1 Ansaugen des brennbaren Gemisches 2 Verdichten und Zünden 3 Arbeiten, »Exposion«, Ausdehnung 4 Rauch Ausstoßen Gifs aus der Wikipedia |
Links: Das ist, wie jeder aus der Fahrschule weiß, das Modell eines Viertaktmotors.
»Der Österreicher Christian Reithmann hatte am 26. Oktober 1860 mehrere Patente auf einen Viertaktmotor erhalten«, ein Uhrmacher, schreibt die Wikipedia, aus der auch das Diagramm ist.
Und rechts? Hier dreht sich ein moderner Elektromotor, ebenfalls in der Wikipedia.
Dieser »Synchronmotor« läuft mit Drehstrom, wie er aus der Steckdose kommt. Doch schon die Erklärung ist nur etwas für Fachleute: »Ein Synchronmotor ist eine Einphasen- oder Drehstrom-Synchronmaschine im Motorbetrieb, bei der ein konstant magnetisierter Läufer (Rotor) synchron von einem bewegten magnetischen Drehfeld im Stator mitgenommen wird.« – Verstehen Sie das? Ich weiß, die Wikipedia ist gerne hochgestochen. Hier versucht sie versucht nicht einmal, das blaue Fähnchen im Bild zu erklären. Also was sieht man da? Als Laie: nichts! Ich auch nicht, bin allerdings nur »Nachrichtentechniker«(1).
Reales
Gas aus Benzin, Auspuffgase eines Verbrennungsmotors, die kann man wenigstens noch sehen, sogar riechen, »schmecken«. Da ist Substanz. Aber elektromagnetische Felder? Die sieht man nicht, und spüren tut man sie erst recht nicht, jedenfalls nicht normalerweise.
Wir haben keinen Kompass im Kopf. Für elektromagnetische »Wellen« oder »Strahlen« haben wir kein Sinnesorgan. Diese Strahlen (gleich Wellen) schäumen nicht wie Wellen im Meer, sie wämen nicht wie Sonnenstrahlen – außer vielleicht in der Mikrowelle. Weshalb jetzt die halbe Menschheit Angst vor Handymasten hat.
Dennoch: Knallendes Gas unter der Motorhaube und drehende Motoren im Staubsauger sind unbestritten, sind Wirklichkeit, Realität. Sie be-»wirken« was (oder laufen im Leerlauf). Das sieht man. Und notfalls zeigt sich die menschliche Macht der Abstraktion, des Denkens, der Theoriebildung, höherer Mathematik vielleicht am Physiklehrer.
Für den Elektrotechniker sind elektromagnetische Felder genauso real wie Auspuffgase. Die Ausbreitung von Wellen in metallischen Hohlleitern – mathematisch fürchterlich kompliziert – lässt sich punktgenau berechnen. Man kann sie vorhersagen und messen. Im Automotor dagegen wirbelt Gas in den Zylindern herum, im Einzelnen unberechenbar wie ein Tiefdruckgebiet über Norddeutschland. Egal. Technik, Naturwissenschaft sind Fakten.
Irreales
Auftritt des homo sapiens, des Menschen. Er will lernen, über die Natur hinaus. Weil das Denken soviel Freude macht, hat die Wissenschaft angefangen, freilaufend weiter und weiter und weiter zu denken, zu imaginieren, zu forschen, zu spintisieren – gelegentlich sogar einfach nur zu glauben, wie an die Himmelfahrt Mariæ. Ich finde das gut und schön, ich mache da voll mit, sonst hätte ich das hier nicht geschrieben.
Platon hat sich, lange vor Christi Geburt, ein »Höhlengleichnis« ausgedacht. Es ist einfacher zu verstehen als der Elektromotor. Und doch ist es nur ein Gedankenexperiment. Es hat Wirkungen gehabt auf weitere Gedanken, auf Philosophie und Wissenschaft. Es wird gelehrt im Gymnasium. Das Höhlengleichnis ist eine phantastische Geschichte – aber es ist »nur« eine Vorstellung, ein Gleichnis, einen Gedanken, die Geschichte existent nicht in der Wirklichkeit, ist nicht real, und nicht denkbar ohne den Denkenden. Es ist Gedankenspiel, Philosophie.
Wissenschaft ist Denkerei – bloß oder meistens, heute
Denken macht uns soviel Spass. Unser Gehirn ist (relativ) so groß, dass Wissenschaft sich verselbständigt hat. Also gibt es »Naturwissenschaften« und »Geisteswissenschaften«, dazu neuerdings noch »Sozialwissenschaften« – im Wust der Gedanken bleibt diese Unterscheidung meist unberücksichtigt.
