25. November 2024

Volkstrauer am Christkönigstag

Gestern am Sonntag – dem letzten im November – bin ich gefühlsmäßig mit dem Paternoster durch den Keller gefahren. Das kennen Sie vermutlich nicht. Paternoster gibt’s nicht mehr; das letzte Mal fuhr ich Paternoster im Kadewe.
   Als braver Katholik ging ich vormittags zur Messe. Sie war sehr feierlich, mit vielen kleinen Ministranten und einer extra Sängerin zur Orgel, geklingelt haben sie aber nicht. Ein König soll herrlich sein, omnipotent, und dann möglichst unsere Gebetswünsche erfüllen. Das tut er aber nicht, wie wir spätestens seit dem Holocaust wissen. Ich bete deshalb nur für innere Geschenisse, weniger Hass und Zorn, Anstand, Höflichkeit, einfach bürgerliche Tugenden. Selbst Politiker sollten mit ihren Kollegen respektvoll und anständig umgehen, weil die Würde des Menschen auch für sie gilt.  Innerlich kam mir Gott am Christkönigssonntag vor wie ein riesiger in Stein gemeißelter Pharao: Lange schon da, mächtig und groß, aber allezeit unbeweglich. Das kann nicht stimmen, denn es geht um Christus, nicht um Gottvater oder gar den Heiligen Geist.
   Nach der Messe gab es unter der Empore einen kleinen Stehempfang. Ich schätze das. Man kann ein wenig reden, was ich stets zu viel tue. Jüngst blieb mir das »Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund« hängen. Was das wohl für ein Wort sein könnte, dachte ich? »So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« oder wie früher « ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti » sind vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche, doch in einem Wort nicht zu haben. Eine Kurzform könnte « te absolvo » sein, und in einem Wort « absolvoti » : Italienisch macht’s möglich.
   Danach ging leider niemand mit mir zum »Punjab«-Pakistani, wo sie mich schon kennen für eine Suppe mit heißem Fladenbrot und Tee danach. Das mag an mir liegen, sei’s drum. Ich musste etwas Zeit »totschlagen« und erst um drei am Nordfriedhof sein. »Begehen Sie mit uns diesen Tag für ein friedlichere Zukunft – ›Gemeinsam für den Frieden‹. 17. November 2024 Beginn: 15 Uhr«, hatte es geheißen.

Hingekommen bin ich etwas ungeschickt, habe mich dann aber daran erinnert, schon einmal dabei gewesen zu sein. Ich war natürlich zu spät. Es war ordentlich feierlich, zwei echte Flammen, viele Fahnen, und ein Redner, der seine Rede gut machte, sogar zahlreiche alte Landstriche erwähnte, nicht nur Schlesien und Ostpreußen, selbst Bessarabien und Böhmen und Mähren (wo ich geboren bin). Eine alte Frau, wie ich mit Rollator, war von ihrer Tochter mit dem Auto hingebracht worden, nicht begleitet …
   Ich dachte: Jeder für sich. Trauer ist gemeinsam nicht fröhlicher. Ich hab’s nicht so mit dem Unterhakeln, mit Menschenketten, gemeinsamen Skandieren, öffentlichem Zeigen. (Eben, Monrag Abend, zog ein Häufchen Schüler trommelnd unter meinem Fenster vorbei. Hammer und Sichel auf einer roten Fahne. Das darf wohl gezeigt werden, ein Hakenkreuz gottlob nicht …) Gedenkt man, geht man in sich – man verzeihe mir die Verallgemeinerung! – dann ist das eigen, solo, suum cuique, nicht eine gemeinsame Willensäußerung, angeleitet womöglich noch von einem Möchtegernpopulisten. Den langen Augenblick eigener Trauer sollte man sich nicht nehmen lassen.


   

(Drehen kann ich Videos nicht … )

Permalink hierher

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Siehe auch
  
http://blogabissl.blogspot.com/2016/01/warum-konnten-sie-1944-nicht-aufhoren.html
   https://blogabissl.blogspot.com/2017/11/dann-kam-mit-all-seiner.html


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