10. Dezember 2013

NZZ-Folio

Aus einer Buchbesprechung hier
Sonst lese ich Mickymaus, kleine alte Hefte, nachts wenn ich nicht schlafen kann. Inzwischen von 1930 »Race to Death Valley« in feinem, altmodischen Englisch! Notfalls unter der Bettdecke, weil wiederum meine Frau nicht schlafen kann, wenn ich Licht anmache. Heute*) musste sie um halb fünf aufstehen, um nach Hamburg zu fliegen. (Inzwischen ist sie dorthin unterwegs, in ihrem Auto allerdings, Stunden später, weil sich die Sicher­heits­kon­troll­eure ohne Vor­warnung einen »Warnstreik« haben einfallen lassen!)
   Ich angelte mir das neueste «Folio» der Neuen Zürcher Zeitung, das monatliche Beilage-Magazin, Nr. 257, Dezember 2012. Während sich Gisela fertigmachte, konnte ich Mittelformatiges lesen.
   Das Folio allerdings ist keine leichte Lektüre, keine bloß bunte Beilage, keine Fortführung der letzen Zeitungsseite mit weiteren unwichtigen, aber boulevardigen Geschichten. Das Folio fordert.
   Die bekannte Aufteilung, die auflockernden, jeweils wieder­keh­renden Rubriken, die kennt man schon und genießt sie von Mal zu Mal, fast von Mahl zu Mahl wie eine besonders typische Küche. Luca Turin, ein »Duftprofessor« (schauen Sie doch in der Wikipedia nach, wenn Sie mehr wissen wollen), glossiert inzwischen über mehr als Parfüm – diesmal über Rasierer unterschiedlicher Art. Wozu mir einfällt, dass ich jüngst wieder Eigenversuche gemacht habe: Bei Nassrasur liegt der Qualitätssprung zwischen einer und zwei Klingen, mehr sind dann wie PS-Protzerei im Stadtverkehr. Das Thema hatte ich schon.
   Das Folio zieht einen hinein. Das liegt an den Autoren. Sie nehmen ernst, was sie schreiben, selbst wenn sie’s brillant tun. Mensch ist hier Mensch, typischerweise tiefer als sonst in unserer europäischen Rühr-mich-nicht-an-Distanzierung. Mir war das in New York aufgefallen, bei »menschenoffenen« Einheimischen; für den »alpinen« Menschen nehme ich’s auch in Anspruch: über fünfzigprozentige Offenheit statt der stadtüblichen zirka zwanzig Prozent. Herz haben, und zeigen.
   »Technisch« hat mir das Margret Mellert, ebenfalls von der NZZ, beigebracht, vor vielen Jahren (1987–1990), als sie die wenigen Einsendungen von mir jedesmal korrigierte und kommentierte, besonders, wenn sie sie abwies. Schreib’ konkret! Schreib »ich«, wenn du dich meinst, nicht »man«. (Das »man« hab’ ich von der majestätischen FAZ.) Vor allem: feile, feile, feile! Ich bin dann wieder abgekommen von den NZZ-Sonntagsglossen, auf die ich mir viel eingebildet hatte, so lang hat mein seelisches Unglück nicht gehalten. Und ohne Druck geht’s nicht. Inzwischen kann man – pardon, ich – bloggen. Liest fast keiner.
   Das aktuelle Folio-Thema ist »Paare«. Schon die Einleitung von Anja Jardine ist gut und klar und tadellos geschrieben. Im Heft dann berichtet sie über einen »Liebhaber«, der ist aber nur »Sammler«, von Whiskys, von Stephen King, von Fotoapparaten und noch ein paar Spezialitäten. Zum Schluss lässt sie sich verführen von ihm zum Probieren von gleich drei schweizerischen Whiskys, und erklärt en passant stringent die Produktion. So mag ich’s. Dann eine längere Kurzgeschichte von ihr: »Bis später«, über ein Paar, das sich nach über fünfzig Jahren wieder traf und heiratete. Einfach saubere Arbeit, dafür mögen geneigte Leser Jardines journalistische Leistung ansehen. Mir aber greift’s ans Herz, und ich sehe die Kunst zwischen den Zeilen, die Kunst zu schreiben, wie ein Liebhaber beim Kopieren eines Gemäldes im Museum den alten Meister entdeckt.
   Weiter bin ich noch nicht. Muss auch weg, muss was tun, statt alles vor mir herzuschieben, … (*) und so erscheint dieser Blog ein Jahr verspätet. Müsste jetzt auch wieder weg, was Ordentliches tun.

Das Folio gibt es übrigens im Internet zu lesen, fast alles kostenlos. Doch wer kann, sollte sich ein richtiges Heft kaufen. Das liest sich besser.

Link zu diesem Blog: http://blogabissl.blogspot.com/2013/12/nzz-folio.html

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