wenig zu ruhen, so auch am Ostersonntag. Aus der Suche im Freien ist dann nichts mehr geworden. Stattdessen muss täglich Holz für den Ofen geholt werden, frisch eingeschürt – meist nachmittags – nachgelegt.
   Abends gab’s unser großes Osteressen: ein Kalbsrücken mit Kartoffelbrei und Karotten. Nachher schauten die Damen – wie danach jeden Abend – »Call the Midwife« von DVD.

Ostermontag, 28. März 2016

Um halb zehn kam der Jagdaufseher vom morgendlichen Pirschgang zurück, ohne »Büx«, denn es herrscht Jagdruhe bis zum 1. Mai, wenn »der Bock aufgeht«. 
   Wir hatten uns mit Str. zum Mittagessen verabredet, um halb zwölf in Bozen an der Abzweigung hinauf nach Jenesien. Mir fiel vorher noch ein, dass ich die Kühe füttern hätte sollen. Die armen Tiere waren schon recht heuhungrig, sind ja auch groß, und Heu ist dünn. Sieben sind’s. Und vier Katzen. Trotzdem: Wir kamen nur wenige Minuten später.
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Nach Glaning (italienisch Colognia – nicht Colonia wie Köln) fährt man durch einen Tunell links ab von der gewundenen Straße nach Jenesien. Wir hatten’s eilig, zurecht, denn nach uns füllte sich das beliebte Gasthaus Noafer schnell bis zum letzen Platz mit Gästen. Glaning sei auch bei Italienern beliebt, meinte Helmut, weil’s so schön nahe ist. Wir konnten uns den Platz in neu gemachten Wintergarten (»Veranda«) aussuchen, in der Sonne, am Fenster. Dazu Ostermenü, bereits mit »Spargeln«, wie man süddeutsch sagt. Am besten war wieder einmal das Schnitzel – fand ich. Vorspeise ein Strudel mit Spargel, Brennesselnfrittatensuppe, Leberknödelsuppe; Hauptspeise Wiener Schnitzel, Gulasch mit Knödel, Lamm – weniger gut. Gute Unterhaltung, schöne Geschichten. Str. waren gerade in Namibia gewesen, zu viert auf einer Tour durchs Land, braungebrannt und voller Erlebnisse und Gedanken. Über Simbabwe (Rhodesien) waren sie bis zu den Vikoriafällen gekommen. Afrika scheint immer mehr zu verfallen, zu verarmen, verelendet, auf Kosten weniger Reicher. Helmut ist da sehr sozialkritisch, ich insgesamt staatskritisch; beide dürfen wir nicht zu viel über Politik reden.
   Nachmittags saßen wir am Hof in der Sonne. Locher flog wieder.

Dienstag, 29. März 2016

Meran war vorgesehen und endlich ein Besuch von Schloss Tirol, auf den ich schon sehr »gelookforwardet« hatte. Dann sind doch nur die Damen gefahren.
   Ich ging mit dem Förster in den Wald, wo gerade »in Regie«, also auf Tageskosten, ein gutes Stück Wald durchforstet wird, unterhalb vom Mitteleren Stall hinunter bis zur Ebenwies und hinein ins Tal bis zum Birkries, dies aber leider nicht inklusive. ’s ist ein Experiment; die Nettokosten sind noch unbekannt. Zwei bis drei Waldarbeiter, Brüder, Söhne unseres erfahrensten Holzarbeiters von Obersalmerg haben sich als »Forst-Tec« zusammengetan, hier (im Bildhintergrund links unser Hof).
Ziehen des Tragseils (HofOstern16(215).jpg)
   Sie waren gerade dabei, das Tragseil vom Kippmast oben beim Mittleren Stall etwas unter dem Bildstock durch eine schmale Schneise hinunter bis zur Ebenwies zu ziehen, Arbeit für vielleicht einen halben Tag. Am Nachmittag sollte schon das erste Holz heraufkommen.
   Einer musste noch unten bei der Ebenwies etwas holen, Baumbinden zum Schutz der Rinde vor dem Seil, und der nahm mich dann im Auto mit herunter, sodass ich bequem wieder zum Hof kam.
   Die Damen kamen begeistert aus Meran zurück, hatten die Stadt genossen, Schloss Tirol aber aufgespart für mich … Mir haben sie wieder zwei Topolini mitgebracht. Es gibt inzwischen herrliche »historische« Wiederveröffentlichungen, wobei die Jahrhundertwende auch schon Geschichte ist, sonst halt die Siebzigerjahre. Die moderne Micky Maus kommt seit dem Krieg aus Italien, was nicht jeder weiß.
Weiße Pestwurz (HofOsternCarla(260).jpg)
   Am Nachmittag kam eine Kleinfamilie zu Besuch beim Pächter mit dem italienischen Tierarzt, den wir dann auch hereingebeten haben. Er: sehr lustig. Der Rest: ärgerlich, weil wir eine weitere Ausdünnung der Pachtsituation werden verhindern müssen. Das aber ist eine andere Geschichte.
   Am Abend hatten wir uns mit Karl zur Pizza verabredet, in der Kellerburg; Hofer hatte zu. Das war sehr nett. Die Damen hatten ihn nicht gekannt. Als geborener Sarner, Dr. jur. und Beamter in verschiedenen Positionen in Bozen kann er eine Menge erzählen, noch dazu als Hobby-Historiker beim Sarner Geschichtsverein.
   G. ist fasziniert von blauen und weißen Blumen am Straßenrand: Leberblümchen, die schon Großvater schätzte, und weiße Pestwurz, wie sie nun herausfand (zur »Verwendung« mehr hier).

Mittwoch, 30. März 2016

Ruhetag am Hof. Berge verhangen, Windstille. Tagebuchschreiben. Fritz will am Nachmittag noch einmal ins Dorf, Milch und Geld »nachfassen«, die drei Exemplare Sarnerstraße von Karl, dem Autor, signieren lassen.Vor allem muss Müll weg. So war’s.
   Dazu noch eine zufällige Begegnung unten an der Tanzbachbrücke, wo die Straße über unseren Grund führt. Zwei Männer, vielleicht meines Alters, mit mehr oder weniger wallendem Bart, eher wild als wohlgestalt, stehen neben ihren Autos und rauchen sich eine (Zigarette). Ich bleib’ stehen und rede sie an: Zigarettenpause? Weiter: »Seid ihr aus Sarnthein?« – Ja, und wo ich denn herkommen (mit Bonner Audi und deutlich fremdem Dialekt)? – Vom Siebenfahrhof! – Wie das? – Ich bin der Besitzer! – Staunen. »Dann sand Sie der »Gocki‹.« – Diesen Spitznamen hatte ich bis zu meinem zehnten Lebensjahr, familienintern, bis ich im Internat einen neuen bekommen hatte, zwangsweise, aber nicht unerwünscht. – Der Mann kannte mich aus der Zeit meiner Großeltern. Er war einer der Häuslerkinder auf der anderen Seite der Brücke. Die hatten uns jeden Mittag um zwanzig vor eins mittags für fünfzig Lire die Post in einem Schuhsack von der Straße über den Fuchssteig hinauf auf den Hof gebracht, später für hundert Lire. Wie ich erinnerte er sich noch genau daran. So hatte Großvater die Tagespost noch vor eins, dazu die Tageszeitung und die new York Herald Tribune, der Kurse halber und der Weltpolitik.
   Dann kam noch ein Handwerker, bei dem ich Schulden hatte. Da ging wider Erwarten all unser Bargeld drauf. Fünfzig Euro bleiben als Schulden.
   Am Abend kamen unser Jagdaufseher und Waldfaktotum mit seiner Frau. G. hatte ein fulminantes Abendessen bereitet: Vorspeise Vitello tonnato auf Feldsalat, Hauptspeise Lasagne al forno mit Spinat, als Nachtisch Orangen-Mascarpone aus dem Glas bezw. Kühlschrank.

