In Brünn bin ich geboren, vor langer, langer Zeit: 1941. Mein seliger Großvater
Anton Hödl hatte dort eine bedeutende Stellung gehabt, und meine Mutter
Marianne lebte dort. In seinen Memoiren schreibt Großvater:
Noch eine andere Erinnerung, verbunden mit dem Andenken an »Vater Fritz«, wie wir ihn heute zum Unterschied zu seinem Sohn [mich, fj] nennen. Kiritein war ein Dorf nahe von Brünn [knapp 20 km nördlich, siehe Landkarte, heute Křitiny, östlich Adamsthal gleich Adamov. fj], in wunderschönen Wäldern gelegen. Familie Bittner hatte dort viele Jahre lang eine Sommerwohnung, sodaß wir schon im Frieden bei Sonntagsausflügen, zu Bridgepartien usw. oft nach Kiritein gekommen waren. Nun sollte dort eine der schönsten Villen, einem Juden gehörend, zur »Arisierung« kommen. Ich erwarb sie auf den Namen meines Schwiegersohnes, wissend, daß er nach Kriegsende ein Besitzrecht niemals geltend machen würde. Und dorthin verlegten wir den Wohnsitz des kleinen Fritz, als der Aufenthalt im bombardierten Brünn immer ungemütlicher wurde. Da hatte er seine Juliška, ein tschechisches Mädchen, das ihn herzlich betreute – und noch heute behauptet Mariann, meine Frau, daß er darum zuerst tschechische Worte plapperte.
| Mein Vater zieht mich im Schnee in Kiritein |
Das Geschick unser Mariandl wurde auch mit den Soldaten verbunden. Der
Kommandeur der im März 1939 nach Brünn eingerückten Truppen, Oberst ...
hatte einen besonders sympathischen Adjutanten, den Leutnant Jörn. Der
machte bei den »prominenten« Familien Antrittsbesuche, kam zu uns und
eroberte Mariandl. Das einzige Kind dieser Ehe ist unser Fritz [also ich, fj].
Unser Schwiegersohn Fritz hatte als Infanterieoffizier ein Leben in
steter Gefahr. Ein- oder zweimal kam er verwundet nachhause, ging immer
wieder hinaus und fiel bei der verunglückten Ardennen-Gegenoffensive im
Dezember 1944 [im Hürtgenwald, siehe https://blogabissl.blogspot.com/2017/11/dann-kam-mit-all-seiner.html ].
Ein kleines Zwischenspiel, das mit seinem Namen verknüpft
ist: Als die Lage auf dem russischen Kriegsschauplatz brenzlig wurde,
suchte ich einen Fluchtort, wo sich die ganze Familie bei einem
schlimmen Ausgang treffen könnte. Der intensiven und sehr herzlichen
Aufforderung von Irene, Marianns Schwester, verdanke ich, daß ich mich
auf Kitzbühel, »Haus Michael«, festlegte. Und nun mußten möglichst viele
Möbel, Hausrat und dergleichen dorthin abtransportiert werden. Durch
»Führerbefehl« war aber allen prominenten Deutschen im Protektorat
Böhmen und Mähren, vor allem Industriellen, strengstens verboten, ihr
Hab und Gut nach Gebieten außerhalb des Protektorates zu verlegen. Ich
tat’s aber doch, packte zwei große Möbelwagen und sandte sie nach
Kitzbühel, wo Iren deren mit Mühe ausgepackten Inhalt im verwunschenen
Schloß Münichau beim Schwarzsee unterbrachte. Was kommen mußte, kam: Ich
wurde zur Geheimen Staatspolizei, zur berühmten Gestapo, vorgeladen.
Ein SS-Funktionär, der natürlich in diesem Moment unsere persönliche
Bekanntschaft vergessen hatte, lud mich mit eisiger Miene ein, Platz zu
nehmen. Er: »Haben Sie zwei Möbelwagen nach Kitzbühel gesendet?« Ich:
»Ja.« Er: »Ist Ihnen der Führerbefehl bekannt, wonach solche Sendungen
verboten sind?« Ich: »Ja«. Er: »Und wie konnten Sie es doch wagen?«, ich: »Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus. Nicht ich, sondern
mein Schwiegersohn, Hauptmann Friedrich Wilhelm Jörn, hat das
Heiratsgut seiner Frau verschickt, was sein gutes Recht ist!« Er steht
auf, sichtlich erleichtert, hat unsere private Bekanntschaft wieder
entdeckt, reicht mir über den Schreibtisch lächelnd die Hand:
»Großartig!« ... Heute wohnen Mariandl und wir zu einem guten Teil in den
damals nach Schloß Münichau geretteten Möbeln.
Soviel aus Großvaters Memoiren. Wie die Großeltern am 17. April 1945 aus Brünn flohen, das können Sie im Kapitel der Zusammenbruch weiterlesen. Auch wie wir später nach Bozen kamen. Übrigens: Die alte österreichische Staatsbürgerschaft hatten wir uns wohl erschwindeln müssen, weil Österreich die geflohenen Sudetendeutschen, die Böhmen und Mährer staatenlos und ohne Arbeitserlaubnis hielten. Das hat mir ein Verwandter erzählt, der deshalb von Linz nach Südafrika auswanderte, siehe http://www.joern.de/Paul.pdf .
Nun aber zu Brünn als Geburtsort. Auf allen meinen deutschen und österreichischen Pässen und Ausweisen ist natürlich mein Geburtsort angegeben: Brünn – und sonst nichts! Wäre es zum Beispiel Kiritein gewesen, Krumlau oder Mährisch Ostrau oder Prag, ich wette, jeder Standesbeamte hätte mir Tschechien dazugeschrieben, ČSR oder dergleichen. Als ich hier in Bonn die Beamtin fragte, die mir den neuen Ausweis ausgehändigt hatte, ob sie denn wisse, wo Brünn liegt, so tippte sie wohl wegen meinem Dialekt auf Oberbayern, so in der Gegend von Berchtesgaden.
Ja, das bayrische Brünn! Was sagt eigentlich die KI dazu? Das: »"Bayrisches
Brünn" kann sich auf die tschechische Stadt Brünn, Bmo [sic!, BMO, wohl Lesefehler der KI] (die ehemalige
deutschsprachige Bevölkerung sprach es als "Brünn" an*) beziehen oder auf
den bayerischen Ort Brünn bei Ebern in Unterfranken, einen Ortsteil von
Ebern. Der
Begriff "Bayrisches" könnte auch auf die bairischen Dialekte anspielen,
die zur Bildung der lokalen Brünner Umgangssprache Hantec beitrugen,
oder auf historische Verträge, die Bayern betrafen und in Brünn
geschlossen wurden.« – Hantec ist scheint’s eine lokale Sprache, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Hantec .
| Das ist die Villa in Kiritein. Meine allererste, einzige Erinnerung ist das runde Fenster hoch oben über meinem Bettchen. |
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| Kiritein 1941 |
*) Ungeschickter, gewundener als diese KI kann man das micht schreiben. Brünn war damals, wie heute vielleicht Brixen, zweisprachig. Und wenn auch nicht: Brünn ist der deutsche Name für Brünn, wie Rom für Rom oder Mailand für Mailand. Mein Prinzip: Sprache richte sich nach dem Leser, was er am besten versteht. Da darf mir ein Italiener italienisch gerne von Monaco di Baviera sprechen oder von Cornovaglia in Inghilterra (siehe http://www.joern.de/tipsn69.htm ).

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