Man promoviert egal in welcher Wissenschaft durch eine »besonders vertiefte wissenschaftliche Arbeit« mit »einer selbstständig verfassten wissenschaftlichen Arbeit« (wieder laut Wikipedia). Ich will das nicht kleinreden: Aber das ist »einfach« nur noch mehr Denken, mehr von etwas, was real oder irreal sein kann, kausal oder empirisch, mit viel Literatur; Wissenschaft für Wissenschaft, ist Selbstbeschäftigung wie diese Gedanken hier.
Technik ist Wirklichkeit
Ich stelle mir dagegen vor, naturwissenschaftlich, man müsste zum Promovieren, zum Vorwärtsbewegen der Welt (nicht bloß zum Weiterdenken) ein Patent bekommen, etwas noch nicht Dagewesenes erfinden, einen wirklichen Schritt tun nach vorne, oder von mir aus auch seitwärts.
Das geht mir so, seit hier »Technologie« die althergebrachte »Technik« ersetzt hat, die ohne »Logie«, seit Grenzen verschwimmen zwischen Wirklichkeit und Gedankenwelt. Seit es einen »Nobelpreis« für Wirtschaftswissenschaften gibt, siehe hier. Geisteswissenschaften sind Meinungswissenschaften, Irrealwissenschaften.
Beispiele Wirtschaftswissenschaften, Psychologie
Ich schätze zum Beispiel Liberalismus, Friedrich Hayek . Doch wenn ich noch so sehr seiner Lehre anhänge, Fakten sind das nicht.
Schon als Internatsschüler war mir aufgefallen, dass man menschliche Verhaltensweisen kausal plausibilisieren konnte (z.B. Kränkung führt zu Trauer), allerdings auch genau gegenteilig (Kränkung bringt ein »jetzt erst recht!«). Nichts kann wahr sein, wenn auch das Gegenteil stimmt …
Übetriebene »Wissenschaftlichkeit« führt zu Leerlauf
Sturm der Entrüstung! Ich gestatte mir schnell einen Szenenwechsel.
In seinem Bestseller »Kollaps« macht sich Jared Diamond Gedanken, warum in der langen Geschichte der Menschheit – so in den letzten zehntausend Jahren – manche Gesellschaften überlebten, andere nicht. Am Ende sind es da immer die Einstellungen, die Gewohnheiten, Glaubensgrundsätze und Gedankengebilde, die Gesellschaften prosperieren lassen oder eben untergehen. Zwei Beispiele aus seinem Buch:
1. Die Osterinsel entvölkerte sich, nachdem verschiedene Stämme mit immer größeren Monumenten um die Gunst der Götter wetteiferten, und dazu alle Bäume auf der Insel aufbrauchten. Moderner gesagt (Quelle): »Es ist heftig umstritten, wo die Wurzeln für diesen Kulturverfall zu
suchen sind. Die Mehrzahl der Forscher geht jedoch heute davon aus, dass
die Probleme von den Insulanern selbst verursacht wurden. Populär ist
die von Jared Diamond publizierte These des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen, der zur Störung des ökologischen Gleichgewichtes auf der isolierten Insel geführt hat.«
Die Osterinsel heute. 360°-Panorama aus der Wikipedia |
2. Seit Menschengedenken leben Eskimos (Inuit) auf Grönland. Norweger aber verhungerten dort nach 450 Jahren Besiedlung, unter anderem, weil sie nicht fischen wollten. Sie verhungerten, so Diamond, »in Anwesenheit reichlicher, ungenutzter Nahrungsressourcen«.
Am Ende kann Spinnerei fatal sein
Was will ich damit sagen? Je mehr wir um Worte streiten, Gedanken tabuisieren, Unwichtiges (wie Cookies) thematisieren, real Wirkungsloses zu Dünnbrettern auswälzen, Luftschlösser illustrieren, uns verlassen auf andere, auf Beamten und ihre Staaten, auf völlig indirekte Demokratien, auf Meinungen von »Influencern«, Untätiger, kurz auf andere und nicht auf den eigenen Verstand und den eigenen Willen, desto wissenschaftlicher, desto schöner, desto politisch korrekter werden wir – dem Ende entgegengehen. Denken muss scharf sein. Reagieren rasch. Verantwortung Folgen haben.
Aktuelle Beispiele:
· Das Bevölkerungswachstum (besonders in Afrika) wird nicht thematisiert.
(siehe https://blogabissl.blogspot.com/2018/07/nzz-artikel.html#MasseMensch)
· Dem »Klimawandel« soll durch eine CO2-Steuer auf Benzin entgegengewirkt werden.
· Geoengineering wird tabuisiert
· Europa will »gentechnikfrei« bleiben; herkömmliche Züchtungen sind aber erlaubt.
Übrigens: Covid-Impfstoffe sind nicht »gentechnikrei« …
· Wir erbauen uns an »Solidarität«, statt rechtzeitig Impfstoff zu kaufen und einzusetzen.