Donnerstag, 31. März 2016

Die Raiffeisenkasse Sarnthein macht um acht Uhr auf. Ich also hin, Geld fassen, ans Grab, Semmeln, die »Dolomiten«, Sprudelwasser. Rechtzeitig vor neun war ich wieder am Hof.
(HofOstern16(323).jpg)
Denn ab neun war »Waldbegehung« mit dem obersten Förster Südtirols angesagt. Dazu der lokale Förster und sein Stationsschef. Man muss sich das aber schlichter, netter, normaler vorstellen. Weil wir heuer ein paar tausend Bäume pflanzen möchten, etwa im Mai, muss das schon besprochen werden. Weit hinauf in den Wald fahren konnten wir nicht, des Eises halber und der Baumförderung. Seit gestern mittag hatten die drei Holzarbeiter schon große Mengen Holz an den Weg gebracht. Die Bäume werden am Weg maschinell entastet, auf Längen geschnitten, und vermessen. Das gibt dem Waldbesitzer einen vom Sägewerk unabhängigen Schätzwert über die »Kubatur«.
   Wir waren früh fertig und fuhren traditiongemäß zu einem Mittagessen nach Bundschen. Freudige Begrüßung durch den Altwirt und die immer junge Wirtstochter, beim Bezahlen kleine Unterhaltung mit der mittagessenden Familie am Rande. Ansonsten widmete ich mich natürlich der Förster, meiner Frittatensuppe und dem Wiener Schnitzel mit Röstkartoffeln.
Noafer-Kastanien (HofOstern16(334).jpg)
   Um eins: Szenenwechsel. Der Förster hatte für örtlich Interessierte eine Kastanienlehrfahrt organisiert, ab Wangener Kreuzung um 13.15 Uhr. Wir waren zu sechst, gekannt hab’ ich den Obstzüchter und Imker, ursprünglich Elektriker, von Afingsbruck. Wir fuhren – wer hätte das gedacht – genau wieder zum Noafer in Glaning, wo uns der Altbauer begrüßte (nach seinem Mittagsschlaf vermutlich im Heu). Er ist u. a. Kastanienexperte.
   Die »Kestn« sind empfindlich. Die Bäume können »Krebs« kriegen, Wucherungen. Man sollte sie schneiden. Als junge werden sie oft veredelt, damit man eine bestimmte Sorte weiterzüchten kann, etwa mit besonders prächtigen, großen Kastanien. Aus Samen gezogene Pflanzen haben anderes Erbgut als die »Klone«. Ob man Kastanien erfolgreich aus Stecklingen ziehen kann – was ja auch Erbgutgleichheit garantierte – wussten wir nicht. Viele frisch gepflanzte und veredelte Pflanzen gehen z. B. an Fäule ein. »Pelzen« sagen sie hier zum Veredeln, mein’ ich, mehr hier. Dann gibt’s noch Gallwespen als Schädlinge, mehr hier.
   Die Kastanien, samt Stachelschalen, legt der Bauer genau sieben Tage ins Wasser und schöpft dann alles, was schwimmt – Schalen, Blätter, Würmer – ab. Ins Kühlhaus kommen sie nicht, sollten aber nicht austrocknen. Kocht man die Kastanien, kann man sie gut schälen. Aus dem Kern lässt sich mit Zuckerwasser ein wohlschmeckener, nahrhafter Brei machen.
   Wir sind dann noch etwas zusammengesessen. Es war südlich sonnig warm. Am Wangener Kreuz habe ich mir die bei uns an der Fitsch von der Straßenverwaltung gefällten Bäume angesehen.
   Hier oben am Hof waren meine Damen schon länger aus Bozen zurück. Sie hatten im Batzenhäusl ausgiebig mit Freunden mittaggegessen.
   Am Hof draußen dann Gespräch mit den Pächtern.
   Ofen ein letztes Mal schüren, packen (G.), Reste essen (alle), letzter Abend. 

Freitag, 1. April 2016

Im Tunell (HofOstern16(416).jpg) – etwa hier (Video)
Eine lange, nicht unschöne Rückfahrt. Ab Hof bei 10° um 10.10 Uhr, Prognose 764 km bis 17.30 Uhr, doch dann erst einmal mühsam hinter einem Sarntal-unerfahrenen, riesigen Lkw mit Anhänger folgend, der vorsichtshalber mitten durch die Tunells fuhr. Zum Schluss stieg ein entgegenkommendner Rammlmair-Fahrer aus seinem Granittransporter und lotste ihn hinunter. So brauchten wir 25 Minuten bis Runkelstein, fast zehn Minuten länger als sonst.
   In Bozen war’s schon recht warm, Frühling.
   Mir fiel auf, dass die Navi-Frau inzwischen gelernt hat, italienische Namen richtig italienisch auszusprechen. Aus nächstes sollte sie noch die deutschen Ortsnamen in Südtirol lernen. Das uralte Dorf Zwölfmalgreien, heute ein östlicher Stadtteil von Bozen, sprach sie richtig »Dodiciville« aus, mit tschi. (Die Übersetzung als solche ist, wie sehr oft, eine dumme, leichtsinnige Frechheit; historisch richtig wäre historisch »Le Malgreien« richtig.) Viele Straßen in Bozen wurden selbst nach dem Krieg noch mit Vorliebe an Italiener vergeben, etwa die St.-Johann-Straße, in der wir wohnten, in Cavour-Straße umbenannt. Allerdings gibt’s auch eine Andreas-Hofer-Straße, die dann bei der Navi prompt italienisch ausgesprochen zu einer »via Offer« wird. H, »accha«, können Italiener nicht sprechen, Franzosen auch nicht, das gab’s nicht bei den Lateinern.
    G. fuhr über den »Bozner Boden« am Bauernbund vorbei, eigentlich die bessere Verbindung zur Autobahn als über St. Mag­da­le­na. Dann das Eisacktal hinauf, Ve­re­na­ka­pelle, Klausen, Brixen, von dem man vor lauter Schallschutz nichts sieht, Brenner, rasch noch für zwanzig Euro »zwi­schen­ge­tankt«, richtig voll erst vor dem Fernpass. Sehr schön die Nordkette und überhaupt die Berge im Neuschnee, Zugspitze – wobei wir nie wissen, welche es ist. Danach dann leider staubedingt und naviberaten im Zickzack durch Deutschland: direkt hinauf Richtung Würzburg, dann aber doch links ab über Heilbronn, dort und ab dort viel Stau, erst wieder in der Pfalz und danach ruhige Reise in den Abend über der Eifel hinein. Ankunft in Bonn 20.10 Uhr mit km 107914 bei 12° – also nach zehn Stunden. Aus vor­her­ge­sag­ten 764 waren 825 Kilometer geworden – allerdings ist das Penser Joch geschlossen, über Bozen ist’s ein kleiner Umweg.

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22. März 2016

Hans-Werner Sinn im Interview

Hans-Werner Sinn         Foto Wikipedia
Hans-Werner Sinn »geht in Pension«. Die Neue Zürcher Zeitung hat ihn interviewt.

Das Interview ist hier zu lesen.

Sinn geht besonders auf die aktuelle Situation ein. »Frau Merkel muss ihre Meinung ändern«, fordert er. Denn »Merkel hat aber den gesunden Menschenverstand der Wähler unterschätzt. Diese sehen die Probleme.«

Was mich aufhorchen hat lassen, ist allerdings die Frage nach dem Euro, den Sinn befürwortet hatte.

»Weshalb hat der Euro nicht so funktioniert, wie auch Sie sich das damals vorgestellt hatten?
Wir Ökonomen sind häufig etwas naiv, weil wir glauben, dass Verträge eingehalten werden. Inzwischen wissen wir: Papier ist geduldig. Die Nichtbeistandsklausel des Maastrichter Vertrages wurde 2010 gekippt, was im Übrigen die Gründung der AfD erklärt.«

Da erlaube ich mnir auf meinen Blog vom Dezember 2011 zu verweisen: »Die hatten wir aber schon einmal 1997: Im Stabilitäts- und Wachstumspakt ist konkret geregelt, dass Staaten die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefizits auf 3% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Stand ihrer öffentlichen Verschuldung auf 60% ihres BIPs begrenzen müssen, Zitat Wikipedia. Sünder sollten sich durch die seit 1992 geltende Nichtbeistandsklausel selbst isolieren. Genützt hat’s nichts. Im entscheidenden Moment haben die Staaten dennoch statt zu bremsen Gas gegeben, haben Griechenland »gerettet« unter dem Vorwand, den Euro zu retten.« 

Link zu diesem Blogeintrag:

12. März 2016

Britting ein »Dichter des Krieges«?

