»Georges Clemenceau, Zeitungsverleger und später französischer Ministerpräsident, wies seine Redakteure an: ›Bevor Sie ein Adjektiv hinschreiben, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es nötig ist.‹«, kolportierte recht phantasievoll unter vielen anderen die Welt – mehr dazu unten. Gleichermaßen soll der Sprachsatiriker Mark Twain 1880 in einem Brief an D.W. Bowser geschrieben haben: »Wenn Sie ein Adjektiv sehen, bringen sie’s um!« – “When you catch an adjective, kill it!”
Wie so oft halte ich’s sprachlich nicht ganz so streng mit der »Wörtlichkeit« der Adjektive. Bewusst muss Sprache gesetzt werden, logisch nicht. Dazu gehört, bloße Schönrednerei (»verdienter Ruhestand«) oder politisch platte Polemik (»völkerrechtswidrig annektierte« … erraten?) sein zu lassen, oder – wenn schon –, so zumindest in jedem Einzelfall bewusst einzusetzen. Sonst wird’s bald ungewollte Ironie. In den dritten Stock hatten die damals gewiss keinen Aufzug!
Aus der Gartenlaube von 1872, Seite 657 |
Über allen Gipfeln
Ist Ruh’,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.
Ein Eigenschaftswort: allen. Und das kommt bescheiden daher, unauffällig, der Betonung dienend und nicht noch »eins draufsetzend«. Ist es doch bekanntermaßen ein Zeichen für Kitsch, wenn immer mehr und mehr hineingepackt wird in ein Bild, das Gewitter zum röhrenden Hirsch, Wetterleuchten dazu. Ich sehe mich oft textlich-wörtlich hineinrennen in eine Überfülle von Einzelheiten, die dem Leser den roten Faden nehmen, und allein meiner Angeberei als Autor dienen. »Herr Leser, ich weiß was!«
Noch strenger ist Matthäus 5,33. Da aber geht’s ums Schwören.
• Sönke Krüger: http://www.welt.de/wams_print/article2839395/Ueberfluessige-Adjektive.html
• Wolf Schneider ist ›a dabei‹: http://www.zeit.de/1997/52/Wolf_Schneider_10
• Georges Clemenceau: « Une phrase française ça se compose d’un sujet, d’un verbe et d’un complément direct. Et quand vous aurez besoin d’un complément indirect venez me trouver. » – »Ein französischer Satz besteht aus einem Subjekt (Satzgegenstand), einem Verb (Prädikat, Satzaussage) und einem direkten Objekt (Akkusativobjekt). Und wenn Sie ein indirektes Objekt (Dativobjekt) brauchen, dann kommen Sie zu mir.« – Z.B. »Ich (Subjekt) schenke (Prädikat) Paul (Dativobjekt) ein Klavier (Akkusativobjekt).« – Clemenceau hatte also nicht Adjektive (Eigenschaftswörter) verbannt, wie vielfach kolportiert, sondern bloß Dativobjekte …
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