· Den Staat lassen wir alleine machen, konkurrenzlos, obwohl wir in einer Marktwirtschaft leben.
· Gegen Meinungen wird demonstriert statt argumentiert (»Kampf gegen rechts«).
• NZZ-Artikel »Philosophieren heisst über die Grenzen des Denkens hinausgelangen: was Platon mit der modernen Physik verbindet« von Julia Hänni: https://www.nzz.ch/feuilleton/jens-halfwassen-was-platon-mit-der-modernen-physik-verbindet-ld.1600683. Die Zeichnung von Markus Maurer (1996) stammt aus dem Artikel.
• »Sind die Schlauen zu mächtig?« fragt Martin Beglinger in der NZZ und kommt auf das Buch zu sprechen “The Road to Somewhere” von David Goodhart, deutsch »Kopf, Hand, Herz. Das neue Ringen um Status«, Penguin Random House, München 2021. 400 Seiten, zwanzig Euro. Dabei erklärt Beglinger den Trend normaler Bürger – die somewhere brav vor sich hin arbeiten – zu heimlichem oder offenem Radikalismus, ja zum Aufstand gegen hippe Anywheres. Sogar von einen kuriosen Versuch im Schweizer Nationalrat 2015, »die Zahl der Studienplätze in der Geistes- und Sozialwissenschaften zu halbieren«, berichtet er. Ein handfester Artikel: https://www.nzz.ch/gesellschaft/sind-die-schlauen-zu-maechtig-ld.1603614 .
• Das Ende der Intellektuellen naht von Peter Kurer, hier: https://www.nzz.ch/feuilleton/intellektuelle-ihr-ende-naht-ld.1605123 . 1. Experten auf allen Medien, auch wenn sie nicht vom Fach sind, werden pausenlos gelesen, gesehen, talken und argumentieren. – Bei mir nicht, muss ich sagen. 2. Trends und Ideen florieren – schon besser. Kurer erwähnt den Disput der Griechen zwischen einer realistischen und einer idealistischen Weltsicht. Doch Experten haben Scheuklappen: »Experten denken weder in grossen normativen Entwürfen noch in
philosophischen Gesamtzusammenhängen. Sie fokussieren vielmehr auf
Gegebenheiten in der realen Welt und konzentrieren sich dabei auf ein
enges Fachgebiet wie ein Virus oder die Digitalisierung.« Und schließt: »Wir
sind kompetent, glauben an untrügliche Daten und kennen alle digitalen
Tricks. Gleichzeitig sehen wir die Zusammenhänge nicht mehr, fühlen uns
in der Deutungslosigkeit verloren, ängstigen uns permanent vor
irgendwelchen Risiken und werden zunehmend intolerant.
Auf dem Höhepunkt ihrer technischen Kompetenz hat sich, so scheint es, die Welt von der Aufklärung verabschiedet.«
• Lesen Sie dazu auch von Toni Stadler »Der Pyrrhussieg des Meinens über das Wissen« in der NZZ:
https://www.nzz.ch/meinung/der-pyrrhussieg-des-meinens-ueber-das-wissen-ld.1601018 . Er zitiert Kant: »Meinen ist ein mit Bewußtsein sowohl subjektiv, als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten.«
Permalink hierher http://j.mp/fj3b3xUyq
= https://blogabissl.blogspot.com/2021/02/wissen-un-wissenschaft.html
Fußnote 1.
Ich versuche den elektrischen Synchronmotor einmal zu erklären. Dazu muss man wissen, dass aus den heutigen Haushalts-Stromnetzen Wechselstrom kommt, Strom, dessen Spannung fünfzigmal in der Sekunde gleichmäßig von Plus nach Minus die Richtung wechselt, der Strom also hin- und hergeht. In ganz Europa von Norwegen bis in die Türkei haben wir sogar immer gleich drei solcher Wechselströme im Haus, die 360°/3 = 120° hintereinanderherlaufen (»Drehstrom«), siehe https://blogabissl.blogspot.com/2018/02/stromausgleich-im-netz.html. In den drei grau gezeichneten Spulen des Motorschemas oben laufen die drei Maxima also reihrum hintereinander her, hier gegen den Uhrzeigersinn. Der Innenteil des Motors versucht dann wie eine Kompassnadel ihnen nachzulaufen, immerzu. Ein Hase-und-Igel-Spiel mit drei Igeln. (Bei nur zweien könnte die Sach’ nach hinten losgehen.)
https://de.wikipedia.org/wiki/Synchronmaschine#Geschichte : »1887 entwickelten Friedrich August Haselwander und der US-Amerikaner Charles Schenk Bradley [beide Elektrotechniker] unabhängig voneinander den dreiphasigen Synchrongenerator.«