Privatdozentin Frau Dr. Edith Raim schrieb mir am 9.12.2016 aus München:
   »Mir liegt hier der Artikel der Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 276, [Mittwoch] 7.10.1936 vor. Ich zitiere aus dem Artikel ›Wehrhafte Dichtung der Zeit. Das erste Deutsche Kriegsdichtertreffen‹: ›Gleichzeitig wurde im Harnackhaus das Erste deutsche Kriegsdichtertreffen durch Reichsleiter Alfred Rosenberg eröffnet. Mehr als 50 Verfasser von Kriegsbüchern sind in Berlin erschienen, darunter Paul Alverdes, Werner Bergengruen, Werner Beumelburg, R.G. Binding, Georg Britting, Hermann Claudius‹ etc. etc.
   In den Münchner Neuesten Nachrichten, Nr. 277 vom [Donnerstag] 8.10.1936 heißt es im Artikel ›Geschichte und Dichtkunst. Dr. Goebbels empfängt die Kriegsdichter‹: ›Im Auftrag der Kriegsdichter sandte der Reichskriegsopferführer ein Telegramm an den Führer, in dem sie das Gelöbnis unwandelbarer Treue erneuerten.‹
   Wie Sie sehen, ist die Anwesenheit Brittings bei dem Treffen in Berlin nicht nicht nur auf einer Einladungsliste festgehalten, sondern eben auch veröffentlicht, dito das Telegramm. Für mich ist die Causa Britting damit erledigt« – schließt Frau Dr. Reim. Jetzt wieder ich, Fritz Jörn:
   Ob die Münchner Neuesten Nachrichten die Geschichte auch nur aus der NS-Pressemitteilung haben, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die »mehr als 50 Verfasser von Kriegsbüchern« lassen es mich vermuten. Jedenfalls haben sich die Münchner Neuesten Nachrichten bei der Bekanntgabe des Telegramms über die Sperrfrist (Freitag, 9.10.1936 19 Uhr) hinweggesetzt. Von einer »Erneuerung« des Gelöbnisses stand auch nichts im angeblichen Telegramm; vielleicht bezogen sich die Münchner Neuesten Nachrichten auf das Gelöbnis von 88 Dichtern im Jahr 1933, das wesentlich besser belegt ist. Georg Britting war daran nachweislich nicht beteiligt gewesen.
   Wie dem auch sei: Den Nachweis, dass Georg Britting nicht beim Dichtertreffen 1936 dabei war, konnte ich nicht führen. Dass ich sehr skeptisch bleibe, tut nichts zur Sache. Gegen eine »postfaktische« Falschmeldung hätte auch er sich gewiss nicht wehren können, ebensowenig wie ich heute … Mehr zur Studie von Frau Dr. Raim vom Jänner 2019 unten bei ſ).

Nun zur generellen Frage, inwieweit Georg Britting Nationalsozialist war?
1. Hat er sich ganz schön Zeit gelassen, dem Reichsverband deutscher Schriftsteller bezw. der Reichsschrifttumskammer beizutreten, hatte er doch laut Kürschners Literaturkalender von 1934 die Mitgliedsnummer 2730, während Werner Bergengruen an Stelle 291 war (und wegen seiner jüdischen Frau ganz anderen Gefahren ausgesetzt war) und etwa Theodor Heuß Nummer 491 hatte, Gottfried Benn 370, Ina Seidel 582, Marie Luise Kaschnitz 2276.
2. Warum er für 1935 den Münchner Dichterpreis bekam, war eine ziemliche »Kungelei«, wie 1999 Katrin Höchtberger aufzeigte. Sie bringt die offizielle Begründung: »Der Literaturpreis der Hauptstadt der Bewegung für 1935 wird an den Dichter Georg Britting vor allem in Anerkennung seines lyrischen Schaffens verliehen. Sein Werk, geboren aus tiefer Naturverbundenheit und geformt durch das erschütternde Erlebnis des Krieges, ist nicht nur ein glanzvolles dichterisches Wiederaufleben bayerisehen Barocks, sondern wächst darüber hinaus zu einer Schicksalsdichtung von germanischer Prägung, die von dem Wissen um Leben und Tod getragen und von einem oft grimmigen, aber niemals bissigen, echt deutschen Humor durchleuchtet ist.« Karl Ude schrieb dazu im Abendblatt vom 9. April 1936: »Georg Britting ist einer, der bisher still seinen Weg gegangen ist. Er hat in seinem Schaffen nie zu Tagesfragen Stellung genommen, er hat einen, irgendeinen Stoff aufgegriffen und leidenschaftlich mit ihm gerungen, bis er in eine klare gültige Form gebannt war.Georg Britting war nur Künstler, nur Dichter, nichts anderes. Daß er dennoch zu den deutschen Menschen unserer Zeit zu sprechen weiß, und ihnen etwas zu sagen hat, beweist die Tatsaehe, daß die Stadt München ihn würdig hielt, den Dichterpreisfür das Jahr 1935 zu empfangen ...«
3. Erlebnisse und Reaktion auf die »Reichspogromnacht« von Curt Hohoff unf Britting hier.

Nun aber zum Thema Kriegsdichtertreffen 1936.
   Konkret wurde nach AD 2000 einem mittelbekannten deutschen Dichter, Georg Britting, mit Heimat Regensburg, längst verstorben, ihm wurde in der Wikipedia nachgesagt, er habe in der Nazizeit mit dem Regime sympathisiert. Da war er knapp fünfzig, lebte in München, schrieb und dichtete vor sich hin, dicht und mit viel Natur und etwas Grusel, was die Gelehrten »expressionistisch« genannt haben und die Leute, moan i (meine ich), »Heimatdichtung«.
   Nach dem Krieg gestand er seinem nach London emigrierten jüdischen Freund Alex Wetzlar ganz offen: »Wirtschaftlich gings mir während des Krieges besser als je: weils sonst nicht viel zu kaufen gab, kauften die Leute Bücher en masse«. So richtig gut ist es dem Dichter aber auch dann nicht gegangen, allein als Untermieter dann bis 1951 in einer Mansarde (mehr hier, nach "1935" suchen).
Ernst Klee 2007
im »Kulturlexikon zum Dritten Reich«
   Seit April 2015, mein’ ich, stand nun in der Wikipedia über Britting zu lesen: »Im Oktober 1936 nahm er am Treffen der Dichter in Berlin teil und unterzeichnete dort ein Gelöbnis-Te­le­gramm an Hitler«. Als Beleg wird  Ernst Klee (1942—2013) genannt. Dieser hatte die Telegrammgeschichte im Jahr 2007 in einem »Kulturlexikon zum Dritten Reich« behauptet und sich gleich noch darüber ausgelassen, dass Britting in einem deutschen Besatzungsblatt in Krakau ver­öffent­licht hat – was, steht nicht da, und warum auch nicht.
   Sie können sich rechts den Britting-Abschnitt aus dem investigativen Büchlein an­klick­en.
   Später kam ich drauf, dass dieses Kleesche »Kul­tur­lexi­kon« einen miserablen Ruf hat, »ein Ärgernis« nennt’s die Welt. Sieht man näher hin, so beruft sich Klee auf Hans Sarkowicz, auf den ich dann später kam.
   (Faktisch stellte ich fest, dass sich die Leute heutzutage ein Telegramm überhaupt nicht mehr vorstellen können. Britting »unterzeichnete dort ein Ge­löb­nis-Telegramm« – kein Mensch »unterzeichnete« ein Telegramm, höchstens brachte er’s selbst zur Post. Also hab’ ich erst einmal einen aufklärenden Blogeintrag über Telegramme gemacht, hier.)
   Andere sind dann der Geschichte mit dem Gelöbnistelegramm noch weiter nachgegangen, ad fontes. Inzwischen liegt mir eine PDF-Kopie vor, zwar nicht des Telegramms (das muss sich der Führer wohl gerahmt wo hingehängt haben), aber einer »Sondernummer« des »Nachrichtendienstes« vom Mittwoch 7. Oktober 1936. Der »Nachrichtendienst« war eine Art Pressemitteilung der »Amtsleitung der N.S. Kul­tur­ge­mein­de und des Amtes für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der N.S.D.A.P.« und nanne sich


