Sonntagspflicht, revisited
Heute ist Sonntag. Alle schlafen noch, kurz vor acht. Carla war zu mir ins Schlafzimmer gekommen. Seit sie laufen kann hat sie es gerne, wenn ich sie nach dem Klo wieder nach oben in ihr Zimmer begleite; nächtliche Gänge. Ich habe dann die Spülmaschine ausgeräumt. Dann hinausgeguckt. Trotz minus vier Grad tropft der Wasserhahn noch. (Ich war zu faul gewesen, die Leitung zu entleeren, und wollte Einfrieren verhindern.) Es schneit leise; die Schneeflocken hört man nicht. Dann geht das Terrassenlicht wieder aus; unangeschienen verschwinden sie ganz …
In der Nacht hatte ich im Youcat gelesen. (Das ist der katholische Jugend-Katechismus. Ein Katechismus ist »ein Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens« (Wikipedia).) Mich interessierte die »Sonntagspflicht«, die inzwischen als »Sonntagsgebot« läuft. Wieder Wikipedia: »… die verpflichtende Teilnahme an der sonntäglichen Heiligen Messe. Das Gebot gilt für alle Gläubigen ab dem 7. Lebensjahr und leitet sich aus dem 3. Gebot des Dekalogs sowie aus dem inneren Wesen der Kirche als Communio (Gemeinschaft) ab.« Was sagt nun der Youcat dazu?
»Weil die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistie grundlegend ist für ein christliches Leben, erklärt es die Kirche ausdrücklich als schwere Sünde, der Sonntagsmesse ohne Not fernzubleiben.« Youcat Seite 201 Kapitel 365*). Möchte man so eine schwere Sünde (»Todsünde«) wieder loswerden, »muss der katholische Christ sich durch die Beichte mit Gott versöhnen lassen« (Kapitel 317). »Sollte er sich einer schweren Sünde bewusst sein, muss er vorher gebeichtet haben« (Kapitel 220), bevor er zur Kommunion geht.
So einfach ist das. Dass dem so ist, wird heute nicht mehr gesagt, jedenfalls empfinde ich das so. Ob das Liebe ist? Weniger die Kirche verlassen? Jedenfalls – ironisch gesagt, sarkastisch, was nicht christlich ist –: Wenn keiner weiß, dass es schwere Sünden überhaupt gibt, kann er immer weiter zur Kommunion gehen.
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*) Der Youcat im Web. Im Internet findet sich eine Vorversion oder Druckvorlage, eigenartigerweise als Word-Datei im doc-Format. Man muss sie sich von www.catechesesite.nl/userfiles/file/Jeugdcatechismus.DOC erst ganz herunterladen, mit Word öffnen und dann nach "grundlegend ist für" suchen, um online an besagte Stelle zu kommen.
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– Und wie ging’s weiter? Im Konflikt von Familienfriede vs. Sonntagspflicht habe ich mich gestern, Sonntag, für erstere entschieden und bin nicht in die Kirche gegangen. Dafür heute, Montag, mittags. Meine nächste kath. Kirche ist die Bonner Remigiuskirche. Aus Carlas Kindergartenzeit habe ich beste Erinnerungen dorthin, da gab’s da noch eine »Gemeinde«. Heute: Ein ziemlich ausländischer Priester mit mutigem, aber zwischendurch unverständlichem Deutsch, Gesänge ohne helfendes Instrument, eine Eucharistie ’rum in unter einer halben Stunde. Da habe ich mich wieder einmal gesehnt nach der lateinischen Messe: überall gleich, überall verständlich, ohne Blähfloskeln. »Einen schönen guten Morgen«, das wünschen einem Call-Center-Anrufer, und der liebe Gott muss sich inzwischen auch schon allerlei sprachliche Ausschweifungen anhören, wenn er schlicht angebetet werden will …
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