14. März 2015

Betonung von Namen (dt., it.)

Im Dom zu Trient · Foto Jörn, 17. 8. 2010
Es war wieder einmal um
»Trento«
gegangen. Deutsche – auch Zeitschriften und Zeitungen, die’s besser wissen müssten – schreiben gern »Trento« statt »Trient«. Trento verstehen ja die meisten, und wissen dann: Das ist in Italien, modisch mediterran. Während das Konzil von Trient vermutlich irgendwo bei Traunstein verortet wird.
   Nun soll Lesen nicht in erster Linie den Leser Wort für Wort erziehen, sondern ihm rasch und leicht ver­ständ­lich sagen, was der Autor mitteilen will.
   Schon gar nicht ist Sprache dazu da, die Wünsche Dritter nach Wortwahl, Benennung, politischer Balance usw. zu erfüllen. Meine ich.
   Sprache ist Mitteilung.
   Also: Um Trient war’s mir gegangen. Und weil ich mir gern selbst mein Geschriebene vorlese, laut im Kopf, hab’ ich mich gefragt: Wie sagt man Trient, wie betont man’s? Definiert man ' als Zeichen, dass die nachfolgende Silbe betont werden soll, so sagen Südtiroler 'Trient, vorn betont, wie 'Triehent. Weiter-nördlich-Deutsche sagen Tri'ent. Tri'ennt.

Wie ist das mit der Betonung, im Wort? Fragen wir die Wikipedia: »In der deutschen Sprache liegt der Wortakzent oft auf der Stammsilbe [die den Sinn vermittelnde Silbe], welche häufig die erste Silbe eines Wortes (hinter den Präfixen) darstellt. Sprachtypologisch ist der Wortakzent im Deutschen aber frei, d. h. er kann auf jeder Silbe stehen; z. B. „er'lauben“, „'Urlaub“, „Schweine'rei“, „'Hühnerei“.« [Hervorhebungen durch mich.]
   Und wie ist das im Italienischen? Wikipedia schweigt. Frau Dr. Christine Kaschny beschäftigte sich 2011 in ihrer Doktorarbeit damit und schrieb auf Seite 4: »Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass im Italienischen der primäre Wortakzent normalerweise auf eine der letzten drei Silben fällt (z.B. li.ber.tà ›Freiheit‹, in.set.to ›Insekt‹, a.si.no ›Esel‹). Es sind jedoch auch Betonungen auf der viertletzten Silbe (z.B. de.si.de.ra.no ›sie wünschen‹), der fünftletzten Silbe (z.B. te.le.fo.na.me.lo ›Sag es mir am Telefon‹) oder sogar der sechstletzten Silbe möglich (z.B. te.le.fo.na.mi.ce.lo ›Sag es mir dort am Telefon‹).«
   Bei http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/gruwi.ansicht?v_typ=o&v_id=4844 ist das im Italienischen noch viel, viel komplizierter: »Der Wortakzent kann prinzipiell auf jede Silbe einer Wortform fallen, d. h. auf die letzte (oxytone Wörter), auf die vorletzte (paroxytone Wörter) sowie auf die drittletzte Silbe (proparoxytone Wörter), wobei paroxytone Wörter die größte Vor­kommens­häufig­keit aufweisen. In der Verbflexion (z.B. in der 3.Pl. des Präsens Indikativ) kann sogar die viertletzte Silbe akzentuiert werden (calcolano ›sie rechnen‹), und wenn man die in den romanischen Sprachen üblichen Klitisierung miteinbezieht, findet man Wortformen mit Akzentuierung auf der fünfletzten Silbe (portamicelobring es mir dorthin‹). – Nur in wenigen Fällen ist die Position des Akzentes bei Simplizia eingeschränkt. Bei Derivata ist die Akzentuierung durch die Affixe gesteuert (s. Akzentuierung der Simplizia und Derivata im Italienischen).«
   Ich versteh’ nur: Im Italienischen betont man eher weit hinten (und ärgere mich über schlechten Schreibstil).
   Suchen wir weiter.
   Ulrike Kaunzner schreibt das schöner (hier, Seite 5): »Das Italienische hat einen freien, d.h. nicht an eine bestimmte Silbe gebundenen Wortakzent, der, im Gegensatz zum Deutschen, auf die letzte bis fünftletzte Silbe fallen kann, was häufig von der grammatischen Funktion bestimmt wird. Innerhalb eines einzigen Wortes kann der Akzent seine Position je nach Flexion ändern: gano – pato – pa – patemelo – …
   Bei determinativen Zusammensetzungen (Nominalkomposita) trägt in der Regel das Bestimmungswort (Determinans) den Hauptakzent und das Grundwort (Determinatum) einen Nebenakzent, wenn es mindestens zweisilbig ist. Flexionssuffixe, Ableitungssuffixe oder Präfixe in nicht trennbaren Präfixverben können im Deutschen keinen Wortakzent tragen. Folglich sind Komposita in der Regel auf ihrem ersten Glied, dem Bestimmungswort, betont: Hausschuh, Lufthansa, Auseinandersetzung. So wird sich bei mehrgliedrigen Zusammensetzungen der Akzent immer nach dem Determinans richten, das tendenziell an erster Stelle steht (Waschanlage, Autowaschanlage).
   Auch im Italienischen haben die Nominalkomposita den Wortakzent auf dem Bestimmungswort. Diesbezügliche Betonungsfehler entstehen jedoch nicht zuletzt dadurch, dass im Deutschen das Determinans vor dem Determinatum steht, im Italienischen jedoch meist nachgestellt ist: Glücksbringer – portafortuna, Gepäckträger – portabagagli. Wenn italienischsprachige Deutschlerner den Wortakzent auf das Grundwort legen, dann hat das seine Ursache nicht zuletzt darin, dass das Akzentschema der Nominalkomposita der Muttersprache unbewusst wie eine Schablone übertragen wird (vgl. Canepari [1992]).«
   Was mich an die italienische Aussprache der deutschen Mikrowelle erinnert, betont auf Welle: Mikro'welle (à la microonda).
   Resultat: Auch hier wird immer eher hinten betont. 
   Übigens beschäftigt sich Frau Kaunzner auch mit dem Ton, dem Tonhöhenverlauf, sehr interessant.
   Im Internet werden sogar graphische Betonungsdiagramme geboten, hier etwa.
   Ich belasse es. Trient ist, wie Trento, nur zweisilbig, und nicht offensichtlich zusammengesetzt, außer man denkt an »Tridentum (›città dei tre denti‹)«. Die Kelten hatten es davor Trent genannt.