Ich stelle Ihnen diesen speziellen »Kulturdienst« einmal voll ins Netz, auf www.Siebenfahr.com/BrittingDichterteffen.pdf, knapp 1,8 MByte, oder oben die Überschrift anklicken. Hier auszugsweise die nur dort genannte Teilnehmerliste:

Als Teilnehmer dieses »ersten deutschen Kriegsdichtertreffens« in Berlin Anfang Oktober 1936 sind in der Pressemitteilung 51 Dichter namentlich aufgeführt: Paul Alverdes, Max Barthel, Werner Bergengruen*), Friedrich Bethge, Rudolf Binding°), Graf Bossi-Fedrigotti^), Bruno Brehm°), Georg Britting^*), Carl Bröger, Hermann Claudius, Will Decker, Heinrich Eckmann, Richard Euringer°), Kurt. Ad. Findeisen, Thor Goote°), Georg Grabenhorst, Sigmund Graff, Friedrich Griese°), H.  H. Frhr. v. Grote, W. J. Hartmann, Georg v. Hase, Alfred Hein, August Hinrichs°), Paul Oskar Höcker, Theodor Jakobs, Max Jungnickel, M. v. K. Killinger, Rudolf Kinau, W. Kohlhaas, Kilian Koll (W. J. Bloem), Theodor Kröger, A. Langsdorff, Friedrich Lehmann°), Uwe Lars Nobbe, Otto Paust, Ernst v. Salomon°), Ulrich Sander, Franz Schauwecker, W. M. Schneider°), Karl Springenschmid, Heinz Steguweit°), H. Stellrecht, Goetz Otto Stoffregen, Josef Stolzing-Cerny, Ludwig Tügel, Prof. Ernst Vollbehr, Josef Magnus Wehner, Erhard Wittek, Heinrich Zerkaulen, Heinrich Zillich und Erwin Zindler.
      °) Von Sarkowicz/Mentzer ohne den Kriegsdichtertreffenvorwurf besprochen: Binding, Brehm, Euringer, Groote, Giese, Hinrichs, Lehmann, Salomon, Schneider und Steguweit.
      *) Von Sarkowicz/Mentzer mit dem Kriegsdichtertreffenvorwurf besprochen werden nur Bergengruen und Britting.
      ^) In der Wikipedia mit Kriegsdichtertreffenvorwurf besprochen werden nur Bossi-Fedrigotti und Britting, die anderen wie Bergengruen nicht (Nov.2016). Bei Bossi-Fedrigotti wird als Quelle Christoph Penning gegeben, der dies aus einer Auskunft des Tiroler Landesarchivs hat. Bei Britting werden Teilnahme und Telegramm mit Sarkowicz belegt.
   Mit »Krieg« meinte man 1936 natürlich den Ersten Weltkrieg.
   Inzwischen bekam ich aus dem Bundesarchiv eine undatierte (verm. Sommer 1936) zweite Liste von 64 eingeladenen Dichtern. Sie finden Sie hier. Später fehlen dann Werner Beumelberg, Walter Julius Bloem, Cordt von Brandis, Hans Carossa, Edwin Erich Dwinger, Joachim Freiherr von der Goltz, Hans Grimm, Ernst Jünger, Leutnant Lerch, Karl Benno Mechow, Fritz Noack, Rainer Schlösser, Siegfried von Vegesack, Herbert Volck, Ernst Wiechert, Maxim Ziese, Hans Zöberlein. Dazu ein Rechenschaftsbericht der NS.-Kulturgemeinde über Dichterlesungen im Winter 1935/36. Auch Britting las, allerdings ausgewiesenermaßen nicht als »politischer Dichter« sondern als »landschaftlich bestimmter Dichter« (Seite 5 des Originals). Wie Aufnahmen des Bayrischen Rundfunks nach dem Krieg zeigen, konnte Britting gut lesen.

Zum Ablauf des Kriegsdichtertreffens erfährt man (Zeittafel hier unten) aus der Pressemitteilung:
· In der Deutschlandhalle durften die Dichter am Dienstag, 6.10.36, der »Eröffnung des Winterhilfswerks 1936/37 durch den Führer beiwohnen«.
· Dann begrüßte sie im Reichspropagandaministerium Dr. Goebbels »noch in dieser späten Abendstunde«. Von ihm erfuhren sie, »Politik werde von der nationalsozialistischen Staatsauffassung wahrhaft als eine Kunst angesehen. Wie der Maler aus dem rohen Material der Leinewand und der Farben, der Bildhauer aus dem gestaltlosen Stein und der Dichter aus dem ungeformten Wort geschlossene Bilder und Kunstwerke formen, so sei es die wahrhaft künstlerische Aufgabe des Staatsmannes nationalsozialistischer Prägung, aus der ungeformten Masse Mensch ein Volk zu gestalten.«
· Weiter nach Aussage des NS-»Nachrichtendienstes« wurde dann noch herumdepeschiert:
»Der Reichskriegsopferführer Oberlindober hat im  Auftrag der in Berlin zu einem Treffen versammelten deutschen Kriegsdichter folgendes Telegramm an den Führer gesandt: ›Die als Gäste der Reichs­haupt­stadt zu einem Treffen in Berlin vereinten Dichter des Krieges entbieten ihrem Führer und Reichskanzler im Gedenken der Kameradschaft der Front und in Dankbarkeit für die Wiedergewinnung deutscher Wehrhaftigkeit das Gelöbnis unwandelbarer Treue.‹« – Auch eine Antwort Hitlers stand angeblich schon fest: » … Der Führer hat auf dieses Telegramm mit folgenden Worten erwidert: ›Den in Berlin vereinten Dichtern des Krieges danke ich für das mir telegraphisch übermittelte Treugelöbnis. Ich erwidere Ihre Grüsse in kameradschaftlicher Verbundenheit. Adolf Hitler.‹«
· An den »Stellvertreter des Führers«, Rudolf Heß, soll ebenfalls ein Telegramm gegangen sein: »Ihren Frontkameraden grüssen die in Berlin vereinten deutschen und auslandsdeutschen Dichter des Krieges in alter soldatischer Verbundenheit«. Eine Antwort Heß’ wird nicht kolportiert.

Jetzt wieder meine Meinung, Fritz Jörn. Klar wird: Nichts hat Georg Britting unterschrieben. Hanns Oberlindober soll angeblich im Namen der Dichter, im »Auftrag«, ein Telegramm geschickt haben. Ob die ganze Telegraphiererei wirklich passierte, oder nur kreativer Pressearbeit entsprang, weiß heute keiner.
   Die Pressemitteilung mit dieser Behauptung stammt vom Mittwoch, 7. Oktober 1936. Ihr zufolge hatten sich die Dichter zuerst »am gestrigen Dienstag« nachmittags getroffen, was dann Dienstag der 6. Oktober 1936 gewesen wäre.
   Meines Erachtens muss der pathetische Text des Ergebenheitstelegramms für die Pressemitteilung (»Achtung! Sperrfrist bis Freitag um 21 Uhr!«) also bereits vor dem Treffen zusammengestellt worden sein, ebenso die angebliche Antwort Hitlers, »aus dem ungeformten Wort« (Goebbels).
   Ob das Telegramm das Einverständnis der Dichter hatte, ob sie davon überhaupt wussten, ist m.E. ungewiss. Oberlindober hätte dem Papst telegraphieren können im Namen der Dichter, wehren hätte sich keiner können. »Ob es sich hierbei um ein explizites oder erzwungenes Zugeständnis an das nationalsozialistische Regime handelt, wie es unter anderem von Hans Sarkowicz und Alf Mentzer diskutiert wird, lässt sich aus heutiger Sicht nicht eindeutig entscheiden«, schreibt 2015 Anna Zucht in einer Masterarbeit.
Ausschnitt aus Sarkowicz/Mentzer aus dem Jahr 2000, Leseprobe, 48 Euro
   Ich habe auch bei Sarkowicz und Mentzer nachgeblättert und deren Meinung über Britting ins Netz gestellt. In diesem »biografischen Lexikon« schiebt Sarkowicz gerne etwas subtile Polemik mit unter (»erwarb sich im provinziellen Regensburg den Ruf eines anarchistischen Bürgerschrecks«, oder »Die Gedichte und Erzählungen … fanden sich in zahlreichen Schulbüchern des ›Dritten Reichs‹ wieder« – Na net, die findet man nach wie vor in deutschen Schulbüchern!). Da wird u.a. Brittings Begeisterung über den Anschluss Österreichs genannt – eine sehr populäre Haltung damals, sowohl in Deutschland als auch in Österreich, keineswegs nur bei Nazis; das war einfach »großdeutsch« und hatte eher etwas mit der Überwindung der alten Gegnerschaft Hohenzollern—Habsburg zu tun als mit Nazismus. Bei Sarkowicz wird Brittings (kitschige) Ode flugs zu einem »Gedicht auf Hitler«. – Das nur am Rand und Ansichtssache.

