Ich kannte ihn erst seit wenigen Jahren; er lebte im Altenteil in meiner Gemeide um die Bonner Stiftskirche, las die Messe, wenn Not am Mann war, predigte dann gut und volkstümlich – und schätzte (wie ich) das Alpine, das Direkte, das ganz wörtlich Zünftige. Am liebsten hatte er einen grauweißen Walkjanker an, der mit dem Alter der beiden immer größer wurde, wie das so deren Art ist. (Das Bild von Roland Kohls im General-Anzeiger zeigt ihn damit, auch das vom Schützenverein hier unten. Nicht das Bild im Partezettel.) Ich hatte gemeint, er sei aus dem Süden.
Dabei hat mir ein Dusidorfer – eigentlich einer vom »Büser Berg« – erzählt, er sei mit seiner Mutter aus dem Osten gekommen, sein Vater sei gefallen, und Geschwister hatte er keine. Was seine Mutter dazu gesagt hat, dass der einzige Sohn Priester wurde, wissen wir nicht. Geboren ist er 1938 in Wuppertal.
Die Reaktion der Dusiburger auf seinen Tod war überwältigend, was gewiss auf die dort fast noch ländliche Zusammengehörigkeit der Leute und auf sein frühereres Wirken zurückgeht. Buchstäblich Tausende waren zu seinem Begräbnis gekommen und hatten ihn bis in den alten Friedhof dort begleitet. Am Vorabend hatte man seiner gedacht, mit zahlreichen Erinnerungen und Geschichten.
Eine davon, sein Briefwechsel mit der Kurie im Jahre des Heils 1989, sei hier gebracht. Die Sache ist heute noch dringlicher als damals, und die Kurie wohl noch verstockter – mein’ ich. (Ich bitte, meine »Veröffentlichungen« nicht nach dem neuesten Datenschutz- und Urheberrecht zu beurteilen, sondern unter dem Aspekt der göttlichen Ewigkeit. Wer Anstoß nimmt, schreibe mir eine Mail, und ich fixe das dann.)
Hier also Leiverkus’ Briefe an das Bistum in Köln – der Text steht besser lesbar weiter unten.
Katholisches Pfarramt St. Rochus Bonn, den 19. 4. 1989
5300 Bonn 1, Rochusstraße 223, Telefon 62 22 02
An das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln
Betr.: Ratlosigkeit eines Orts-Pfarres
Hochwürdige und Hochwürdigste Herren!
In einer schwierigen Angelegenheit wende ich mich an Sie.
1. Der Sachverhalt
In der Pfarrei St. Rochus, Bonn Duisdorf, sind an jedem Wochenende fünf Gemeindemessen zu halten.
Zwei dieser Gottesdienste liegen gleichzeitig: sonntags um 10.00 Uhr sowohl in der Pfarrkirche als auch in der "Holzkirche" auf dem Brüser Berg.
Dafür sind zwei Priester notwendig, und stehen normalerweise auch zur
Verfügung (Pfarrer und Kaplan).
Am kommenden Sonntag ist der Kaplan jedoch nicht verfügbar, da er ein paar Tage seines Jahresurlaubs verbringt.
Nach unzähligen Telefonaten mit lauter Absagen ist es mir soeben gelungen, einen Priester als Vertretung für Sonntag, 10.00 Uhr zu finden.
2. Das Problem
Der Priester ist Pole und kann nicht in deutscher Sprache predigen.
3. Die Ratlosigkeit
Natürlich ist mir klar, daß es nach den derzeit herrschenden Vorschriften kirchen- und disziplinarrechtlich unbedenklich wäre, wenn der Priester dann eben polnisch predigt. Aber irgendwie plagt mich bei dieser Vorstellung ein ungutes Gefühl, das ich einfach nicht los werde.
Wir haben in der Gemeinde zwar einen Pastoralreferenten, der sehr wohl in der Lage wäre, eine Predigt zu halten, das aber – nach den derzeit herrschenden Vorschriften – in einer Messe gerade nicht darf.
Was soll also geschehen?
Soll A: die Messe ausfallen und stattdessen ein Wortgottesdienst gehalten werden, damit eine Predigt sein kann?
oder B: soll eine Messe gehalten werde, aber die Predigt ausfallen. weil der, der eine halten könnte, sie an dieser Stelle ja nicht halten darf?
oder C: soll der Priester eine Predigt auf polnisch verfassen, die dann übersetzt und von einem Deutschen (Laien!?) zu Gehör gebracht wird?
oder D: soll der Pastoralreferent eine Predigt verfassen, die dann der polnische Priester in deutsch vorzulesen versucht?
oder E: soll der polnische Priester sich aus einer deutschen Predigtzeitschrift eine von einem Priester (!!) verfasste Predigt heraussuchen (lassen?) und versuchen, sie vorzulesen?
