»Novum in der katholischen Kirche: Papst Franziskus hat 4.700 Bischöfe dazu aufgerufen, mit Gemeindemitgliedern über ihr Verständnis von Ehe und Familie zu sprechen.« – titelte zum Beispiel die Zeit-online hier. Die deutschen Bischöfe beeiten sich, die Sache als eher normal hinzustellen: »Eine Sprecherin der deutschen Bischofskonferenz sagte der Süddeutschen Zeitung, dass derartige Fragebögen regelmäßig vor Bischofssynoden verschickt würden. Ungewöhnlich sei jedoch, dass nun auch die Gemeinden antworten sollen.«
Franziskus’ Fragen stehen seit dem 5. November im Kapitel »III – Fragebogen« eines Vorbereitungsdokuments der Bischofssynode 2015, auf der »konkrete Leitlinien für die Pastoral [das heißt Seelsorge] der Einzelperson und der Familie gesucht werden« sollen, siehe (deutsch):
www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20131105_iii-assemblea-sinodo-vescovi_ge.html.
Die Fragen sind wirkliche Fragen und so recht eigentlich kein Fragebogen im Sinn einer allgemeinen Umfrage unter den Katholiken. Dazu mischen sich zu sehr Auskunftsfragen nach Fakten, etwa »5a: Gibt es in Ihrem Land eine zivile Gesetzgebung, die Verbindungen von Personen desselben Geschlechts anerkennt und damit in etwa der Ehe gleichstellt?«, mit persönlichen Meinungsnachfragen wie »7a: Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Gläubigen in Bezug auf die Lehre von Humanae vitae über die verantwortliche Elternschaft? ... «. Die ganze Fragerei ist gut gemeint, aber unprofessionell.
Entsprechend schießen nun Online-Fragebögen ins Kraut, je nach Gusto vereinfacht, verändert, aufs Sexuelle verengt oder halt je nach unvermeidlicher persönlicher Präferenz zurechtgebogen. »Eklat um Familien-Fragebogen der Schweizer Bischofskonferenz« schreibt zum Beispiel Kath.Net hier. Am Ende werden die (vermutlich im Einzelnen unveröffentlichten) Umfrageergebnisse nicht zusammenfassbar sein. Eine vergleichende Studie über die verschiedenen Fragebögen könnte sich lohnen. Ich lasse das, zitiere nur beispielhaft aus der genannten schweizer Kritik:
1. Nach kirchlichem Verständnis sind die eigentlichen Verantwortungsträger nicht die lokalen Bischofskonferenzen, sondern die einzelnen Ortsbischöfe. Inwieweit versuchen einzelne Akteure der Schweizer Bischofskonferenz, mit dem Familienfragebogen einen eigenen Kurs ohne Absprache mit den verantwortlichen Ortsbischöfen zu fahren?
2. Beinhaltet der SBK-Fragebogen theologische Vorentscheidungen, die von der vatikanischen Vorlage und ihrer ursprünglichen Intention abweichen? Falls ja: Wer hat die leitenden Interessen des Fragebogen sowie die Übernahme der Endfassung im Einzelnen zu verantworten?
– Soviel zur Kritik. Meine Kritik an der Kritik am Rande: ›Bein-Halten‹ ist ein blödes Wort! Man muss sich das mal vorstellen.
Sehr schön fasst ein Kommentator zusammen (Klaffer): »Im Originalfragebogen soll herausgefunden werden, wie die Lage ist, nicht wie der denkt, der die Fragen beantwortet.«
Monsignore Schumacher in seinem Münster (Quelle: KMBA/Matthias Curtius) |
»Der Papst will nicht eine persönliche Bewertung der Bischöfe allein, sondern er möchte auch wissen, was die Menschen denken und wie sie leben«, sagt Stadtdechant Msgr. Wilfried Schumacher. »Dazu haben wir die überwiegend in theologischer Fachsprache gehaltenen Fragen in eine verständlichere Form gebracht«, sagt die Vorsitzende des Katholikenrates, Schwester Margret von Haehling. »Geholfen hat uns dabei ein ähnlicher Versuch des Familienbundes Bayern, den wir freundlicherweise verwenden durften. Zu den Themen der Umfrage gehören die Familienpastoral, Erziehung, Lebensformen und Ehesituation. Die Synode möchte wissen, ob einerseits die kirchliche Lehre über die »Familie« die Menschen noch erreicht und wie sie auf die Veränderungen des Familienbildes im Kontext einer veränderten und ausdifferenzierten Gesellschaft reagieren kann. ... Aufgrund der Kürze der Rücklaufzeit, die das Erzbistum Köln vorgab, musste die Anzahl der Fragen reduziert und im Interesse einer schnellen Auswertbarkeit vorwiegend mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ausgestattet werden. ... Für Stadtdechant und Katholikenrat ist die Initiative des Papstes eine Bestätigung des Bonner Dialogprozesses »Auftrag Kirche in Bonn«, der im Februar 2012 startete. Deshalb wurden vier Fragen als »Bonner Anhang« hinzugefügt, um somit das Ergebnis auch in den Bonner Dialogprozess mit einfließen zu lassen.
Ich finde, die vier Bonner Fragen sind nicht gerade Bonn-relevant, etwa: »Im Blick auf das kirchliche Verständnis von
Sexualität, Ehe- und Familie: Welche Botschaften müsste die Kirche senden, um
überzeugend zu wirken?« (Falls der Bonner Fragebogen nicht mehr zur Verfügung steht, ich habe ihn für mich herauskopiert, allerdings nicht meine spontanen Antworten. – KathUmfrageBonn.doc) Ich könnte mich schon wieder ärgern um diese Umkehrung der Fragestellung. Nicht: Was empfehlen uns Gott und die Kirche, sondern: Was tät’ uns so passen?" – Na ja, ist ja auch interessant. Bekommen wir dann auch bald: Polygynie. (Wikipedia: »Das Auftreten von Polygynie korreliert mit politischen und ökonomischen
Systemen, in denen menschliche Ressourcen – und nicht Land oder Güter –
die wichtigsten Ressourcen darstellen.« – Passt!)
Die päpstliche Umfrage im Original:
http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20131105_iii-assemblea-sinodo-vescovi_ge.html
Bonner Umfrage: http://www.onlineumfragen.com/loginccfm?umfrage=47772
BDKJ-Umfrage: http://www.erzbistum-koeln.de/news/Erzbistum_beteiligt_sich_an_Papst-Umfrage/
Bayrische Umfrage: http://www.familienbund-bayern.de/37551.html
Grazer Umfrage: http://www.kath.net/news/43930 -- nicht am trendigen Titel Anstoß nehmen.
Mein erster Blog zum Thema: http://blogabissl.blogspot.com/2013/11/die-umfrage-des-papstes.html
Dieser Blog: http://blogabissl.blogspot.com/2013/12/katholische-fragebogen-schieen-ins-kraut.html
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