Jedenfalls wird bei Sarkowicz erstmals das Te­le­gramm an Hitler erwähnt.
   Schließlich »hatte Britting eine Ästhetik verfolgt, die immer weniger mit den offiziellen Vorstellungen einer volks- und hei­mat­ver­bun­de­nen Dichtung zu vereinbaren war«.

Zurück zu Einzelheiten der NS-Pressemitteilung.
   »Am Ersten Deutschen Kriegsdichtertreffen, das in diesen Tagen in Berlin stattfindet, nehmen teil:«, so heißt es dort wörtlich Das klingt mir nicht nach »nahmen teil«, sondern schon eher nach einem (in dem Fall un-)frommen Wunsch. Ob sich der im Ersten Weltkrieg »schwerbeschädigte« Georg Britting dafür überhaupt nach Berlin aufgemacht hatte, eine Nacht im Zug, ob die Reise »gesponsert« war, ich weiß es nicht, habe aber ernsthafte Zweifel daran. Wie gesagt: Die Teilnehmerliste des Kriesgdichtertreffens wurde nirgends veröffentlicht!
   Hier eine Mail vom 2.8.2016 vom Bundesarchiv Berlin, Abt. Reich, Referat R1. »Sehr geehrter Herr Jörn, bedauerlicherweise konnten trotz nochmaliger intensiver Recherchen keine zusätzlichen Hinweise, ich darf auf den in der Vergangenheit bereits geführten Schriftwechsel verweisen, zum Kriegsdichtertreffen ermittelt werden. Eventuell hat die ›Wochenschau‹ seinerzeit darüber berichtet. Eine Teilnehmerliste ist allerdings auch nicht beim Bundesarchiv-Filmarchiv überliefert. Ich bedauere, Ihnen erneut keine positivere Auskunft erteilen zu können.«
   Im Sammelband »Militärische und zivile Mentalität« von 1991 habe ich über das spektakuläre Dichtertreffen dann mehr erfahren, s. u..
   Und noch im Juni 2014 schreibt Prof. Manfred Weißbecker (siehe seine Fußnote 51.): »Leider war nichts Näheres zu ermittel[n] über ein ›Kriegsdichtertreffen‹, das 1936 stattfand.«
   Georg Britting war Zwangsmitglied in der Reichsschrifttumskammer, sonst hätte er nicht veröffentlichen dürfen. Ich meine auch, dass er offizielle Briefe vorschriftsmäßig mit »Heil Hitler!« unterschrieben hat. (Hätte er, wie lange Zeit üblich, mit »Hochachtungsvoll« unterschrieben, hätte man ihm heute wohl Hochachtung vor den NS-Ämtern vorgeworfen.) Noch nach dem Krieg gab es Streit zwischen »inneren Emigranten« wie Erich Kästner oder eben Georg Britting, und echten Emigranten wie Thomas Mann und Bert Brecht. Viel Interessantes, viel Polemik, post-faktische Meinungen, auch meine. Nur die Toten schwiegen. Das aber ist eine andere Sache …

Erstes Fazit: Nach fünfzig Jahren kann man vielen was vorwerfen, was aber – zumindest juristisch – aus gutem Grund verjährt ist. Was stimmt, ist schwer herauszufinden. Einfach voneinder abgeschriebene Behauptungen werden durch Wiederholung nicht richtiger, allerdings verfestigt. Besonders einzelne, herausgegriffene Behauptungen können total schief liegen. Vielleicht ist das ein Grund, warum Vergangenheit immer erst »aufgearbeitet« wird, wenn sie schon lang vorbei ist? 

PS. An seinem alten jüdischen Freund Alex Wetzlar, der rechtzeitig nach London emigriert war, schrieb Georg Britting Briefe, und widmete ihm auch schon einmal ein Gedicht. Es schließt mit der Klage, nach dem Krieg:
   … Was blieb uns?
   Alex, Kluger, weißt du mir Antwort?  Unruh
   Kam, Gewalt – du gingst in die Fremde, trauernd,
   Schmählich vertrieben.
   Arm ist unser Land jetzt, das Brot, der Wein fehlt,
   Und aus abgestoßenen Gläsern trinken
   Deine Freunde, murrend und weise lächelnd,
   Nüchternes Wasser.
Sarkowicz’ Zitat aus Brittings Brief vom 11. November 1947 an Wetzlar ist in einer Einzelheit übrigens falsch: Sarkowicz lässt Britting von einer »dämonischen Verquickung von Diktatur und Heimatland« schreiben, richtig muss es »von Diktator und Heimatland« heißen, Diktator (Hitler) mit o. Anna Zucht hat’s richtig und ergänzt aus einem Brief vom 6. Dezember 1947 in Brittings typischer einarmiger Kleinschreibweise: ›wär ich ein in russland lebender russe, und hasste das regime, den sieg im krieg würde ich ihm doch wünschen, weiter geht meine politische intellegenz eben nicht.‹« Mehr dazu unten#).

Inzwischen hab’ ich den zwölfseitigen Beitrag von Werner Herden »Das ›Treffen deutscher Kriegsdichter‹ 1936 in Berlin« aus dem Jahr 1991 in Händen. Herden geht konkreter auf den Ablauf ein, zitiert damalige Berichte und bringt mehr Einzelheiten, vor allem aber Interpretationen und Zusammenhänge. »Das erklärte Ziel der Veranstalter bestand darin, … das literarische Schaffen uneingeschränkt in den Dienst … der Rechtfertigung eines auf Krieg und Expansion zielenden Machtstrebens zu stellen.« – Ob den eingeladenen, vom Ersten Weltkrieg gezeichneten Dichtern das so erklärt worden war, frage ich mich. 
   Am Eröffnungstag stand auf der Titelseite des Völkischen Beobachters von Werner Wien+): »Wir brauchen heute, da unser Volk sich nach dem Willen des Führers entschieden hat, sich seine Wehrhaftigkeit zurückzugewinnen, notwendiger denn je die geistige Vertiefung und Sicherung dieses Willens durch ein Schrifttum, das uns stark macht und hart und zu soldatischem Denken erzieht« (Anfang Zeile 19). Je nach politischer Weitsicht mag da »Krieg und Expansion« zu sehen gewesen sein  – hinterher 1991 gewiss. 
   »Zwischen den schnell proklamierten Vorsätzen und der Wirklichkeit herrschte freilich eine beträchtliche Differenz«, urteilt Herden 1991, »in vielem blieb der Wunsch der Vater des Gedankens und der propagandistische Aufwand Maßstab für Sicht- und Wertungsweise.« (Bis zu uns Heutigen, mein’ ich!) Herden berichtet, dass sich die »Ankündigungen hinsichtlich der Teilnehmer«, »annähernd sechzig«, nicht erfüllt hatten, sodass einige »NS-Journalisten … als ›Kriegsdichter‹ mitgezählt wurden«. Wien hatte (sogar während des Treffens) bloß vage angekündigt: »50 bis 60 Dichter … haben … zugesagt und sich bereit erklärt, der Jugend Berlins in diesen Tagen ihre Werke selbst zu vermitteln.« Eine genaue Teilnehmerzahl und gar eine Teilnehmerliste werden stets vermieden.
   Die Telegramme aus der Pressemitteilung erschienen tagesgleich im ebenfalls nicht-öffentlichen »Deutschen Nachrichtenbüro« – und dann erst wieder 2000 bei Sarkowicz. Zu peinlich wäre es gewesen, wenn sich ein Dichter veröffentlicht gefunden hätte, ohne dabeigewesen zu sein. Und so kann man heute viel erzählen. Eine komplette Teilnehmerliste gibt weder 1936 Wien, noch Herden 1991. 
   Die Hitler-Telegramme bringt weder der Völkische Beobachter noch Herden. – Dabei wurden im Völkischen Beobachter sehr wohl Telegramme erwähnt, an die Dichter (10. Oktober), nur nicht die angeblichen an und von Hitler und Heß, die doch »wichtiger« gewesen wären. (Meine Aussagen über etwas, was nicht war, sind mit Vorsicht zu lesen. Nichts nachzuweisen ist schwer möglich, hier speziell, weil Textdurchsuchungen à la Google durch weder digitalisierte noch OCR-gelesene Archive wie den Völkischen Beobachter nicht möglich sind. »Meine« Ausschnitte habe ich extra in Moskau OCR-lesen lassen, siehe http://blogabissl.blogspot.com/2014/01/fraktur-lesen.html
   Das »Deutsche Nachrichtenbüro« als »offizielle, zentrale Presseagentur des Deutschen Reichs« (Wikipedia) vom 7. Oktober, Ausgabe 1317,  bringt schon am Tag der Pressemitteilung die Telegramme, wie man inzwischen dank der Uni Los Angeles online finden kann. Während Hitlers Antwort unterschrieben ist (»gez. Adolf Hitler«, ist das angebliche Telegram der Dichter nicht unterzeichnet.
Die Nacht-Ausgabe. Deutsches Nachrichtenbüro, 7. Oktober 1936, Ausgabe 1317, folgt genau der Pressemitteilung,
ist aber ebenfalls nicht öffentlich, sondern wie eine Pressemitteilung anzusehen. Die Teilnehmerliste fehlt hier bereits.
Meine Meinung: Hätte es eine ansehnliche Teilnehmerliste gegeben, so hätte sie der Völkische Beobachter in einem extra Kasten gebracht. Ich weiß immer noch nicht, ob Georg Britting wirklich dabei gewesen war. Kann’s mir nicht vorstellen.

   Zeittafel des »Kriegsdichtertreffens« (Kalender 1936 hier):
 
• Dienstag, 6.10.1936 nachmittags Ankunft der »Dichter des Krieges« im »Harnack-Haus« in Berlin-Dahlem. 17 Uhr Eröffnung der »6. Berliner Dichterwoche« mit einer Ansprache von Alfred Rosenberg, Abendessen. Danach in der Deutschlandhalle Eröffnung des Winterhilfswerks 1936/37 durch Hitler. »In später Abendstunde« werden die »über fünfzig Teilnehmer« im Reichspropagandaministerium von Reichsminister Dr. Goebbels begrüßt; HJ-Fackelträger standen Spalier, berichtet Herden. Rückkehr ins Harnack-Haus in Berlin-Dahlem, ihrem Quartier.
• Mittwoch, 7.10.1936, 2. Tag – Datum des »Kulturdienstes« (der Pressemitteilung) und der obigen Nachrichtenbüro-Mitteilung. Kranzniederlegung am »Ehrenmal Unter den Linden« (für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, heute »Neue Wache«). Laut Herden: Ausstellungsbesuch im Reichstag, Empfänge im Rathaus und im Schoss Charlottenburg mit Reden von Staatskomissar Dr. Lippert und des Reichserziehungsministers Bernhard Rust. – Herden: »Demonstrative Gesten, Empfänge und Reden bestimmten auch das Programm der folgenden Tage.«
»Standschütze Bruggler«, 1936
• Donnerstag, 8.10.1936, 3. Tag. Potsdam. Empfang bei Generalarbeitsführer Dr. Decker in der Reichsführerschule des Arbeitsdienstes, Führung der UFA in Babelsberg, Filmstudios, Vorführung ds aktuellen Films »Standschütze Bruggler«, Angebot, sich mit »Filmschrifttum« zu erproben.   
• Freitag, 9.10.1936, 4. Tag. Fliegerschule Gatow, Zusammenkunft mit Wehrpflichtigen und Rundflug über Potsdam, Festabend der NS-Kriegsopferversorgung in der Berliner Hochschule für Musik mit Vortrag von Bruno Rehm.   
   Sperrfrist der Pressemitteilung bis 21 Uhr.
• Samstag, 10.10.1936, 5. und letzter Tag. Führung durch Berlin, Reichsautobahn, Visite in der Reichsschrifttumskammer. Leseabende von Rudolf Bindung im Rathaus Zehlendorf und von Bruno Brehm, Wilhelm Kohlhaas, Heinrich Eckmann, Erhard Wittek und Heinrich Zwillich in verschiedenen Berliner Stadtbezirken. Schlussfeier im Harnack-Haus mit dem Führerkorps der HJ. (Vgl. hier). 
• Sonntag, 11.10.1936, Morgenfeier im Schillertheater (lt. Wien). Führung durch Berlin, Besichtigung von Streckenabschnitten der Reichsautobahn, Visite der Reichsschrifttumkammer, Schlussfeier im Harnack-Haus mit Rede von Amtsleiter Walter Strang.
   Dies hauptsächlich nach dem Aufsatz von Herden, Werner: Das »Treffen deutscher Kriegsdichter« 1936 in Berlin.und Heukenkamp, Ursula Hg. Militärische und zivile Mentalität. Ein literaturkritische Report Berlin: Aufbau-Verlag 1. Auflage 1991, Seite 107-119 [schreibt mir unabhängig ein Historiker am 20.10.2016]:

Links z.T. zu Quellen:
Website Georg Britting
• Auszüge aus dem Völkischen Beobachter von Anfang Oktober 1936
Prachtbändchen »Von wehrhaftem Geiste«, 1936 
Bayerische Staatsbibliothek, Anna Keil: Georg Britting in Regensburg, mit Literaturhinweisen   
Bayerische Staatsbibliothek, Anna Keil: Georg Britting in München
Georg Britting in der Wikipedia
• Andreas Kraus, Geschichte Bayerns
   »Seine Haltung war durch und durch unpolitisch, ja antipolitisch«.
• Werner Herden, Das ›Treffen deutscher Kriegsdichter‹ 1936 in Berlin« aus »Militärische und zivile Mentalität, ein literaturkritischer Report«, 1991 herausgegeben von Ursula Heuenkamp. ISBN 3-7466-0086-3
• Anna Zucht, »Zwischen Zugeständnis und Zurückhaltung: Der bayerische Schriftsteller Georg Britting und die Innere Emigration«, 2015
• »Kunst kontra Kungelei«, Katrin Höchtberger zum Münchner Dichterpreis 1935.
• Zitat Britting aus Hans Sarkowicz/Alf Mentzer (knapp 2 GByte): Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biografisches Lexikon. (Am Ende Brief an Wetzlar falsch zitiert, nicht »Verquickung von Diktatur und Heimatland« sondern »Verquickung von Diktator und Heimatland« (ganz orig.: »verquickung von diktator und heimatland«)! Mehr zu Sarkowicz z.B. hier.
• Brittings angeblich anlässlich des Anschlusses (März 1938) entstandenes Gedicht »Was immer die Deutschen … « »findet sich erst in der … Anthologie des Titels Dem Führer. Worte deutscher Dichter (ausgewählt von Friedrich Velmede) aus dem Jahr 1941«, siehe hier und hier.
• Prof. Dr. Manfred Weißbecker in Fußnote 51: »Leider war nichts Näheres zu ermittel[n] über ein ›Kriegsdichtertreffen‹, das 1936 stattfand.« (Diskussionsbeitrag vom 11.6.2104)
• Mittelbayerische Zeitung, Kultur: »Er bleibt Regensburgs größter Dichter«. Artikel vom 16.2.2016
• Praktisches zum Thema: Wie war das mit Telegrammen?  

