17. März 2011

Nachdem ich nun schon wieder­holt die gut ge­meinte Auf­for­der­ung be­kom­men habe, einen Brief vom »Bund-Kli­ma­team« (aus­ge­rech­net von den »Kli­ma«-Leuten!) zum Thema »Kon­se­quen­zen ziehen. Jetzt ab­schal­ten« zu unter­schreiben – gemeint sind natür­lich die deutschen Kern­kraft­werke –, hier meine spontane Antwort darauf von gestern,

Mittwoch, 16. März 2011

Liebe Leut!
Als Demokrat und gelegentlich Denkender bin ich schmerzlich berührt vom Medienhype über die japanischen Atomkraftwerke. Nur damit bei uns ein Süpplein kocht, angstgeschürt, denken wir nicht an die hunderttausenden Obdachlosen dort, die ohne Wasser, ohne Strom, um die, die alles verloren haben, die Trauernden und Toten. Das riesige Leid nimmt mir den Atem. Hiesige Medien dagegen sehen nur die Kernkraftwerke, emotionaler und besserwissender als jeder Japaner.

Unsere Atommeiler sind nicht von einem Tag auf den anderen unsicherer geworden. Und wenn, müsste man in Frankreich*) anfangen, denn bei uns kommt der Wind bekanntlich aus dem Westen (der Strom auch). Darüber nirgends ein Wort.

Ich möchte in Ehren bei uns für (!) die Atomkraft sein, so wie andere dagegen sind. Ich möchte als Demokrat keine Polizeieinsätze gegen »Demonstrationen« zahlen müssen, nur weil sie ausarten, das sollen gefälligst die Beteiligten selbst tun. Ich zahle meine Knöllchen auch selbst. Und wenn jetzt die deutsche Regierung den Medien und der Straße – und den Lobbygruppen wie »Bund« – die Führung überlässt, finde ich das zwar populistisch, nicht aber demokratisch.

»Täglich steigende Risiken« (Bund) stellen hier nicht die Kernkraftwerke dar, sondern etwa (unnötige) Staatsschulden oder (ebenso unnötige) Rettungsschirme. Die steigen tatsächlich täglich.
Ich bitte jedenfalls, mich mit hektischen Aufrufen zu angeblichen eiligen »Konsequenzen« bei uns zu verschonen. Anstand und Mitgefühl gebieten uns angesichts der Naturkatastrophe in Japan Schweigen, Beten vielleicht, alles Weitere später.

Fritz Jörn

mobil +49 171 3322017 · fest 0228 211035
www.Joern.De Visitenk. www.Joern.De/vcf
Friedrichstr. 29 · 53111 Bonn am Rhein
Empfehle mich mit »Fritz Jörns E-Mail-Knigge« € 7,95 ISBN 978-3-939908-32-6

*) http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nuklearanlagen_in_Frankreich
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kernreaktoren_in_Deutschland
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrizit%C3%A4t/Tabellen_und_Grafiken#Erzeugung_nach_L.C3.A4ndern_2


Etwas konkreter zur Berichterstattung über Japan. Immer mehr wird die »Sensation« Kernkraft mit der Berichterstattung über die Naturkatastrophe vermischt. Titel und Aufmacher beginnen mit den Kernkraftgefahren, weil man darüber aber wenig weiß, geht es dann fließend mit der Naturkatastrophe weiter.
1. Zum Bild oben, Titel des »Express« ebenfalls vom Mittwoch, 16. März 2011 (Bonn ***) – zugegeben einem Boulevardblatt. Titel »Atommeiler völlig außer Kontrolle, irrsinniger Anstieg der Strahlung, 35 Millionen Menschen in Lebensgefahr«. Ganz groß: »Nur der Wind kann Tokio retten« und klein weiter »… wenn er die tödliche Wolke aufs offene Meer treibt«. In diesem Stil geht es weiter bis zu: »Vorsicht bei Pilzen aus Japan«.
2. Zum Bild rechts, NZZ, internationale Ausgabe, 17. März. Lesen Sie bitte die Meldung (Bild klickbar!) »(Reuters)/ela. · Japan scheint den Kampf … Für die EU ist die Lage faktisch ausser Kontrolle. Laut der IAEA äusserte sich die Regierung in Tokio besorgt. Offiziell bestätigt wurde der Tod von 4000 Personen. Mindestens 12 000 gelten laut dem TV-Sender NHK als verschollen. Hunderttausende …« Selbst in einer eher seriösen Zeitung dieser krasse Übergang von europäischer Besserwisserei und Sorge zu den schrecklichen Folgen der Naturkatastropen. Die IAEA in Wien muss herhalten, eine nichtssagende Äußerung der Regierung in Tokio zu kolportieren. (Nachtrag s. u.)
3. Selbst das »Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt«, DLR, hat am Mittwoch seinen Senf dazugegeben: »DLR-Studien: Erneuerbare Energien und hocheffiziente Gaskraftwerke können Kernkraft ersetzen.« – »Na net«, sagt dazu der Österreicher, und der Deutsche fragt sich, ob dergleichen »Studien« zu Luft- und Raumfahrt gehören, aus Steuern bezahlt.
Also nocheinmal: Denken wir an die Menschen in dieser Naturkatastrophe und halten wir die Luft an zur Kernkraftkathastrope.

Erste Reaktion (Mi 16.03.2011 14:48) auf meinen kleinen Apell (anonymisiert):
Wow, ich bin ja gar nicht der einzige, der so denkt ... Danke für diese klaren Worte, es ist wirklich unglaublich, was die deutschen Medien und die Politik und die "Gutmenschen" daraus machen!

Nachtrag Thema NZZ, 19. März. Im Leitartikel am Wochenende bedenkt Chefredaktor Markus Spillmann: »Fassungslos, mitunter gar mit leisen Vorwürfen auf den Lippen, verfolgen wir die Katastrophen apokalyptischen Ausmasses in Japan. Während Helfer im eisigen Schneetreiben verzweifelt nach den sterblichen Überresten von Tausenden suchen, informiert das [eidgenössische] Bundesamt für Gesundheit über das Waschen von Salat und die Unbedenklichkeit des Fischkonsums. Das Leid der Überlebenden von Erdbeben und Tsunami ist längst ein Nebenschauplatz, im Vordergrund der emotionalen und damit auch der politischen Aufmerksamkeit steht im Wahljahr 2011 die Zukunft der Atomkraft. Angesichts der hilflos anmutenden Löschversuche der unkontrolliert glühenden Reaktoren in Fukushima und der von ihnen ausgehenden tödlichen Gefahr für Mensch und Umwelt stossen differenziertere Argumente für die Kernenergie derzeit ins Leere.«

Keine Kommentare: