21. Juni 2012

Eine kleine Gabe als Andenken u. Ostergruss. Hildeg. Kanders oder Kunders. 12. IV. 49 –
mit kindlicher Handschrift im ansonsten undatierten Bändchen

Antonia
Erzählung von Karl Franz Leppa

aus dem Adam-Kraft-Verlag zu Karlsbad und Leipzig. Gefunden mit leichten Verwerfungen und Schimmelspuren draußen im Sperrmüll. (Wie übrigens auch ein lateinisches Bevier mit verblasstem Goldschnitt.)
   Gestern hatte ich noch mit Carla im Kinderkanal Episode 61 der 78-teiligen australisch-deutschen Fantasyserie H2O – Plötzlich Meerjungfrau gesehen, wo’s neben teenigen Meerjungfrauen auch um böses, sich lebendig aufbäumendes Wassser geht. Toll gemacht. Nachts dann diese Antonia gelesen, eine Geschichte von einem schönen Mädchen und einem verwunschenen Wassergeist aus dem Wuldauflusse. Die hätte selbst Ganghofer das Gruseln gelehrt: Wie sich der Fluss aus dem Eis heraus sprengt, aufquellend, aufbrausend, oder in der Sengsmühle in die Radstube einbricht und sich mit dem knarrenden Rade spielt (p 39), wie zuhause der Hausborn (p 36) nach Antonia greift. Die Wassersäule weitete sich, dass darinnen ein Mann zu stehen vermochte, dunkel gegen das Licht, aber dennoch wie Stahl leuchtend vor der dunklen Ecke mit dem Kreuzholz, das nur im frühesten Morgenlichte sichtbar wurde (p 37).
Andrees Handatlas 1930, p 75, G5
(klickbar, wie alle Bilder hier!)
   Wo spielt die Geschichte? Die Wuldau ist als Fluss so nicht mehr zu finden in der Wikipedia, Kleinretschlag (p 35) erscheint nicht einmal bei Google (jetzt vielleicht dann schon …). Im Dreiländereck Bayern, Böhmen und Österreich gibt es die in der Erzählung genannte Stadt Ottau als Zátoň (früher auch Otov; deutsch Ottau), ein Ortsteil der Gemeinde Větřní im Okres Český Krumlov in Tschechien. Větřní hieß Wettern, Český Krumlov Böhmisch Krumau und Tschechien nannten wir früher ganz harmlos die Tschechei. Krumau liegt an der Moldau, die noch heute so heißen darf, weil sie grad so schön klingt
   Ein Ort Unter-Wuldau oder Unterwuldau ist noch zu finden, in meinem Andrees Handatlas und heute als Jihočeský Kraj an einem Stausee. Wuldau soll Wltava sein, ein anderes Wort für die Moldau.
Wilhelm Busch, die Kirmes
   Und was bedeuten sonst die alten Wörter? Ein Kreuzholz ist ein Kruzifix, das wird bald klar. Viele andere Wörter kann man sich denken, den Hausborn als Brunnen im oder am Haus, die Radstube als Raum, in dem sich das Mühlrad dreht. Doch schon, was eine Segmühle ist (nicht Senfmühle), weiß ich nicht, vielleicht eine Sägmühle? Den Schragen der Spielleute (p 44) kenne ich von den Schragen in unserem Wald und von einer Wilhelm-Busch-Zeichnung als Empore für die Musik. Das muss es sein.
   Wenn es allerdings heißt (p 40):
      Wassermann, nasser Mann,
      heut konn’s da gro(t)n,
      bist af r an Bauerntanz
      mitten da Nacht glo(d)n!
– dann hab’ ich keine Ahnung, was gro(t)n sein soll. Der Leppasche Wassermann hat’s wohl gewusst und ist denn auch gekommen.
   Leppa (* 28. Januar 1893 in Budweis; † 13. August 1986 in Weißenburg in Bayern) hat seine Antonia nach dem ersten Weltkrieg geschrieben: »In der Nachkriegszeit … folgten die Erzählung Antonia als die Verarbeitung eines Sagenstoffes des Böhmerwaldes«, 1931. Der Text ist im Internet nirgends zu finden. Dieses verd… »Urheberrecht«!    
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Dazu schreibt mir mein Freund Sch.: 
Krumau, »Weltkulturerbe«
(Foto von hier)
   An Krumau hatte ich sofort gedacht. Das ist eine Stadt, von der es sehr viel zu erzählen gäbe. Da müsste meine Frau noch leben. Schwarzenberg, Egon Schiele – aber auch Kubin kamen mir in den Sinn, und Lonja von Kaschnitz
   Sie heißt Lonja Stehelin-Holzing [1898-1964)] und war die ältere Schwester der Kaschnitz
   Ich habe sechs Seiten handschriftlicher Briefe als pdf-Datei, soll ich die mal schicken? Ich kann so schlecht Handschriften lesen, sie müssten mal abgeschrieben werden.
   Lonja war eine unglaublich begabte Person und an Orginalitat nicht zu übertreffen. Sie starb wie meine Frau, die zauberhafte Schwester der berühmt gewordenen Marie Luise. Die Briefe, in denen sie meine Frau immer als Meduse (Binsenkraut*) sah und bedichtete, bekommt dann die Stabi (die Bayrische Staatsbibliothek).
  Wir waren in Krumau, als noch tiefe Schwärze die Gassen beherrschte, und der Zerfall sich mit Angst und Pein mischte. Heute ist es ein unerträglicher Touristenrummel, grauenvoll!
*) Da meint er wohl Bilsenkraut. Was das mit einer Meduse zu tun hat, zeigen vielleicht die Briefe. fj 

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