»Von ›Lebensvertrauen‹ über ›Lebensfreude‹, ›Lebenssinn‹ und ›Lebensleid‹
schreibt Küng und schreibt so eine ›summa‹ seines Glaubens – und
Lebens«, Klappentext. 2009 erschienen, 8. Auflage 2010, ca. € 20.
Hans Küng, 19. März 1928 — 6. April 2021, wurde 93 Jahre alt. Zuletzt litt er an Parkinson und hatte sich zurückgezogen. Küng war Priester. Er lebte mit einer Freundin zusammen , wie andere Priester oft auch. Die Lehrerlaubnis wurde ihm 1979 von der deutschen Bischofskonferenz entzogen. (Die lange Wikipedia-Liste von katholischen Theologen, denen die Lehrerlaubnis entzogen wurde habe ich mir in Word einmal nach den Jahreszahlen sortiert. Nach Küng wurden schon viezig weitere Theologinnen oder Theologen aus mannigfaltigen, zum Teil interessanten Gründen so bestraft.)
Küngs »Was ich glaube» hat mir ein guter Freund geschenkt. Er selbst war 13 Jahre lang nicht dazugekommen, das 320-seitige Buch zu lesen. Ich gestehe, dass ich mich auch »durchbeißen« musste, am Ende sogar nur überflog. Küngs Schlussfolgerungen und Ideen erscheinen nach dem Ukrainekrieg zum Teil hausbacken und »abgelaufen«, wofür er nichts kann. Der bemüht einfache, oft nachgerade betuliche Stil ist auch nicht jedermanns Sache. Aber: Ich kannte Küng persönlih als sympathischen, hochinteressanten Redner und Mensch. Ich stehe sozusagen »auf seiner Seite«.
Die Informationen sind für einen interessierten Christen, vor allem einem Katholiken, oft neu und hochinteressant. Ich nehme viel mit aus »Küngs Glauben«, vor allem aber aus seinem durchdachten riesigen Wissen.
Schauen wir auf die Einzelheiten:
• Seite 28. Da fragt sich Küng, was eigentlich aus einem braven Muslim oder auch »nur« einem Protestanten wird nach dem Tod? Alle ab in die Hölle? Oder nur in die Vorhölle, den Limbus (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Limbus_(Theologie) )? Man weiß et nich.
• Seite 37. Da geht es um die Wirtschaftskrise 2008/2009. Und immer, wenn Küng außergalb seiner studierten und aberstudierten Theologie argumentiert, werde ich stutzig. Da kommen dann oft populistische Vorurteile zutage, platte, die ich lieber anderswo besprochen läse.
• Seite 38 – Hier geht es erstmals um die unbeugsame römische Kurie, ganz unten in der letzten Zeile bginnend.
• Seite 48 und 50. Da meint Küng, dass Nihilisten nicht zu trauen sei, weil sie definitionsgemäß an nichts als an sich selbst glauben. Angesichts der überwältigenden Zahl Nicht-Gläuiger denke ich, dass das so nicht stimmt. Fast jeder hält eine Meinung hoch, die oft kein Wissen sondern ein Glauben ist, bona fide, gutgläubig. Man braucht ja nur eine Meinung oft genug zu vertreten, so wird sie einem zum Dogma, zur festen Überzeugung, ja zu Glauben.
• Seite 57. Küngss Polemik gegen den »lebensgefährdenden Raubtierkapitalismus« halte ich für platte Polemik. Andererseits teile ich Küngs Feststellung nicht: »Immer und überall können Lebewesen nur überleben, wenn sie andere Lebewesen schädigen, gar vernichten.« – Vegetarier essen nur Pflanzliches. Aber das sind doch auch Lebewesen, werden Sie sagen. Dagegen dann ich: Pflanzen leben von Sonne, Erde und Wasser, die gewiss keine organische Natur sind. Ich glaube an Darvinismus allüberall, selbst wo Küng eine Vernunft des Weltenbauers walten lässt.
Gerade dadurch wird mir das Christentum, das Sanftmut und Nächstenliebe ansetzt, zum positiven Geheimnis. Warum hat sich beim Überleben der Fitesten nicht Gewalt durchgesetzt? Oder kommt das noch?
• Seite 66 unten. Da erwähnt Küng Mozarts Klarinettenkonzert. Dazu hätte selbst ich Musikbanause meine eigene, glückliche Geschichte … Ein Gottesbeweis ist sie nicht, höchstens ein kleines »Maria hat geholfen».
• (Eigentlich könnten Sie jetzt hier zu lesen aufhören!) Trotzdem: Die von Küng auf
• Seite 69. festgehaltene »Sonderstellung des Menschn gegenüber den Tieren« wird sich am Ende nicht halten lassen, tut nichts zur Sache.