• Link hierher: 
https://blogabissl.blogspot.com/2016/03/die-dichter-des-krieges.html

»Im Dritten Reich hatte er sich nicht schuldig gemacht. Kein Geburtstagsgedicht auf Hitler verfaßt. Kein Bekenntnis geliefert.« Hans Bender über Britting in »Romane von gestern – heute gelesen« Band 2, herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki.


#) Aus Brittings Brief an Alex Wetzlar vom 6. Dezember 1947:  dass «[my country,] right or wrong» von einem amerikaner stammt, las ich neulich in der »neuen zeitung«. ich habe diesen satz nie als besonders machiavellistisch empfunden, sondern als das einfache gefühl, dass ich mein land liebe und zu ihm halte, ob es nun recht oder unrecht habe. wer kann auch schon jedesmal unterscheiden, wer recht und wer unrecht hat? das kann ja auch im kriegsfalle nicht jedem überlassen bleiben, unrecht oder recht zuerst zu wägen, und dann zu den waffen zu greifen oder nicht. anno 14 hab ich [23-jährig] auch nicht lang gewogen. revolution zu machen steht auf einem anderen blatt, das kann auch seine guten gründe und gewissensgründe haben. in der seiner zeit viel gespielten »Seeschlacht« von [Reinhard] göring, sagen die matrosen des sinkenden kriegsschiffes, die bis zur berühmten »letzten patrone« gekämpft haben, »wir würden auch gut gemeutert haben« [drittletzte Zeile, richtig: »Ich hätte auch gut gemeutert! Wie?« fj]. in unserem thema, und in deinem fall, ist der leidige punkt, der in all diesen erwägungen wiederkehrt, die personalunion hitler-deustschland. die meisten kämpften für deutschland, mochten hitler nicht, aber um hitler loszukriegen deutschland in den abgrund zu werfen, das vermochten sie nicht. wie mancher russische soldat und offizier und general wird sich in dem gleichen dilemma befinden: russland zu lieben und stalin zu hassen. diese dämonische verquickung von diktator [sic!] und heimatland machte alles so schwer. »Was ich vielen deutschen zum vorwurf mache«, schreibst du, »ist, dass sie das schmutzige und ihnen selbst widerwärtige system der nazis benutzt haben, ihre nationalen aspirationen zu verwirklichen. sie hatten ganz vergessen, dass eine mit so üblen mitteln eroberte macht nicht von dauer sein könnte«.(Brittings notgedrungene Kleinschreibung, Rechtschreibung und Satzzeichen leicht angepasst, Links von mir, fj.) 

+) Dr. Werner Wien stellte das eigens für das Treffen »von der Gefolgschaft der Druckerei des Bärenreiter-Verlages dargebotene« (erschütternden!) Prachtbändchen »Von wehrhaftem Geiste« zusammen. Er war m. E. beim Völkischen Beobachter im Feuiletton und nach dem Krieg scheint’s bis in die Siebzigerjahre tätig. Der Spiegel ortet ihn 1950 bei den Bremer Nachrichten, wo er 1951 nur knapp einem Bombenattentat entkommen ist.

ſ) [ Einsprungadresse hierher: http://j.mp/2UEKlqX
   = https://blogabissl.blogspot.com/2016/03/die-dichter-des-krieges.html#Raim  ]

Im Januar 2019 erschien von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (»schönen« groß!) »Edith Raim: Ein Bericht über eine Akademie«. Sabine Raithmaier berichtete darüber am 25.1.2019 in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel »Verbitterte, alte Männer«.
   Hier ein Auszug aus Raims »Bericht«, der dessen Tenor zeigt:

Man kann das so sehen, besonders als Nachgeborene, gnadenlos die Zeit beurteilend aber nicht mitfühlend, nichts verstehend. Dankt man »gerade« so einen Schluss weiter, so wird man in zwanzig Jahren Angela Merkel für das Unrechtregime der DDR und seine Verbrechen mitverantwortlich machen, weil sie dort gelebt hat. Wieso »gerade das Funktionieren des einzelnen die Diktatur stabilisiert« und deren ärgsten Verbrechen »letzendlich den Weg ebnet« ist für mich eine arrogante Folgerung einer friedensverwöhnten Generation. (Sprachlich liegt, wie so oft, die Gemeinheit in den Eigenschaftswörtern.)
   So hat speziell Britting, der Unpolitische, sein bescheidenes, »dichtes« Leben geführt damals. Seinem nach London emigrierten jüdischen Freund Alex Wetzlar hat er die Treue gehalten und dessen in München verbliebene Restfamilie unterstützt. Nichts davon bei Frau Rahm, stattdessen summarische Klassifizierung. (Siehe Harald Grills Rundfunkreportage vom 26.12.2015.)
   Frau Dr. Raim ist erwartungsgemäß kritisch – siehe hier ganz oben. Sie wirft Georg Britting generell vor, dass er zu den »Mitläufern, Opportunistn und Profiteuren« gehört, die damals nicht nicht schreiben konnten, durften, emigiert waren usw. Konkret: »Georg Britting ([1] 1935 Ehrung mit dem Literaturpreis der ›Hauptstadt der Bewegung‹, [2] Teilnahme an der Propaganda-Veranstaltung der Dichter des Krieges in Berlin 1936, von der aus der Reichskriegsopferführer ein Gelöbnis-Telegramm an Hitler sandte, [3] Beiträge zur ›Münchener Feldpost‹ der NSDAP-Gauleitung München-Oberbayern)«.
   Diesen Anwürfen bin ich nachgegangen.
[1] 1935 Ehrung mit dem Literaturpreis der »Hauptstadt der Bewegung«. Die Ehrung selbst besagt nicht, dass Britting ein Nazi gewesen wäre, er wurde vermutlich als prominenter Heimatdichter empfunden und geehrt, oben mehr. Außerdem: Hätte er die Ehrung ablehnen können? Man kann’s auch so schreiben: »1920 freier Schriftsteller in München, 1935 Dichterpreis der Landeshauptstadt M. 1951 Albertus-Magnus-Medaille von R.; 1953 Immermannspreis der Stadt Düsseldorf; 1961 Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen«.
[2] Das Kriegsdichtertreffen, großteils und namentlich “Fake News”: Brittings Teilnahme geht meiner Recherche nach ursprünglich nur aus einer NS-Pressemitteilung hervor; ob das Telegramm den Teilnehmern bekannt war und überhaupt abgeschickt wurde, ist ebenso fraglich. Siehe dazu alles Obige.
[3] Beiträge zur »Münchner Feldpost«. Da müsste man einzeln dort nach seinen Beiträgen suchen.
 Ich fand diesen Kommentar zu Karl Valentins Beiträgen dort und erlaube mir aus Monika Dimpfls Valentin-Biografie zu zitieren:
Auf einer Liste seiner [Karl Valentins] »Filmeinkommen« notierte Valentin 19.411.000 Mark für den »Tobisfilm« und 19.423.000 für die Spar-Filme. Das waren die letzten Filmhonorare. Bei Wiederaufführungen seiner Filme – wie etwa 1941 im Museum-Kino an der lsar – war er finanziell wohl kaum beteiligt. Weitere Honorare erhielt er – immer seltener – vom Rundfunk; zusätzliche Einkünfte brachte eventuell sein Lichtbilder-Verleih, vielleicht auch die Verpachtung der Ritterspelunke bis Mitte 1942 und der Verkauf des Panoptikums. Außerdem nahmen Zeitungen oder Zeitschriften kleine Beiträge von ihm an. In einer Beilage zum Entnazifizierungsbogen bezifferte er selbst sein Einkommen zwischen 1941 und 1944 auf 800 Mark im Jahr. Gemeint sind die 75 Mark im Monat, die er für einen Artikel in der ›Münchner Feldpost – Heimatblätter für die Frontsoldaten des Gaues München-Oberbayern‹ erhielt. »Ein Deutscher Strassenkehrer verdient monatlich 175 RM. – Kommentar überflüssig«, bemerkte er dazu rückblickend in ernem Brief an Wilhelm Hausenstein vom 26. Januar 1946. Ab Februar 1942 verfasste Valentin sogenannte ›Feldpostbriefe‹ für diese Wochenhefte, in denen neben politischer Hetze, Durchhalteparolen und Soldatenhumor auch Beiträge namhafter Autoren, etwa von Georg Britting, Eugen Ruth, Ina Seidel, Wastl Fanderl, Karl Ude oder eben Kararl Valentin erschienen. Franziska Bilek lieferte Zeichnungen und illustrierte auch Valentins ›Feldpostbriefe‹. Dazu Michael Schulte: »Valentins Beiträge sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: einerseits bewies er Mut, diese Arbeiten, in denen er aus seiner pazifistischen Gesinnung nicht den geringsten Hehl machte, überhaupt einzusenden, andrerseits ist es [in der] Materialiensammlung von Erwin Münz abgedruckt, dazu einige Manuskriptseiten für – nicht nachweisbare – Geburtstagssendungen beim Reichssender München, ferner Valentins – unvollständig erhaltene – Auflistung aller Gratulanten mit Adolf Hitler an erster Stelle.
   Die gelbe Hervorhebung von mir, Fritz Jörn. Wie gesagt, man müsste sich ansehen, was genau von Britting in der Feldpost veröffentlicht worden war.

