Sie kennen den »Freund und Kupferspecht«? Ja? Der sollte genaugenommen ein »Kupferstecher« sein, unten mehr(1).
Also: Mein Freund ist ein Hobby-Schleifer. Und das kam vermutlich so.
In unserem Landschulheim-Gymnasium (»Oberrealschule«), siebzig Jahre ist’s her, blühte das Handwerk. Wir hatten Zeit, weil es noch kein Handy, kein Internet, keine »sozialen Medien« gab, höchstens Telefonzellen mit schwarzen Wählscheiben, und zu Stammtischen durften wir Zöglinge schon gar nicht. Vormittags – auch am Samstag! – war Schule, sechs »Stunden«, bis eins, und am Nachmittag für Interne Hausaufgaben und für alle Werken vielerlei Art: Schnitzen, Drechseln, Töpfern; inzwischen können die Schüler zusammen mit dem Abitur zu Tischlergesellen werden (und -gesellinnen, genderggenau!). Schön.
Mein Freund hielt der Holzarbeit sein Lebtag lang die Treue – trotz intensiver Tätigkeit in hohen Kreisen städtisch-colognaler und westdeutscher Politik und PR. Er macht die wunderschönsten, praktischsten Sachen selbst aus echtem Holz. Und aus Metall. Während ich in der Schule beim Drechseln nur bis zu knappen Eierbechern kam. Meine edlen Brotschüsseln neigten am Ende zu fatalen Absprüngen gegen die Wand. Bruch, weil das Einklemmen des schnell drehenden Werkstücks gut und kräftig gemacht sein muss (von innen nach außen am Stehrand) und die Bearbeitung vorsichtig zart.
In seinem Keller steht heute eine Drehbank, u.v.a.m. Dazu hat er die üblichen Veitel. In der hochdeutschen Wikipedia heißen die
Beitel. Wir haben halt Veitel geschrieben und Feitl gesagt. Die müssen besonders scharf sein, sonst rupft’s beim Drechseln, es gibt unschöne Rillen statt einer glatten Oberfläche. Das Schleifen von Schnitzveiteln ist also anspruchsvoll. Auf die verschiedenen Formen gehe ich erst einmal nicht ein. Doch wir sind beim Thema.
Jedenfalls ist mein Freund ein Spitzenschleifer aus Passion. Das sind übrigens viele im Land und umanand. Jetzt zum Schleifen.
Das Nützlichste, das Dauerhafteste, sagt er, ist eine Diamant-Sichtschleifscheibe.
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Sichtschleifscheibe auf einem Handbohrer senkrecht montiert, also waagrecht
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Ich erkläre erst einmal das teure, durchlöcherte Stück, das als »Diamant-Sichtschleifscheibe für Winkelschleifer« vierzig bis fünfzig Euro kostet und dafür ewig hält. Einen »Topf« zum Montieren auf einer dünnen Achse braucht’s vermutlich auch, trivial, und wieder knapp zwanzig Euros.
• Die Löcher sind (wie bei einem
Morgensternschen Lattenzaun) zum Hindurchschauen. Die geben die Sicht aufs schärferwerdende Messer, wenn man die Unterseite benützt, die ihrerseits ebenfalls
• mit ganz feinen ultraharten Industriediamanten bestückt ist.
• Außerdem kühlen die Löcher das zu Schleifende.
• Die Diamanten sind so hart, häter als alles andere, es sei denn wiederum Diamant. Und da man nicht seiner Gattin ihre Juwelen schleifen will, sondern sonstwas, halten sie auf der Scheibe ewig, wie mein Freund bestätigt.
Einen Winkelschleifer nutzt mein Freund nicht, den sehen Sie bei Amazon in Aktion in Bild 2, 3 und 4. Aber der Freund und Messerschleifer hat eine zweite Scheibe, die sekrecht montiert ist, so:
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Dasselbe längs befestigt, mit einer Winkelschiene
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Hier nun – und da sehen Sie, wie geschickt mein Freund ist. Jeder Dreher macht sich seine Hilfswerkzeuge, seine Spannvorrichtungen, seine Halterungen selbst, sodass seine Werkstatt zu einer einzigartigen, sehr persönlichen, speziellen Lebenssammlung wird. Sehen Sie den Winkel, den das feststehende Holz links vor der Scheibe bildet? Wenn er daran das Messer legt, dann schleift er den genau richtigen Winkel an. Hier in groß:
Je nach Kaliber der Schneide, kann mein Freund die mobile quadratische Platte (hell im Bild) mehr oder wenigger zubizwicken. Hier nochmal über der waagrechten Lochscheibe:
Und hier in Vorzeigeaktion:
Da liegt das Messer doch besser als lose in der Hand! Aber bitte: Der Geübte schleift freihändig, die Klinge vielleicht mit einem Klemmhandgriff haltend, an anderer, ebenso dauerhaften Scheibe, diesmal ohne Löcher:
Kommen wir zum Winkel. Denn wichtig ist der Winkel der Schneide, sozusagen der »länglichen Spitze«; wie beim Bleistift. Beim Messer will man meist die schärfstmögliche Schneide, besonders, wenn man rasch wieder nachschleifen kann und die Schleifscheiben, der Wetzstein oder Wetzstahl oder -stab nahe hat. Dauerhafter ist eine stumpfere Schneide, sagen wir bei einer Axt oder gar einer Spitzhacke.