• Seite 73. Die verschiedensten Religionen der Erde entwickelten laut Küng ähnliche Normen (Grundregeln): »erstens den Schutz des Lebens, also das Verbot, Menschen zu töten, zweitens den Schutz des Eigentums (nicht stehlen!), drittens den Schutz der Ehre (Beleidigung, gegen die Würde), viertens die »Regelung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern« (Sex)
• Seite 75 unten, zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) und »Humanæ Vitæ«, dann den Entzug von Küngs katholisch-kirchlicher Lehrerlaubnis. Eine Schlüsselstelle.Stichwörter: Sexualmoral, Unfehlbarkeit.
• Seite 85, unwichtig. Hier machr Küng den »amerikanischen« Fehler, kontrollieren als prüfen, aber auch im Deutschen fälschlich als steuern zu nutzen. Triebe »im Zaum zu halten« wäre angebrachter, als sie bloß zu kontrollieren.
• Seite 90, 91 und vorher. Küngs Gedanken zum Weltethos, seine »vier ethischen Imperative« haben nicht eingeschlagen.
Das Gerede vom Turbokapitalismus und Neoimperialismus halte ich für modisch-populistisch. Das werden dann unendliche Geschichten: Als ob die Reichsten im Staate, nämlich der Staat selbst, besser wären, ethischer. Selbst Verfehlungen, ja Brutalitäten der Kirche (etwa Zwangszölibat, Vertuschungen, Geheimjustiz u.a.) sind mindestens so fragwürdig.
Aus Zürich |
• Seite 95, Lebenssinn. Noch im Jüdischen »sind wir in die Welt gekommen, um dich [Herr] anzuerkennen und dich zu kennen« (https://www.herder.de/cig/cig-ausgaben/archiv/2018/6-2018/dich-kennen/), inzwischen ist’s umgekehrt: Gott ist für uns da, siehe Bild links. Für mich selbst muss ich zugeben, dass mich dieser Frage: »Warum lebe ich?« nie umgetrieben hat. Biologisch ist mir das klar, doch Ursache ist kein Sinn. Ich bin (noch) einfach da und versuche was Gutes daraus zu machen. Und auch das wieder gibt keinen Sinn. Ist halt so.
Auch den »Lebensgrund», Seite 125, überschlage ich, obwohl da interessante Fragen aufgworfen werden, etwa
• Seite 146 Gottesbeweise. Die wurden bei meinem Abitur noch verlangt, inzwischen wohl nicht mehr.
• Auf Seite 147, wo klar gefragt wird: »Eine Evolution auf den Menschen hin?«, habe ich mir ebenso klar beantwortet: »Nein!«. Da hätte auch etwas ganz anderes herauskommen können als der homo sapiens.
• Seite 148. Dass Aliens nicht in Sicht sind, hat mit der Sicht zu tun – der Weltraum ist einfach zu weitäufig –, und nicht mit der Vermutung, dass es Außerirdische nicht gibt. Ich halte sie für wahrscheinlich. Warum soll unsere Entwicklung einzigartig sein? Die Evolution wird anderswo anders verlaufen sein, vielleicht ähnlich. Ein »Metagesetz« brauchr man dazu nicht zu bemühen, wie denn auch Küng zugibt. Wir werden’s nie wissen. Nichts lässt sich nicht beweisen. Außer wir krümmen uns den Raum zurecht. Siehe dazu mein »Über die Leere im Raum (und uns in ihm) «.
• Seite 158. Küngs Glauben war stärker als der vieler von uns, auch meiner. Er hielt »Gott als Name für einen tragenden Sinn-Grund des Ganzen« Etwas wacklig formuliert ist das schon, aber es ist affirmativer als die vage Mehrheitsmeinung, dass es wohl einen Gott gibt (er existiert), der aber nicht unbedingt gibt (etwas austeilt).
• Auf Seite 159 steht: »Im Glaubensbekenntnis wird dieses ›an‹ im Zusammenhang von ›Kirche‹ vermieden.« Da muss man »dieses« betonen, dieses ›an‹, weil man ja doch zusagt: »Ich glaube an […] die heilige katholische Kirche,« Wenn ich mir ehrlich bin: eine satte Lüge, Teil der Schizophrenie, in die die aktuelle Kirche uns heute bringt.
• Seite 169 und weiter. Die Konkretisierung von Gott, dessen Ebenbild wir ja angeblich sind, als ganz anders (totaliter aliter) und dann doch mit Bart vorzustellen – oder später übermalt ohne (Fresken in Kloster Marienberg ), ist bedenkenswert.
• Seite 175. Küng schreibt von seinen sieben römischen Jahren im Collegium Germanicum , und all den täglichen Gebeten.
