14. April 2019

Sprache ist ein Gefäß

Lieber Fritz,schreibt mir ein sprachgewandter alter Freund aus Köln,
 Sprache ist für mich die Audiofassung des Gedankens, erst dann issers. Sie teilt den Gedanken mit, zuallererst mir selbst. 
 Sprache, die sich nicht im Aussprechen klar macht, ist Gestammel. – Schöne Grüße an das Binnen-I oder das Gender-Sternchen. 
 Denken ist mühsam, und also auch das Sprechen. Bitte sehr, wem das zu sehr zusetzt, darfs lassen. 
   Und dann, so erzählt er weiter, sei er jüngst bei Schillers Räubern in Köln im Theater gewesen. Die beiden Hauptrollen hatte der Regisseur mit Frauen besetzt (vormals Karl und Franz Mohr), die Amalia dann mit einem Mann …*)  Denn, so war die Begründung, wo steht geschrieben, dass die großen Männerrollen immer nur von Männern gespielt werden müssen? Angewendet auf die Kunst wird uns der Mann mit Goldhelm demnächst dann wohl als BH-Trägerin angedient. Amalia, der arme Sock, stand zum Schluss des Räuber-Stückes völlig nackt auf der Bühne.
   Ich empfehle einen guten Rotwein und grüße herzlich aus Kölle. H.
   Soweit spontan einer, der sein Leben mit Sprache verdient hat, mit dem dahinter natürlich.

Sprache ist ein Gefäß – für flüssige Gedanken. Schießt man Löcher in die Sprache, in Form von zum Beispiel
***
dann bekommt das Gefäß vielleicht ein Loch; der Inhalt rinnt aus, in den Staub, versickert. Das fällt auf, dem einen wohlgefällig, den meisten allerdings störend. Jedenfalls ablenkend vom Inhalt, vom eigentlichen Getränk. Ist ja nicht alles Pudding, was man sagt …
   Wie gut der Wein drin schmeckt, wie braun der Kaffee ist, ob sich Crema bildet – laut der neunmalschlauen Wikipedia Kaffeebohnenöl, Proteine, Zuckerarten und Kohlenstoffdioxid – oder nur drin ist im Kaffee, das ist dem Kunstkenner Formsache, dem normalen Trinker jedoch schnurz. Nur einmal war das Trinkgefäß entscheidend, als nämlich im Becher mit dem Fecher – doch hören Sie selbst:


»Konnotationen« (wenn einer zufällig weiß, was das ist!) beziehen sich selten auf das verwendete Wort, sie sind vielleicht ein Spielzeug für den Autor, so wie Adjektive, mit denen der Autor hinterrücks eine Aussage meinungstrimmen kann. Doch spielen Sie mal das Spiel: Was verstehst du bei …? Da wird einem dann rasch klar, dass keineswegs alle dasselbe verstehen, noch weniger: sich dasselbe denken dabei. Und Konnotationen sind noch arbiträrer.
   Will ein Autor ein Wort nicht überladen mit Anspielungen, beladen mit politischer »Korrektheit«, Konnotation und Meinung in einem, so tut er besser, einfach den gängigsten Begriff zu wählen, selbst dort, wo keiner dran denkt. Einfache Sprache. »Das Ding besitzt einen Knopf … « klingt gut, und ist doch sprachlich ein Unding: Der Knopf kann zum Beispiel nicht vererbt werden, nicht einmal im Todesfalle. »Das Hemd hat einen Knopf«, so ist’s sauber, kürzer, und hält Hemd und Knopf zusammen.
   Warum sollen Frauen extra und immer wieder berücksichtigt werden, nicht in der Sache, sondern in der Sprache? Mit Verlaub: Frauen mögen anders pinkeln, anders ticken tun sie nicht. Freilich denkt jeder Mensch anders – auch mengenmäßig bis hinunter zu Null –, das aber ist nicht genderös, nicht sexy, geschlechtlich schon gar nicht differenziert. Was einer denkt ist individuell, ist kulturell bezogen, und hauptsächlich vom Alter abhängig. (Alte, ob nun echte oder »Senioren«, werden ja auch nicht in jedem amtlichen Pamphlet, in jeder sich anbiedernden Sonntagspredigt gesondert angeführt. So, wie man sintemalen auch nicht »Meine Damen und Herren und Fräuleins« gesagt hat, als es diese sympathische menschliche Spezies noch gegeben hat. Ich – als Alter – wünschte mir mal, dass christkatholische Lesungen nicht historisch falsch mit Schwestern und Brüder! anfingen, das hat damals keiner so geschrieben, sondern, wenn schon, mit Liebe Junge und Alte in der Gemeinde! Aber das ist ein anderes Thema: Junge kommen eh ganz selten dazu.)
   Ein kluger Kommentator hat mir jüngst die Augen geöffnet: Frauen und Männer immer extra zu nennen ist die eigentliche Diskriminierung! Gerade indem man sie für eine andere Spezies hält, gar noch eine unbedeutende dritte dazudenkt (um oder unter 0,1 ‰), trennt man sie ab.
   Ich werde jedenfalls weiterhin so schreiben, dass man’s lesen kann, auch vorlesen. Die Meinung dazu kann sich dann jeder selbst machen, das verlange ich von ihm.
   Es gibt sogar im Deutschen Begriffe, die sich ordentlich gehalten haben, wie der Schraubenzieher in Händen des Bürgers, der trotz Normung, Normierung, Normierenden oder Normierlingen kein -Dreher ist, oder die Bezeichnung Jude, die sich eben nicht immer wieder gewandelt hat in der Vermeinung, der Begriff habe sich abgegriffen, konnotationsverschoben wie Mohr oder Neger.
   Ich bin politisch inkorrekt – »das gönn’ ich mir!« – und dem ohnehin seltenen Leser. Denn seit so 2018 wird mehr geschrieben als gelesen.

… Wird vielleicht noch verfeinert …


Permalink hierher http://j.mp/2VKQHFI
   = https://blogabissl.blogspot.com/2019/04/sprache-ist-ein-gefa.html

*) Da stehts: https://www.schauspiel.koeln/spielplan/monatsuebersicht/die-raeuber:
Karl, sein Sohn Lola Klamroth, Franz, sein Sohn Sophia Burtscher, Amalia von Edelreich Jonas Grundner-Culemann, Inszenierung | Bühne Ersan Mondtag

Links:
• Ein Linguist in der NZZ zur Gendersprache:
https://www.nzz.ch/feuilleton/die-geschlechtergerechte-sprache-macht-linguistische-denkfehler-ld.1472991
• NZZ: »Lassen wir die Sprache menschlich sein«
https://www.nzz.ch/meinung/lassen-wir-die-sprache-menschlich-sein-ld.1433844 

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