7. Januar 2014

Alte Zeiten

Alte Zeiten interessieren mich. Eigentlich sind sie unvorstellbar wie die Zukunft, für die ich aber zu wenig Phantasie habe. Ab also in die Vergangenheit.
   Zu Weihnachten schickte mir ein elektronischer Brieffreund, wenn die Bezeichnung gestattet sei, einen Gruß mit dieser Zeichnung:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=oav&datum=1926&pos=37&size=45
Das hat mich natürlich neugierig gemacht, zumal unser Bauernhof im Sarntal liegt. Also bin ich dem Link gefolgt und fand 45 Seiten aus dem Jahr 1926, die die Verhältnisse im Tal im 19. Jahrhundert beschreiben, gerne auch davor.
   Was ist ein Samer? Oder eine Furgel? Beim Lesen des alten Berichts kommt man auf dergleichen Fragen.Weil ich aber lieber schreibe als lese – jetzt auch – habe ich mir die digitalisierte Form des Artikels gesucht, wurde durch Glück und Zufall fündig (weil schon der Titel elektronisch falsch gelesen worden war als »Bauernjahr im Garntal«, ja, Fraktur ist eine schnörkelige Sache …), und habe gleich losgelegt zu korrigieren, zu erklären, mitzudenken und zu -leben.
http://www.modellbau-sporer.at/kr/index.php?cat=c80_Schubkarren-Furgeln-Schubkarren-Furgeln.html
   Ein Samer, das ist nicht der moderne Tierarzt mit der langen Spritze für die Kuh, das ist ein »Sherpa der Alpen«, um es modern auszudrücken:
»Eingang in’s Sarnthal, bei Botzen, mit der Aussicht auf’s Etschtal.
Entrée du Sarnthal, près de Botzen, avec la vue de la valée d’ Adige.
Lithographisches Institut der Wagner’schen Buchhandlung in Innsbruck«
Diese Lithografie hing übrigens immer im Schlafzimmer meines seligen Großvaters Hödl, bis sie mein Mitbesitzer beim Verlassen des Anwesens mitgehen hat lassen. Zum Glück gibt’s die digitale Fotografie und mein Web-Eintrag www.Joern.De/wege.htm, noch aus der alten Zeit, bevor Blogs aufkamen.
   Die Furgel, die ich meine, versteckte sich in einem schönen Satz über Bergwiesen: »… das Gras [wird] gemäht, und in die Heudillen eingetragen, was in großen Leintüchern und mittels Furgeln geschieht.« Furgel steht (noch) nicht in der Wikipedia, die dabei nur auf Flügel verweist. Die allgemeine Google-Suche nach Furgel-Bildern hat mich dann aufgeklärt. Modellbau Sporer aus Innsbruck zeigt als Krippenbedarf Schubkarren und eben Furgeln, zweiräderige Handkarren für alles Mögliche, bei Sporer sogar mit Heu, ab 5,50 Euro.

So kommt man drauf, was ein Furgler einst war, den es heute, wie den Meyer oder Müller fast nur mehr als Familiennamen gibt: Ein Straßenhändler mit seinem Handkarren.
   Fragt sich vielleicht noch, was Heudillen sind? Auch die nicht in Wikipedia. Man findet sie rasch auf der Seiser Alm: 400 Heudillen (Heustädel) soll es da um 1600 gegeben haben, berichtete einst Marx Sittich von Wolkenstein, der wirklich Marx hieß und nicht Max. Steht hier. (Inzwischen klärt mich mein Freund Hannes auf: »Marx … ist nichts anderes als die Kurzform von Markus«, und – siehe unten *).
   Selbst das Marienmonogramm IXXR (auch IXXI) hab’ ich gefunden, das ein Gefangener auf Schloss Reinegg 1670 an die Wand gekritzelt hat. Hier eine moderne gestickte Version: 

Und so ging’s weiter. Das Ergebnis finden Sie auf www.Siebenfahr.com/Bauernjahr.pdf. Ich hab’s »bei mir« eingestellt, damit ich noch weiter basteln kann daran, wenn ich mag.

Übrigens hat Chefredaktor Markus Spillmann zum Jahresende 2013 in der Neuen Zürcher Zeitung einen Leitartikel geschrieben: Nicht Touristen, aber Reisende. Dort mögen Sie weiterlesen. Er sagt’s viel schöner, wie schön es anderswo ist, wenn man sich Zeit lässt.
http://www.modellbau-sporer.at/kr/index.php?cat=c80_Schubkarren-Furgeln-Schubkarren-Furgeln.html

Adresse dieses Eintrags: http://blogabissl.blogspot.com/2014/01/alte-zeiten.html

Schön auch  http://www.bolzano-scomparsa.it/1853.html von Ettore Frangipane.
©Teßmann, http://bit.ly/1FZblTk
Und natürlich die Sammlung der Teßmann-Bibliothek, etwa diese fesche Sarnerin.

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*) Hannes leitet mich weiter zu Marx’ zitiertem Buch, digitalisiert hier:
http://dza.tessmann.it/tessmannPortal/Buch/13004/. Gut suchen lässt sich dort nicht, das muss man wohl noch großteils mit dem Auge tun, eine »Herausforderung«.
   Hier also die Stelle mit den Heudillen auf der Seiser Alm:
Schon in den 1930er-Jahren hat der Transcribent Josef Reinthaler Wolkensteins heythillen erklären müssen, in Fußnote 30 unten auf derselben Seite 256 (in der Digitalisierung Seite 274/347):
»Heudi(e)len = Heustadeln.«
   Wieweit eine teitsche meil, eine deutsche Meile, damals ging, hat er sich wohl nicht gefragt. Ich vermute, so um die siebeneinhalb Kilometer, siehe hier und hier. Google Maps zeigt jedenfalls 7,2 km von Kastelruth bis zur Seiser Alm, zehn Minuten, das aber wissen erst wir.
   Gut, dass der Innsbrucker Universitäts-Verlag Wagner diese »Festgabe zu Hermann Wopfners sechzigstem Lebensjahr, 21. Mai 1876« 1936 schon in Antiqua gesetzt hat, nicht in der damals üblichen Fraktur: »Landesbeschreibung von Südtirol, verfaßt um 1600, erstmals aus den Handschriften herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft von Innsbrucker Historikern; Festgabe zu Hermann Wopfners sechzigstem Lebensjahr (21. Mai 1876) - 1936, Schlern-Schriften, 34«
   Was ich nicht gefunden habe, ist ein Original von Marx Sittich von Wolkenstein aus dem 16. Jahrhundert. Ich weiß aber dank Wikipedia, dass er mit Blick ins Sarntal geschrieben hat: »Um 1600 verfasste auf Rafenstein Marx Sittich von Wolkenstein wichtige Teile seiner ›Landesbeschreibung‹.« Die Burg hatte er 1599 gekauft.
   Damit sind wir wieder bei mir.
Blick von Rafenstein ins Sarntal                           Foto Jörn
s. www.Joern.De/siebenf.htm

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