• Siehe auch https://blogabissl.blogspot.com/2018/04/georg-britting-nazi.html
   Hier noch ein paar mir neue Links zu Britting:
»Wir leben im Maul des Drachen ...«, 26.12.2015, Bayern 2 (mit der Wertzlar-Geschichte)
• Ein guter Nachruf: https://www.zeit.de/1964/19/zum-tode-von-georg-britting/komplettansicht
• »Britting, der bereits 1919 lapidar formuliert hatte ›Im tiefsten Grund meines Herzens ist mir Politik sauwurst‹, …« – lesenswerte Gedanken von Erich Jooß
https://swrmediathek.de/player.htm?show=cb5e0c10-a228-11e8-b070-005056a12b4c
»Der bayrische Dichter Georg Britting war in München Mittelpunkt eines Kreises von Schriftstellern, deren Werk er zum Teil stark beeinflusste. Britting hatte den Ersten Weltkrieg als Trauma erlebt, das ihn sein Leben lang prägte. In seinen Texten wollte er mit Politik nichts zu tun haben und schrieb viele bedeutende Naturgedichte. Besonders bekannt wurde seine Reihe von ›Regenliedern‹.«

Letzte Überarbeitung 17.3.2019, 29.4.2021

 Direkter Link hierher: http://j.mp/2UE2yF0
   = https://blogabissl.blogspot.com/2016/03/die-dichter-des-krieges.html 

PS. Ende April 2019. Rückblick und Zusammenfassung

   Liebe Freunde,
ihr wisst, dass ich mich lange mit der Frage beschäftigt habe, was denn der Dichter Georg Britting im Dritten Reich gemacht hat, ob er ein Nazi war? Bei meiner Recherche habe ich versucht, mich in die Zeit hineinzuversetzen, und habe dazu unendlich viel im Internet und in der Bonner Universitätsbücherei recherchiert. Denn da gibt und gab es den Anwurf eines Rundfunk-Ressortleiters vom Hessischen Rundfunk, Britting hätte ein »ambivalentes« Verhältnis gehabt zu den Nazis. Ist in der Wikipedia nachzulesen. Allein das Wort »ambivalent« finde ich schon unanständig, weil es andeutet, aber die Aussage wie üble Nachrede im Konjunktiv belässt. Aber bitte. Ein paar Dummheiten, etwa dass Britting ein Telegramm an Hitler »unterschrieben« habe, bekam ich weg. Dass die Telegrammgeschichte reine Propaganda der Reichsschrifttumskammer war, Fake News, konnte ich leider nicht belegen, schon, weil es dieses Telegramm m.E. nie wirklich gegeben hat. Nichts lässt sich nicht nachweisen. Dazu werden Britting Veröffentlichungen in einer deutschen Besatzungszeitung in Krakau vorgeworfen, Gedichte dort, die vielleicht mit Heimatliebe zu tun haben, mit Weinseligkeit, einfach nur gut und humorig waren, nicht aber mit nationalsozialistischer Gesinnung.
   Wie auch immer. Jedesmal, wenn ich von dagebliebenen Schriftstellern lese, werde ich hellhörig. Heute las ich von Ernst Jandl über Hermann Stresau in der NZZ (https://www.nzz.ch/feuilleton/hermann-stresau-leistete-im-tagebuch-widerstand-gegen-die-nazis-ld.1611528 ) Ich erlaube mir, einen kurzen Absatz zu zitieren:

Dass versucht wird, aus dem Völkischen so etwas wie Substanz zu destillieren, ist für jemanden, der an die Substanz des Geistigen glaubt, eine weitere Zumutung. Ganz genau beschreibt Hermann Stresau, wie selbst die Auflehnung in Unterwerfung umschlägt: «In der so gänzlich machtlosen Auflehnung, machtlos, da sie ja nicht einmal laut werden darf, äussert sich so viel unfreiwillige Unterwerfung unter eine Macht, die kraft ihres unsichtbaren Terrors ohne Zweifel die stärkere ist. Denn sie ruht auf den Massen, die Auflehnung nur auf Einzelnen, und es mögen der Letzteren noch so viele sein: Sie bilden eben keine Masse.»

Ende Zitat Jandl bezw Stresau. Stresau, wohl eher kommnikativ doch allein in seinem Dorf bei Berlin lebend, lässt sich nicht vergleichen mit Britting, dem Großgewachsenen, aber Kriegsversehrten, Traumatisierten, dem geselligen weinaffinen Genießer (und Hungerleider?) in der Münchner Innenstadt. München ist weit weg von Berlin, heute wieder. Überall war in den späten Dreißigerjahren bald klar, dass man als Jude todgeweiht war. Ganz wenige Ausnahmen mag es gegeben haben, etwa Kurt Herzstark, Konstrukteur der je feinsten mechanischen Rechenmaschine. Über Herzstark habe ich 1989 geschrieben (http://joern.de/FAZHerzstarkk.pdf). Er konstruierte um sein Leben im KZ. Doch das betrifft weder Stresau noch Britting noch etwa Kästner. Anderen gings wie Hans Rosenberg in Bad Godesberg.
    Etwa nach der Jahrtausendwende fing unsere Welt an, moralisch mit modernen Waagen abzuwiegen, einfach von heute aus jeden zu zurückzumoralisieren, Werke und Straßennamen nach der Gesinnung des Autors zu beurteilen. Dazu mehr Unverständliches, woke, und zwischen x Geschlechtern zu differenzieren.
 Mich aber treibt immer noch die Frage um: Unsere Vorfahren waren doch nicht generell schlechter oder besser als wir. Wie hätten denn wir gelebt damals? Wie stand »das Individuum« dem Reich gegenüber? Hatte es eine Chance, etwas zu ändern? Wir machen doch die Ostdeutschen unter uns auch (noch) nicht zu Kommunisten, Mauerschützen und Stalinisten-Leninisten.
   Wir weisen Bonner Putzfrauen nach Südamerika aus, die hier dreißig Jahre unauffällig fleißig unseren Dreck weggemacht haben, ein himmelschreiendes Unrecht, aber halt gesetzlich (und teuer). Aktuell kriegen wir die Impfreihenfolge nicht geändert, die Impferei primär in die Praxen, die Behörden weg von ihrer Untüchtigkeit, um es milde zu sagen. Den Datenschutz raus aus der jetzt so nutzlosen App (»Datenschutz tötet«)? Genug: Wie’s heute ist, erlebe ich, und schäme mich, damals aber, ab 1938 waren nicht alle Nazis, selbst, wenn sie hier gelebt haben, oder hier im Krieg waren, sich durchbrachten oder flohen, wenn sie konnten. (Mich stört schon, wenn die Wehrmacht unisono als »Nazis« bezeichnet wird, von Deutschen …)

Audiatur et altera pars – tempumque – oder liege ich da falsch?