17. September 2014

Zur Schule

Ich bin wieder viel in der Schule, thematisch.
   Am Montagabend war dort die erste »Schulpflegschaftssitzung« im neuen Schuljahr, mit der Wahl einer neuen Schulflegschaftsvorsitzenden, ihrem Vertreter und den Mitgliedern der Elternvertretung. In der Zugsammenarbeit mit der Schule – die bei uns sehr gut ist – sind sie alle wichtig, haben aber nichts wirklich zu entscheiden. Und das liegt am System.

Kostenlose Broschüre des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen:
Das ABC der Elternmitwirkung (© missachtet, da ohnehin von meinem Geld bezahlt)

Genaugenommen kann selbst die Schulleiterin keine entscheidenden Entscheidungen fällen, vor allem kann sie ihre Lehrerinnen nicht einstellen und oder entlassen. »Dienstvorgesetzter ist, wer für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm nachgeordneten Beamten zuständig ist nämlich das Schulamt, das Regierungspräsidium und das Kultusministerium«, zitiert von hier (samt Kommafehler), amtlich nachzulesen hier. – Kein Kino, keine Bäckerei, keine Reinigungsfirma und keine Privatschule ließe sich so betreiben.
   Für mich ist das wieder einmal ein perfektes Beispiel von staatlichem Filz; da hält jede Faser mit der anderen zusammen, ohne feste Bindung, und trotzdem undurchdringlich. »Mir sind die Hände gebunden«, war denn auch ein letztes Wort der Schulleiterin, als es konkret um einen Lehrer ging, d. h. eigentlich nicht, weil Personalien nicht im großen Kreis besprochen werden und auch nicht wurden, gut so, und wenn, dann hätte das auch nicht mehr als dampfablassende Wirkung. Lehrer sind tabu, eine Supervision findet nicht statt; Lehrer können nicht entlassen werden, nirgends, außer »in die wohlverdienten Sommerferien« (was sie meist aber nicht sind). Hier in der FAZ eine kurze Geschichte dazu, frisch vom 10. Februar 2014. Dazu wird Uschi Glas zitiert: »Man sollte unfähige Lehrer entlassen können«, nachdem sie in Fack ju Göhte die genervte Lehrerin Ingrid Leimbach-Knorr gegeben hatte.
   Das alles ist ein Trauerspiel, verteilt auf mindestens 17 Kultusministerien in Deutschland (16 Länderministerien, Bundesministerium, Kultusministerkonferenz). Die dürfen nicht einmal zusammenarbeiten, Stichwort »Kooperationsverbot«. Ob das demokratisch ist? Ob das die Mehrheit so will? Volksabstimmung! Von mir aus kämen wir ganz ohne Kultusministerien aus, Privatschulen tun das ja auch, was gewiss eine extreme Reduktion wäre. Aber ein einziges, das wäre doch gut zu verwirklichen und sparsam dazu. Ein paar Gesetzte könnten wegfallen mit so dummen Sprüchen wie: »Die Eltern können über die Bildungs- und Erziehungsarbeit auch unter sich beraten.« Na, net! Und dann bräuchte auch die Politikerin Sylvia Löhrmann als »Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen« keine betuliche Reklamebroschüre zu machen, ABC, mit unserem Geld.

Noch ein paar weiterführende Links:

Christian Füller, FAZ, 10. 2. 2014:
   Gescheitert, aber unkündbar

Joachim Güntner 24.6.2014, NZZ, 24. 6. 2014:
   Unfähige Lehrer verhindern. Das Recht kennt keinen Trottelparagrafen.

Konrad Paul Liessmann, Philosoph, Gastkommentar in der NZZ, 15. 9. 2014:
   Das Verschwinden des Wissens

Laura Saia, Der Lehrplan und die gelebte Realität,
   »Lasst uns über die Schüler sprechen statt über Lehrpläne«,
   (erfrischender) Gastkommentar in der NZZ vom 18. 9. 2014

Jörn Himmelreich, »Am Ziel vorbei, Chancengleichheit gilt als Leitmotiv der Bildungspolitik – doch in Berlin haben die erriffenen Massnahmen eher gegenteilige Wirkung«, NZZ 16. 9. 2014 Spektrum Deutschland (nicht online, bitte bei mir nachfragen).

