Schon im vorigen Jahr blieb unsere Kirche kalt. Weg waren die schön warmen Auflüfte aus Gittern im Mittelgang, die den mittelälterlichen Gläubigen so erfreulich an Marilyn Monroe auf dem Bahnsteig nach Florida erinnerten, heimlich. Da gibt’s keine Dampfstöße. Es ist und bleibt überall gleich kalt.
Heuer genauso, nur dass die Außentemperaturen bis auf zweistellige Minusgrade absanken. Da war es dann innen in der Kirche nur mehr vier Grad Celsius warm oder kalt, oder »frisch«, wie’s ein einsamer Zugereister aus den Alpen meinte*). Gelegentlich entsponnen sich Gespäche über die Unmöglichkeit, eine hohe Kirche zu heizen; die Wärme gehe hinauf zu Gott und bleibt dort.
Letzten Sonntag, am vierten Adventssontag, zeigte sich ein Wunder, glühend rot. In den vorderen Reihen, links und rechts, waren geschickt acht Heizstrahler mit je einer Schraubklemme angebracht. Willkommen strahlten sie wohlige Wärme. Die kleine Gemeinde rückte alsbald vorn zusammen. Ein junge Familie saß in der ersten Reihe links; Baby genoss (selten verlautet) die gute Stimmung der Eltern und die die profanen Strahlen auf Brusthöhe. Das Bild zeigt das gelungene Zusammenwirken von Neugotik und neuen Strahlern.
Vorne der Zelebrant hatte es nicht so gut. Entsprechend zügig verlief die Messe, zuweilen ein Meisterwerk schnellen Sprechens wie bei den Fußballreportagen.
Hernach gab’s noch geselliges Heißgetränketrinken in der benachbarten katholischen Leihbücherei, die extra aufgemacht hatte. Eine willkommene Zugabe zum Aufwärmen.
Ein besorgter Kirchenvorstand hatte diese Strahler noch am Samstag besorgt. Gerade jetzt ist dergleichen leicht ausverkauft. Das Gespräch wandte sich der allgemeinen Kirchenkälte zu, und was da die Oberen in Köln so vorgeschrieben hatten. Gerüchte kamen auf, welche Kirchen dennoch geheizt seien, in Köln und sogar in Bonn, hier aber eher in der ruhmreichen Innenstadt als in der armen Altstadt, zu der unsere schöne Stiftskirche zählt. Die Kirche soll demnächst umgebaut werden zu Büros und einer Mensa; nichts Genaues weiß man nicht. Die Gläubigen sollen dann die fertigen Pläne vorgestellt bekommen.
Zwischen den Gesprächen stellte sich heraus, dass sich der Kirchenvorstand geeinigt hat, um Gottes lieber Natur willen nicht zu heizen. Das sei der Grund.
Man muss wissen, dass die Stiftskirche am südlichen Innenstadtende der Altstadt-Pfarrei Sankt Petrus liegt und – meiner bescheidenen Meinung nach – hier als letztes Rad am Wagen rollt. Zu den letzten Kirchengemeinderatswahlen hat sich niemand »aus unserem Süden« gemeldet, und jetzt haben wir den Salat. Wir sollen wegrationalisiert werden. – Bitte, das ist sehr gerüchtweise. Mit sehr meine ich sehr wohl möglich. Für mich ist »der Stift« eine schöne neugotische Kirche, geschlossen dastehend, mit einer wertvollen und sehr schönen gotischen Maria mit Kind hinter Glas. Die Stiftskirche ist mir Heimat geworden hier – das aber ist eine langjährige Geschichte, die nicht hierher gehört, höchstens im Sommer.
Dass nun eine Kirche aus ideologischen Gründen den CO2-Ausstoß verringern will, und die Gläubigen dafür frieren lässt, oft Alte und Dünne, dass sie Decken austeilt und (musterhaft) Heizstraler aufbaut, das finde ich unerhört – im direkten Sinn des Wortes. Entweder ist die Umweltdiskussion a- eine Verlegenheitslüge, oder b- das Sparen einfach so von oben angeordnet, und oder c- Sparsamkeit am falschen Fleck, nämlich einem, dem einzigen Ort, wo überhaupt noch Gläubige hinkommen.
Alkoholfreier Punsch kann das nicht wettmachen, der nach der Sonntagsmesse. Sorry, meine Meinung.
Bleiben Sie gesund, halten Sie Ihre Atemwege warm, und beten Sie still für das Heil der alleinseligmachenden Kirche. Die Hoffnung heizt zuletzt.
PS. am letzten Tag des Kalenderjahres, 31.12.2022. In der Kirche weiter kalt. Beim Verlassen schlägt einen laue Badezimmerwärme entgegen, 18 °C. Jemand hätte oben die Fenster aufmachen müssen. Nur der Herrgott kann die Winde wenden.
––––– · –––––
Permalink hierher: https://blogabissl.blogspot.com/2022/12/kalte-kirche.html
*) Ein Belüftungsfachmann verriet mir im Gespräch, dass Kühe bei +4°C am meisten Milch geben. Man solle Ställe kühlen und die Milchmenge verfolgen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen