6. Juli 2008

Carla morgens in der Bahn

Godesberg III – »klassisch«
– Besuch am Burgfriedhof

Jetzt weiß ich, dass mein erster Aufstieg zur »Godeburg« über die Direttissima (Südflanke) nicht gerade der schönste war. Wer diese »Burg« – als Burgenkenner kann man das Godesberger Ruinchen nur in Anführungszeichen setzen – und die Michaelskapelle besichtigen möchte, sollte entweder comme if faut mit der Limousine vorfahren oder hintenherum einen der Wege zum Burgfriedhof« wählen (Nordostflanke).

Der alte Friedhof ist schön, gepflegt, aktiv – ich erlebte sogar eine Beerdigung und hoffe nicht gestört zu haben. Ein Grabmal wohl aus Rudolf-Steinerscher Zeit fiel mir auf, das »Grabmal Dernen: ›Mutter Erde‹« (1912 vom Österreicher Adolf Simatschek), zuletzt dort begraben Irmgard von Wittgenstein, † 31. Mai 2000.

Außerdem hatte ich diesmal ja ein besonders aufmerksames Auge für Geschriebenes. Schon bei der Hinfahrt war mir in der U-Bahn der Sprachschmarren aufgefallen: »Bitte beachten Sie das Verzehrverbot auf Kölner Stadtgebiet!«. Zurück zu weniger verschrobenen Zeiten: Hier am Friedhof kann man fromme Sprüche über die Jahre kennenlernen, vom »frommen Andenken an die wohlachtbaren Eheleute Joh. Wilh. Düren, gew. Bauunternehmer (und seine Frau) … Fromme Christen! betet für Sie, damit Sie ruhen in Frieden« (sic) zu Ende des 19. Jahrhunderts über »in deutscher Heimaterde in Ostpreußen ruhen …« bis zur heutigen Sprachlosigkeit im Angesicht des Todes.

Sehr schön sind die Wegkreuze überall in Godesberg – hier die von 1751 und 1686 auf dem Burgfriedhof. Zu den unerklärlichen Zeichen schreibt mir dankenswerterweise Hans-Jürgen Müller von der die Denkmalbehörde in Bonn:»Es handelt sich um ein ehemaliges (Stein-)Wegekreuz aus dem Marienforster Tal. Die Symbole (Hauszeichen) sind nicht vollständig beziehungsweise eindeutig zuzuordnen. Vermutlich handelt es sich um die Initialen der Stifter des Kreuzes, die möglicherweise Pächter der Wattendorfer (Wasser-)Mühle waren. Dieses Kreuz - wie auch das zweite aus dem Jahre 1751 - gelangte nach 1890 im Zuge von Straßenausbauten auf den Burgfriedhof. Beide sind als historische Ausstattungsstücke des Baudenkmals Burgfriedhof anzusehen, der seit 1984 unter Denkmalschutz steht.«

Zur Kapelle bin ich dann gleich zweimal gepilgert, alleine in der Früh und Mittags mit Carla. Wir begrüßten sogar aus gebührender Ferne die fromme Eremitin Schwester Benedicta, eine Servitin, als sie die Monstranz aus dem Tabernakel nahm (»Zeit für geistliche Gespräche Samstag 15.00 bis 17.00»).

Dann ging es mit Carla hinauf auf den Turm, gleich zwei Mal, denn Carla hatte vergessen, die Treppenstufen zu zählen. Wir kamen hinaufzu auf 157, hinunter auf 156, plus die fünf außen … Der Blick war nach den Unwettern am Vortag besonders klar und weit, hier der Kölner Dom von Bad Godesberg aus gesehen – und ein Lob auf meinen neunen Fotoapparat, eine Panasonic Lumix DMC-FZ18, die bei Bildgrößen bis zu drei Megapixeln von 28 bis 804 Millimeter Brennweite (auf 35 mm ungerechnet) optisch zoomt und einen das auch noch frei aus der Hand verwacklungsfrei nutzen lässt!

Noch ein letztes kleines Schriftbild aus Godesberg, das ja ganz in arabischer Hand ist:


PS: Ich mag bald keine Bilder mehr einstellen. Man muss sich nur einmal ansehen, was schon alles im Netz steht. Da kann man seine Kamera gleich zu Hause lassen! Birte hat mich auf die Tour de France im Netz aufmerksam gemacht: http://www.google.fr/landing/tourdefrance2008/. Ich bin gleich ein wenig durch mein geliebtes Kalifornien gereist – deutsche Städte sind noch nicht zur Durchfahrt (»Straßenansicht«) mit Google bereit. Hier dafür ein Stück Champs-Elysées – auf den Link klicken und herumfahren.

PS. Über den berühmtesten Godesberger Stein habe ich nichts geschrieben, weil ich lange – und immer noch – an den Titeln dieses Herrn Venidius Rufus herumrätsele. Latein steht auf besagtem Stein, etwas ergänzt: Fortunis Salutaribus Aesculapio Hygiae Quintus Venidius Rufus Martius Maximus Lucius Calvinianus legatus legionis I Minerviae legatus Augusti pro praetore provinciae Ciliciae dono dedit. Soviel, so gut, und zu deutsch: Den Fortunae salutares (heilbringenden Gottheiten), dem Aesculap und der Hygia (vergl. unser Fremdwort Hygiene) stiftete diesen Stein Quintus Venidius Rufus Martius Maximus Lucius Calvinianus (dessen viele Namen auf Adoption und Hinzufügung der Namen mütterlicher Verwandten beruhen), Legat (= Kommandeur) der I. Minervischen Legion, kaiserlicher Statthalter der Provinz Cicilien.
···
Die Römer hatten eine Menge »Fortunen«, Glücksgöttinnen, der Gesundheit zumal. So gab es z. B. eine Fortuna Balnearis, der Bäder. Fortunis ist weiblich, Plural, Ablativ. Aesculap, vom Zeichen für Ärzte bekannt, ist deren Gott, Hygieia seine Tochter, für Hygiene zuständig. Der Stifter Lucius Calvinianus war der Chef der Legion, und zugleich – oder später, oder wie? – Statthalter in Sizilien? (Man hat die Vornamen als drei Stifter interpretiert. Marius Maximus soll ein Geschichtsschreiber gewesen sein. Ich meine, das waren einfach weitere Vornamen Calvinianus’.) Die Legio I Minervia wurde 82 vom römischen Kaiser Domitian für seinen Feldzug gegen die Chatten gegründet. Das Zeichen der Legion war die Göttin Minerva, Patronin und Namensgeberin der Legion. Die Legion war zunächst in Bonna (dem heutigen Bonn) stationiert, nahm aber an Feldzügen im gesamten römischen Reich teil. 89 war sie an der Niederwerfung des Saturninus-Aufstands in der Provinz Germania Superior beteiligt und erhielt den Beinamen Pia Fidelis Domitiana. Unter dem Kommando des späteren Kaisers Hadrian nahm die Legion an den Dakerkriegen Kaiser Trajans teil. Ihr Feldzeichen lässt sich noch heute auf der Trajanssäule betrachten. Nach der Eroberung Dakiens kehrte die Legion nach Bonn zurück.
···Doch meine Frage war nun nun: Wo war der Mann Statthalter? Provinciae Ciliciae – wo war das?
···In Sizilien, wie’s gern übersetzt wird? In Kilikien, wie andere vermuten – noch weiter weg von Bonn? Hat er den Stein gestiftet, als er dorthin zog? Ich weiß es nicht.
···Jedenfalls steht eine Kopie des Steins an der Godeberger Burg, das Original im Rheinischen Landesmuseum Bonn, ist dort allerdings meines Wissens nach nicht ausgestellt. Das Original ist aus hiesigem Trachyt, also schwarz; die Kopie hat Restaurator Keller aus Zement gemacht, also hell, aber das macht nichts. Farbe würde bloß abblättern.
Mein Foto 201004\Godesbergstein.jpg, meine Datei Godesbergstein.doc

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