Links – etwa für ein Küchenmesser – meist etwa insgesamt 30°. Beim Schleifen Seite für Seite muss man das Messer dann jeweils 15° schräg halten.
Über der großen Schleifscheibe hängt so ein großes S. Das ist dann der einstellbare Winkelgeber. Wie das geht, ist eine andere Sache, im Film dann zu sehen. Mein Freund, erfahren, macht das meiste freihändig oder mit seinem Holzwinkel von 15°.
Solche hölzerne 15°-Winkel gibt’s auch ganz billig unter zehn Euro, oft als »Winkelhalter« oder »Schleifhilfe« bezeichnet. Hier ein Klemmmodell aus Plastik:
Das ist eine Schleifwinkellehre. Sie macht aus dem Schleifen eine Wissenschaft. Am besten sehen Sie sich dazu das Filmchen an, das zeigt alles, zehn Minuten:
https://youtu.be/7dz1zdoYuB0Die schleifenden Diamanten gibt’s auch aus der Tube, Stichwort Schleifpaste. Siehe etwa »Tormek PA-70 Abziehpaste für Lederabziehscheiben«. Das ist dann schon der allerletzte Schliff, vielleicht für Rasiermesser.
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Kommentar meines Schleiffreundes (Hervorhebungen durch mich)
Noch zu Ergänzung jetzt: Die festgläubige Gemeinde der „Nassschleifer“
versammelt sich in ihren Kirchgängen vor allem um die schwedische Marke Tormek.
Ein Bein habe ich dort auch, wohl wissend, dass man dann eben Kultiges
praktiziert. Ein bisschen selbstverliebt sind die Tormeker (als Opfer eines
guten Marketings) in die Perfektion des Schleifbildes eines makellosen Schliffs
eines Beitels, schulbuch-winkelgenau und äußerst schonend dem Stahl abgerungen
durch nassen Schliff, die Schneide dankt es durch lange Standfestigkeit. Fast zu
schön, um sie dann zu benutzen, denk’ ich manchmal.
Und da scheiden sich eben doch die Geister, es muss ja weitergehen,
Nassschleifen ist ein Geduldsspiel, der Materialabtrag ziert sich.
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Bild HvB
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Die Diamantscheiben von Kaindl – im Bild ganz links oben grau – bieten hier einen guten Kompromiss zwischen
perfekter Schönheit des Schliffs und möglichst geringer Hitzeentwicklung beim
Schleifen, das aber recht zügig. Kurzum, einen Beitel mal schnell zwischendurch
wieder auf Schärfe zu bringen, wird beim Nassschleifen vermutlich nicht klappen.
Und doch: Die Lederscheibe von Tormek und die passende Polierpaste geben dem
frisch (aber trocken und schnell) geschärften Beitel ein tolles Schärfe-Finish.
Noch »Senf« von mir:
In meinem holzbearbeitungfreien deutschen Standardhaushalt habe ich zwar einen amerikanischen Arkansas-Schleifstein, den ich 1971 in Cupertino gekauft habe:
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»Buck Knives Famous for Holding an Edge Hard Arcansas Stone No. 130« (Kosten unter zehn Dollar als Altertümer auf Ebay)
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Ich benutze aber seit neuestem einen
Wetzstahl für acht Euro von Pearl:
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Link hierher http://j.mp/fj3vgxm0S
= https://blogabissl.blogspot.com/2021/05/mein-freund-der-messerschleifer.html
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Goldspecht
https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Mein-lieber-Freund-und-Kupferstecher
https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/kultur/woher-kommt-mein-lieber-freund-und-kupferstecher-100.html