Im Deutschen werden lange Wörter eher weiter vorne betont, im Italienischen eher weiter hinten. Soweit, so gut.
   Das hilft uns bei Trient nicht weiter. Ich meine nach wie vor:
• Südtiroler betonen Trient vorne: 'Trient, wie 'Triehent.
• Weiter-nördlich-Deutsche sagen Tri'ent. Tri'ennt.
   Und:
Im Vergleich zu Trento ist Trient die ältere Bezeichnung, die schon die Kelten bezw. Räter gebrauchten: eine Furt.

Sichere Auflösung der Frage kam von Monika Obrist aus Bozen:
   »Südtiroler betonen Trient auf dem i, genauso wie sie Triest auf dem i betonen und nicht auf dem e. Das ist die altösterreichische Aussprache.« Danke!

Schloss Duino bei Triest
»Der Österreicher Rainer Maria Rilke schuf während seines Aufenthalts
von Oktober 1911 bis Mai 1912 im [Triest] nahe liegenden
Schloss von Duino seine Duineser Elegien.« · Foto und Zitat Wikipedia

Links

• Trento und zugehörige Aussprache: https://it.wiktionary.org/wiki/Trento
»di origine Retica, il nome infatti deriva da trent, cioè guado« (guado = Furt)
• Räter und Kelten: http://www.jfp.ch/inhalt/bw/infos/raeti/raeter_b2.htm »Insbesondere im Gebiet des heutigen Graubünden haben sich keltische und rätische Kultur vermischt, … Verschiedene Fluss- und Ortsnamen sind Zeugen dieser Vermischung. Da Hermann Ölberg für die rätischen Stammlande in Nordtirol und Oberitalien das Vorkommen keltischer Ortsnamen ebenfalls nachweist, ist eine ähnliche Situation, wenn auch in geringerer Ausprägung, auch für diese Gebiete anzunehmen.«
• Elisabeth Tappeiner, Ulrike Domahs und Frank Domahs, Wortakzent im Sprachkontakt Deutsch-Italienisch, http://www.jstor.org/discover/10.2307/40505314?sid=21105635774021&uid=3737864&uid=2&uid=4&uid=70&uid=2129

https://de.wikipedia.org/wiki/Wortakzent#Wortakzent_im_Deutschen

https://de.wikipedia.org/wiki/Wortbetonung_in_der_spanischen_Sprache

https://de.wikipedia.org/wiki/Italienische_Ortsnamen (Trento ist nicht dabei), bezeichnend: »Unterstreichung bedeutet in diesem Artikel, dass der unterstrichene Vokal betont ist. Italienische Ortsnamen ohne Unterstreichung werden auf der vorletzten Silbe betont.«

http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Namensforschung-2009W-Scheuringer.pdf#page=31
  »Betonung (Prosodie): Rein deutsche Betonung oder Lehnbetonung  [lässt … ] auf den Zeitpunkt der Eindeutschung schließen, Bsp. Marzoll Zweitbetonung [hinten], also erst spät ins Deutsche [gekommen].

http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Namensforschung-2009W-Scheuringer.pdf#page=42 Romanische Betonung haben noch: Fuschl, Gugelan, Marzoll, Vigaun.

Link hierher: http://blogabissl.blogspot.com/2015/03/betonung-von-namen-dt-it.html

Literatur 



 … und noch mehr Interessantes fand ich im »dtv-Atlas zur deutschen Sprache«.

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