11. März 2011

Mein Doktor – ein Geständnis
»Dr.-Ing. Politec. Mailand Fritz Heinrich Jörn«
Dass sich’s nur gestehe. Ich habe einen Doktor. Koscher ist der nicht. »Im Bereich von Journalismus, Geschäftswelt, Politik, Populärkultur ist das Doktorat eher ein Ausweis für Weltfremdheit,« schreibt am 11. März 2011 Wolfgang Müller-Frank in der NZZ, der in seinem Lebenslauf zwar Promotion und Habilitation aufführt, sich aber im Namen konsequent und bescheiden zurückhält.
Nun aber zu mir. Nach langem, genüsslichem Studium habe ich an der Technischen Universität Berlin am 10. Dezember 1968 den ordentlichen Titel »Diplom-Ingenieur« verliehen bekommen. Als halber Südtiroler hat mich aber gewurmt, dass meine Kollegen, nur weil sie in Italien studiert hatten, und es dort keinen Diplomingenieur gibt, als »Doktor« herumlaufen (hier ein Beispiel). Zudem habe ich erst einmal in Mailand gearbeitet und musste mich spätestens bei der Visitenkarte entscheiden. Also habe ich mir meinen Berliner Diplomingenieur als Mailänder Doktor anerkennen lassen, wozu Studienbuch, Studienarbeiten und Diplomarbeit vorgelegt werden mussten. Das Politecnico di Milano, angeblich die größte technische Hochschule Italiens, die ich aber nie betreten habe, fand alles ausreichend und übersandte mir eine 33 × 45 Zentimeter große Pergamentrolle mit Tiefdrucksiegel, am 1. Oktober 1969 »im Namen des Gesetzes« mir verleihend den »DOKTORTITEL IM INGENIEURWESEN, Studienrichtung Elektronik«. Das Pergament ist so groß und so sperrig, dass ich es unter die halbtransparente Schreibtischunterlage schieben musste, um es abzulichten. Darunter das Parkett im Arbeitszimmer. Der Fleck links unten ist die Stempelmarke, ohne die in Italien nichts gilt.

Was dann? Nach Mailand, Kalifornien und Schweiz zog ich wieder nach Deutschland. Sollte ich den Doktor weiter führen? Ein paarmal ist es dann schon passiert, dass er sich selbst in amtliche Dokumente einschlich, etwa in die deutsche Staats­bürger­schafts­urkunde (rechts, wie alle Blog-Bilder klickbar), und eigentlich hätte da dann nach dem Dr. ein Zusatz wie »Polit. Mailand« kommen müssen (was politisch aussieht) oder »Politec. Mailand« (noch länger). Sowas ist einfach peinlich. Dazu kam, dass mein sel. Großvater und nie erreichtes Vorbild, auch Diplomingenieur, immer als »Herr Ingenieur« tituliert wurde, und ich finde das für einen Techniker viel sauberer, technischer und ordentlicher als »Herr Doktor«. Sie dürfen mich also (südlich des Weißwurstäquators) von mir aus augen­zwinkernd als »Herr Ingenieur« anreden, als »Herr Doktor« nicht.
PS. Eigentlich bin ich Österreicher, auch.

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