Am Ende Konkretes, vielleicht Nützliches:
   Begriffserklärungen und Links, meist zur Wikipedia:

   Grundschule: Volksschule, auch Primarstufe genannt (nicht Primärstufe, obwohl es hier wirklich nicht um Chefärzte geht ;–)
   Stufe, Jahrgangsstufe: Klasse, Jahrgang.
Beispiel: mit Stufe 8 sind alle 8. (früher: 4.) Klassen gemeint.
   Klassen 5 bis 12 entsprechen den (vormaligen) Gymnasiumsklassen 1 bis 8, weil die Volksschule 4 Klassen hat und das Gymnasium (hier nur mehr) 8. Formel: alte Gymnasialklasse = neue - 4.
   Erprobungsstufe: Unterstufe, Klassen 5 und 6 (vorm. 1 und 2)
   Orientierungsstufe, OS, Unterstufe 
   OS: nicht Oberstufe, sondern Orientierungsstufe
   Mittelstufe: Klassen 7, 8 und 9 (vorm. 3, 4, 5)
   GOst: Gymnasiale Oberstufe, Sekundarstufe II, Klassen 10, 11 und 12 (vorm. 6, 7, 8)
   Oberstufe: Die Oberstufe besteht aus Einführungsphase EF (10. Klasse) und zwei Qualifikationsphasen
   EF: Einführungsphase, Klasse 10
   Q: Qualifikationsphase, Klassen  11 und 12 (vorm. 7 und 8)

   Stufe Q1: Qualifikationsphase 1, Klasse 11 (vorm. 7)
   Stufe Q1.1: Das wäre dann das 1. Halbjahr der Klasse 11 usw.

   Stufe Q2: Qualifikationsphase 2, Klasse 12 (vorm. 8.)
   Stufe Q2.2: 2. Halbjahr der Klasse 12, danach Abitur

Das System der Stufen ist hier recht ordentlich erklärt, konkret für das Bonner Beethovengymnasium findet sich’s unter »Unser Profil«.  
   Lateinische Klassenbezeichnungen haben selbst in »Lateinschulen« ausgedient, hier mehr dazu.

   LK, GK: Leistungskurs, Grundkurs 
   
   Pflegschaft: Gemeint sind nicht Pflegschaften nach BGB §§ 1909 ff, sondern schlicht und garnicht einfach die Elternvertretung. Je nach Bundesland heißt sie Elternbeirat, Elternrat, Elternausschuss, Elternkuratorium oder Elternpflegschaft.

   Die Aufgaben der Schulpflegschaft nach § 72 Absatz 2 des Landes Nordrhein-Westfalen:

(2) Die Schulpflegschaft vertritt die Interessen der Eltern bei der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule. Sie berät über alle wichtigen Angelegenheiten der Schule. Hierzu kann sie Anträge an die Schulkonferenz richten. Die Schulpflegschaft wählt die Vertretung der Eltern für die Schulkonferenz und die Fachkonferenzen. Die Eltern können über die Bildungs- und Erziehungsarbeit auch unter sich beraten.

   Zu den Aufgaben der Schulleitung gehört:
• die Personalplanung als Langzeitaufgabe, insbesondere die Einstellung neuer Lehrkräfte unter Berücksichtigung der Personalentwicklung in bestimmten Fachbereichen (Ausschreibungsverfahren und Auswahlgespräche nach rein juristischen Kriterien) sowie Einstellung von Vertretungskräften. Es besteht kein Einfluss auf Versetzungen.
• Erteilung von Sonderurlaub und Dienstbefreiung
• Leistungsberichte, Erteilung von Dienst- und Arbeitszeugnissen, Beförderungen, dienstliche Beurteilung der Referendare mit den damit einhergehenden vorgeschriebenen mindestens vier Unterrichtsbesuchen für derzeit acht Referendare.
• Hospitationen in den Klassen
• Fallbezogene Gespräche mit einzelnen Lehrern sowie anlassbezogene Hospitationen
• Einsichtnahme in Klausuren
• Lehrerkonferenz
• Budgetierung, Verwaltung der Haushaltsmittel, des Reisekostenkontingents und des Fortbildungsbudgets
• schulinterne Fortbildungsplanung: Pädagogische Tage für alle Lehrkräfte sowie fachgruppenorientiert einmal im Jahr für einzelne Kräfte.
(Aus dem Protokoll der Schulpflegschaftssitzung am Beethoven-Gymnasium vom 26.05.2014)

Link hierher: http://blogabissl.blogspot.com/2014/09/zur-schule.html

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