Der Möglichkeiten sind so verwirrend viele (vermutlich gibt es noch mehr!), daß ein einfacher Leutepriester wie ich bei so subtilen Differenzierungen leicht den Durchblick verlieren könnte, und darum zur Sicherheit an die höhere Vernunft appelliert, ihm einen Weg zu weisen, der sowohl den derzeit herrschenden Vorschriften nicht widerspricht als auch der pastoralen Verantwortung gerecht wird und schließlich der menschlichen Vernunft nicht allzu offensichtlich zuwiderläuft.
Bei alledem ist höchste Eile geboten, denn in drei Tagen ist die Stunde der Wahrheit da.
Mit erwartungsvollen Grüßen
[unleserliche handschriftliche Unterschrift]
(Benno Leiverkus)
ratloser Pfarrer in Duisdorf
Katholisches Pfarramt St. Rochus Bonn, den 10. 5. 89
5300 Bonn 1, Rochusstraße 223, Telefon 62 22 02
An das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln
Betr.: Meine Ratlosigkeit vom 5. Ostersonntag
Hochwürdigste Obrigkeit!
Da meine Bitte um einen obrigkeitlichen Ratschlag unerhört geblieben war, wurde am 5. Ostersonntag bei uns nach den angeordneten Erkenntnissen verfahren, wenigstens soweit diese für unsereinen fassbar sind. Doch leider hat dieses Vorgehen die Probleme eher vermehrt, so daß ich mich erneut hilfesuchend an die höhere Vernunft wenden muß.
1. Der Sachverhalt
Um die angeordnete Identität zwischen Celebranten und Prediger in der Messe sicherzustellen, oder besser, um das Fehlen eben dieser Identität signifikant zu dokumentieren, wurde um 10.00 Uhr dem ungläubig staunenden Volke Gottes mitgeteilt, daß jetzt zwar der Gottesdienst beginne, die Hl. Messe aber erst später anfange.
Dann trat unser Pastoralreferent auf. Unglücklicherweise orientierten sich die Gedanken seiner "Statio" ausgerechnet an dem Text, der an diesem Tage als Sonntagsevangelium vorgesehen war. Das führte leider dazu, daß zunächst die entsprechende Perikope vorgelesen werden mußte. Pflichtgemäß wurde die Gemeinde darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Lesung nicht etwa um die "Verkündigung des Evangeliums" handele (die finde als Bestandteil der Eucharistie erst später statt!) sondern nur um das zur Kenntnisbringen einer Schriftstelle im Hinblick auf die Verständlichkeit der nachfolgenden "Statio". Um diesen Sachverhalt signifikant werden zu lassen, blieb die Gemeinde denn während des Vorlesens auch sitzen.
Es folgte die "Statio" des Personalreferenten.
Dann trat der (der deutschen Sprache nicht mächtige) Priester auf. Der Gemeinde wurde zur Sicherheit nochmals mitgeteilt, daß der Gottesdienst zwar vorhin schon begonnen habe, die Messe aber … usw.
Der Wortgottesdienst nahm sodann seinen ordnungsgemäßen Verlauf. An der vorgeschriebenen Stelle wurde die anfangs nur zu Gehör gebrachte Perikope erneut vorgelesen. diesmal aber als "Verkündigung des Evangeliums". Die Gemeinde hat sich denn auch vorschriftsmäßig erhoben.
Nach der Verkündigung des Evangeliums trat eine Besinnungspause ein, und jeder versuchte, sich an das zu erinnern, was der Pastoralreferent zu Anfang "ge-statiot (?)" hatte, was er aber an dieser Stelle nicht mehr sagen durfte.
Danach wurden bis zum Schluß der Messe keine besonderen Vorkommnisse mehr beobachtet.
2. Das Problem
Nach der Messe wurden wir von zahlreichen aufgebrachten Gläubigen gefragt … ob wir se noch alle hätten? … (sic !)
3. Die Ratlosigkeit
Was soll ich dem Volke Gottes antworten?
In der Hoffnung, daß ihm diesmal eine einleuchtende Antwort von oben zuteil werden möge, grüßt in alter und neuer Ratlosigkeit
[unleserliche handschriftliche Unterschrift]
(Benno Leiverkus)
Leutepriester zu Duisdorf
Perikope: Abschnitt aus der Bibel, der im Gottesdienst vorgelesen wird.
Statio: hier Abschnitt der Messe
Links
• »Der ›Bischof‹ vom Hadtberg ist tot«, Bonner General-Anzeiger 26.8.2018
• Nachruf von »katholisch in Duisdorf«
• kirchliche Todesanzeige
• Link des Bestatters
• Link zum »himmlischen Jerusalem«
• Link hierher zum Weitergeben: http://j.mp/2Caqmf3 =
https://blogabissl.blogspot.com/2018/09/benno-leiverkus.html
Bildquelle |
Das vielerwähnte Natz liegt auf einem kleinen von Eisack und Rienz umgrenzten Plateau auf 883 Meter Meereshöhe im Eisacktal wenige Kilometer nördlich von Brixen und Kloster Neustift (Wikipedia, Mapcoordinates).
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