• Seite 182. »Wenn immer ich […] in einem Gottesdienst das ›Vaterunser‹ [ja warum das denn in Anführungszeichen?] einzuleiten habe, sage ich: ›Lasset uns beten zum unsagbaren Geheimnis in unserem Leben, das uns Vater und Mutter in einem ist …‹«. Etwas hölzern, doch so etwas sollte man sich merken, zumal sich die aktuelle Einleitung in der Messe » … wie es der Herr uns gelehrt hat« gewiss nicht auf die (für mich protestantische) Zusatzbemerkung bezieht: »Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit«..
Küngs weitere Überlegungen zu Monotheismus fand ich interessant, obwohl mich einerseits das Geheimnis der Dreifaltigkeit und andererseits die der Heiligen und Engel wenig umtreiben. Ein Ein-Gott-Glaube ist gewiss praktischer, kompakter.
• Seite 190 Teilhard de Chardin (1881–1955), zu seinem Grab weiß Wikipedia weiter.
• Auf den Seiten 202 ff bekommt man einen interessanten und persönlichen Begriff von Religionen und Spiritualität.
• Seite 224. Da gibt es (arme) Sünderinnen.
Nach ein paar interessanten Seiten kommen wir zu
• Seite 250, dem Gekreuzigten von Mathias Grunewald
1512—1516 Ausschnitt, Wikipedia |
• Seite 229, Jesus im Koran: Ein anderer seii an Jesu Stelle gekreuzigt worden, Jesus aber sei direkt zu Gott erhöht worden.
Christusnachfolge, Kreuzesnachfolge ist nicht maximales Mitleiden. Küng meint auf
• Seite 252: »mein eigenes Kreuz auf mich nehmen«. Bescheiden, unauffällig, wie der Bub aus Mutters Geschichte auf der folgenden Seite 253 oben.
Seiten 264 und 265. Wieder historisch recht interessant, bis zur katholisch-idealen Liebe ohne Leidenschaft ….
• Auf Seite 268 zum Ausgleich schöne Liebesgedanken.
Damit ende ich, getröstet, beglückt von all der Freundschaft und Freundlichkeit, die mir entegenkommt. Ich nenn’s Gottes Liebe und zwinkere dazu.
Permalink hierher:
https://blogabissl.blogspot.com/2023/06/hans-kung-was-ich-glaube.html
Wo Küng im Buch über die Klassifizierung von Religionen schreibt, habe ich nicht mehr gefunden. Dazu ein Auszug aus einem Interview (mit Hervorhebungen von mir):
»Es gibt drei große
Flusssysteme der Religionen
der Menschheit, wenn wir jetzt die Hochreligionen
anschauen, die ersten kennen alle, die sind im Nahen Osten geboren, das
sind die prophetischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Wenn
man weitergeht nach Osten, die Religionen indischen Ursprungs, die haben
keinen prophetischen Charakter, sondern einen mystischen Charakter, die
gehen nach innen, die sind auf Meditation aus, das ist Buddhismus - sofern
man da von Gottesglauben reden kann - das ist der Hinduismus, die verschiedenen
Hindureligionen, und es gibt ein drittes großes Flusssystem, das
sind die Religionen chinesischen Ursprungs, das sind Weisheitsreligionen,
da ist der höchste Typus nicht der Prophet und nicht der Mystiker,
sondern der Weise. Das ist der Konfuzianismus, der Taoismus, und wenn Sie
mich jetzt fragen: Was ist denen allen gemeinsam, dann glaube ich, und
habe ich auch untersucht, und werden mir auch Fachgelehrte bestätigen,
dass es einige elementare Imperative gibt, die all diesen Religionen gemeinsam
sind. Also gerade das, was heute abhanden gekommen ist:
Du sollst nicht töten. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen. Du sollst Deine Eltern ehren, was sicher auch das Gegenteil besagt: Die Eltern sollen auch die Kinder ehren...
»Was ich glaube« bei Google:
https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=uKgUAwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PT3&dq=k%C3%BCng+religionen+vier&ots=wcVWcRdSyj&sig=i5ShAVVj36IB9Y71s24_zoXoxXI#v=onepage&q=k%C3%BCng%20religionen%20vier&f=false
Küngs letztes Interview
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/letztes-interview-der-verstorbene-hans-kueng-sagte-2013-ich-bin-in-der-endphase-ld.2122364
Küng-Nachruf im Deutschlandfunk:
https://www.deutschlandfunk.de/zum-tod-des-theologen-hans-kueng-ein-reiches-und-spannendes-100.html mit weiteren Links. Interessant!
Küng in einfacher Sprache: https://orf.at/einfach/stories/3208455/
Gescheite Gedanken zu Küng:
https://www.ev-akademiker.de/wp-content/uploads/StellungnahmeKueng.pdf
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen