18. April 2016

Wertkonservativer Liberalismus bei Wilhelm Röpke

Mein sel. Großvater (1881—1972) hat Wilhelm Röpke stets hochgeschätzt. Fünfzig Jahre nach Röpkes Tod schrieb – die ebenfalls von ihm geliebte – Neue Zürcher Zeitung, einen Nachruf, hier zu lesen.
   Aufgefallen sind mir sein Plädoyer für Anständigkeit, ohne die gar nichts geht, und Überschaubarkeit. Gerhard Schwarz schreibt in der NZZ:

Röpke mit Fliege … comme il faut
»Röpkes kritische Haltung gegenüber kollektiven, staatsinterventionistischen und sozialistischen Lösungen hat damit zu tun, dass ihm jede Vermassung zutiefst suspekt ist. Zusammen mit der sie begleitenden Anonymität ist sie für ihn eine Wurzel zunehmender Verantwortungslosigkeit und eines galoppierenden Werteverlusts. Von daher durchzieht sein ganzes Schaffen ein Plädoyer für Föderalismus und Kleinheit bzw. gegen Zentralismus und politische Integration. Was Wunder, dass er als überzeugter Europäer und Gegner chauvinistischer Abschottung trotzdem relativ früh beginnt, an der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Kritik zu üben, wo immer er Zentralismus und Nivellierung wittert.
   Auch seine Kritik am Wohlfahrtsstaat, dieser ›komfortablen Stallfütterung‹, ist weniger ökonomisch als humanistisch motiviert. Er ist überzeugt – darin nicht unähnlich Friedrich August von Hayek –, dass die staatliche Sozialpolitik die soziale Sicherung in den traditionellen Kleingruppen der Familie und der Nachbarschaft verdrängt und zerstört. Und er befürchtet durch die Erhöhung der Steuerlast im Gefolge des Ausbaus des Sozialstaates eine Zerstörung des Mittelstandes, eine zunehmende Abhängigkeit vom Staat und den Verlust des Freiheitsankers ›Privateigentum‹.«

Solidargemeinschaften müssen überschaubar bleiben. Die zunehmende Globalisierung kann nicht demokratisch bedeuten, dass nun ganz Europa über etwas entscheiden muss – was dann auch nicht mehr demokratisch geschieht. Wir müssen wissen, was wir in der Gemeinde, im Land wollen, uns nicht gleich für den ganzen Staat oder einen Kontinent festlegen wollen. Lassen wir andere es anders machen: Souveränität bedeutet einerseits Selbstverantwortung und andrerseits Nichteinmischung. Die Diktaturgefahr geht meines Erachtens nicht von Rechts- oder Linkswählern aus, sondern von einer Mitte, die auf Kosten demokratischer Meinungsbildung immer nur groß und erfolgreich sein will, doch stattdessen verfilzt.
   Ein Zweites: Ohne Moral, u. z. jedes Einzelnen, geht es nicht. Der moderne Versuch, Moral durch Gesetze zu ersetzen, durch Politik, wird scheitern. Strenge tradierter, religiöser Auffassungen täte uns allen gut.

PS. Mit dem verbrannten Servet meint Röpke Michael Servetus, † 1511.
   Und hier die
Schrebergartenanekdote
Eine kleine Anekdote, die Rüstow von Röpke erzählt hat, der mit dem marktliberalen Ökonomen Ludwig von Mises einst durch eine Schrebergartensiedlung ging, illustriert diesen Standpunkt. Rüstow schreibt: „Mein Freund Wilhelm Röpke ging einmal in Holland mit einem Kollegen durch eine solche Schrebersiedlung, ich kann den Namen des Kollegen, den er verschwiegen hat, ruhig verraten, es war der bekannte und verdienstvolle paläoliberale Nationalökonom Ludwig von Mises, und Herr von Mises sagte: »Unproduktive Art von Gemüseproduktion!« - Röpke erwiderte: »Höchst produktive Art von Glücksproduktion!« (Erzählt in der FAZ)

• Röpke im historischen Lexikon der Schweiz
• Röpke in Prabook
• Röpke in der deutschen Wikipedia
• Röpke in der englischen Wikipedia
• Röpke im Mises-Institut

Link hierher:
http://blogabissl.blogspot.com/2016/04/wertkonservativer-liberalismus-bei.html 

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