Das Sonntagshochamt in Sarnthein ist fast immer eine erfreuliche Überraschung. Man sollte nur rechtzeitig vor Beginn um halb zehn Uhr kommen, denn oft ist die Kirche voll und die Plätze etwas weiter vorne sind besetzt. Allerdings wagt man sich als Nicht-Dauergast ohnehin nicht zu weit vor. Bis vor die Kirche stehen die Leute allerdings nicht mehr, wie in den Fünfzigerjahren, können dann wohl auch nicht zur Kommunion einfach verschwinden … . Die Bänke sind eng, Knien ist hart, und richtig geht es gar nicht.
Die Sarner Pfarrkirche ist schon einmal vergrößert worden, 1856*). Dabei hat man sie »umgekehrt«: Der Altar steht auf der Westseite; der Eingang ist im Osten, vom Kirchplatz ein paar Treppen hinauf. Weil das Vatikanum den Priester »umgekehrt« hat, ist alles wieder in althergebrachter Ordnung: Er blickt nach Osten, wo das Licht herkommt und die Götter und wohl Christus auch. Ex oriente lux.
Heute bedeutete das, dass die spätherbstliche Morgensonne wie Licht aus dem Morgenland dem guten alten Pfarrer Lantscher direkt ins Gesicht schien, dass sie glänzte und leuchtete auf den Figuren des hohen Altars und unten in die Blasinstrumente der Musikkapelle, die rechts unten vor dem Altar Aufstellung genommen hatte in ihrer Sarner Tracht, der mit den Filzjacken, breiten Lederhosenträgern und noch breiteren Gürtel, federkielmustergeschmückt. Der Stolz des Dorfes. Am Altar waren unzählige kleine Ministranten und vier große, kräftige Ministrantinnen, mit lang wallenden Haaren, die sogar das Weihrauchschwenken mit Routine und Elan richtig konnten. Heute war der letzte Sonntag im Kirchenjahr, für die Heilige Zäzilie und für den König, den König Christus. Ein »Hochfest«. »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«, darüber hat der Pfarrer dann auch gut und erhebend gepredigt. Und fröhlich, denn die Heilige Zäzilie ist die Patronin von Kirchenchören und -musiken. Deshalb die Blasmusik und hinten auf der Orgelempore der versammelte Kirchenchor.
Die Orgel und die Empore sah ich eigentlich zum ersten Mal richtig, dann beim Hinausgehen, denn die Sonne schien dort oben durch die Glasfenster und legte Heiligenscheine um die Chorsänger an der Balustrade.
Die kurze Lesung sprach eine Einheimische, die, die meistens liest, mit diesem alemannischen E vorne in Erde, das dann knapp und stark und nicht norddeutsch-langweilig wie »Ehrde« klingt. Die Fürbitten waren fast alle für Musik und Gesang, vorgetragen abwechselnd von einer »Städtischen« und einer jungen Einheimischen in edler Tracht. Man »kennt« (erkennt) in Tirol noch, wer aus welchem Tal ist, wenn er Dialekt spricht, und wenn man’s als ebenso Einheimischer heraushört. Ich war darin nie gut. Die Sprache gleicht sich auch immer weiter an.
Einer Verstorbenen wurde gedacht, Gott hab’ sie selig, und zwei Täuflingen, einer Chantal oder so ähnlich modisch-fremd und einem schlichten Max.
Der ganze Gottesdienst gelang wie immer unter einer Stunde. Bei uns in Bonn geht’s meist länger, schon weil das stets wechselvolle Ritual gerne mit Gedenkpausen geschmückt wird, die Messe zuweilen als esoterisches Kunstwerk erscheint. Da lobe ich mir Sarnthein. Fröhlich und getragen spielte die Musik dazu, hell und kräftig sang der Chor, hernach stand man noch ein wenig um die Kirche herum oder am Kirchplatz, wo die Musikkapelle Zugaben spielte, bis es einem zu kalt wurde so bei etwa fünf Grad. Dort hab’ ich dann die Musikkapelle fotografiert, in der Kirche hätte das gestört. Schade.
–––––––––––––––––––––––––––––
Bilder dazu:
• http://picasaweb.google.com/Fritz.Joern/HofHerbst2012?noredirect=1
Videos dazu:
• Das oben, das kurze: http://youtu.be/KMoYSsGglDY
• http://youtu.be/3--HF4Q8lgw
• »Unter dem Grillenbanner«: http://youtu.be/BnbuwhIrc5k
Pfarrkirche Sarnthein. Foto Konwalinka (mit Erlaubnis) |
Youtube hat mich wieder einmal genervt, beziehungsweise diese neue Furcht vor dem Urheberrecht. Auf meinem Video http://youtu.be/BnbuwhIrc5k der Sarner Musikkapelle erkannte Youtube den alten österreichischen Militärmarsch von Wilhelm Lindemann »Unter dem Grillenbanner« und ließ mich seitenweise Begründungen ausfüllen, warum ich meinte, der sei inzwischen urheberrechtsfrei. Dabei findet sich der Marsch als populäres Blasmusikstück vielfach in Youtube, unter anderem hier. Mal sehen, wie’s mit meinem Einspruch weitergeht.
––––––––––––––––––––––––––
*) aus http://www.kugelpanorama.at/kircheheute/Sarnthal.pdf#page=2