22. Juni 2012

Das Leben als Interessen-Kontinuum

Klingt großartig, gell! Sowas kann sich auch nur ein Rentner einfallen lassen. Die leben in den Tag hinein, wenn nicht gerade auf Kreuzfahrt.
   Im Ernst: Jüngst habe ich mit einer Freundin diskutiert, und zwar über die Grenze von Freizeit und Arbeit bezw. Schule, wenn’s um die Kinder geht. Sie meint: Sphären trennen, in Freizeit und Ferien entspannen, dann wieder konzentriert arbeiten. Ich meine: Immer dabei sein, Arbeit »mitnehmen«, Handy nicht ausschalten, dann je nach Lust und Laune vertiefen oder nicht. Weil ich gerne anderer Meinung bin, blieb es bei den Standpunkten.
   Heute nun las ich in der Zeitung zum ersten Mal das Wort »Median«. Und erinnete mich daran, vorige Woche über den gymnasialen Matheunterricht hergezogen zu sein, weil der von den Schülern verlangt, den Median zu kennen (und nicht mit einem Meridian zu verwechseln). Ich also gleich – gestandenermaßen noch im Bademantel – in der Wikipedia nach Median geguckt. Interessant: »Eine wichtige Eigenschaft des Medians ist Robustheit gegen Ausreißer«.
Dreht sich sichtbar zu schnell.
(Quelle)




   Was will ich sagen damit? Dass ich mich geirrt habe? Was ein Median ist? Gewiss. Aber gehoben in die Metasphäre (:–): Man denkt immer weiter. Man lebt immer weiter. Jedenfalls, solange man lebt, ich. Für mich ist und war das Leben nie eine Zweizimmerwohnung, hier Arbeit, dort Vergnügen. Selbst der Ozean hat mich nicht gehindert, meine Gedanken überall sein zu lassen. Moderne Elektronik, Handys, das Internet, haben das weiter gefördert. Kalifornien und Thailand sind mir gleich nahe – hier Erinnerungen und Freude, dort Gabor; aber das ist eine andere Geschichte.
   Ich liebe das Leben zu sehr, begann meine berufliche Laufbahn außerdem in Großraumbüros, als dass ich trennen tät’ zwischen Lebens-Sphären. Zugegeben: Eine gewisse Verspieltheit, Unkonzentriertheit, bis hin zu einem Messysein laufen (wie alles bei mir) parallel. Das ist dann die Kehrseite von »Leben alleweil«, von meinem Interessen-Kontinuum. Wobei »Kehrseite« der falsche Begriff ist. Diese »Kehrseite« wird höchstens zu »Nachteil«, schlimmstenfalls zum »Nachtteil« auf meiner runden Welt.

> Hallo Fritz,
> ich bleibe dabei. Wenn ich all meinen Lieben gerecht werden will, dann
> geht es mit getrennt nach Freizeit und Arbeit für alle leichter. Jeder
> kann sich danach richten und sich insbesondere darauf verlassen: Wenn
> die Arbeit getan ist, dann ist Freizeit. Die Kinder wissen, wenn sie
> dies und jenes erledigt haben, dann ist Ruhe, sprich Freizeit. Die
> Verbindung von Arbeit und Freizeit hat für mich schon mal den
> Beigeschmack, den Kindern wird jetzt was nahe gebracht, weil es mich
> interessiert und ich will, dass sie es mitbekommen. Frei nach dem
> Grundsatz, irgendwas bleibt immer hängen. Ich bin mir nicht sicher, ob
> und wie ich es machen sollte, beide Dinge, Freizeit und Arbeit,
> miteinander zu verbinden. Ich bin, hauptsächlich durch die Schule, in
> bestimmte Grenzen gepresst. Die mögen mir nicht immer gefallen, sind
> aber so. Und mein Anspruch heißt halt schon, in erster Linie den
> Kindern gerecht zu werden. Sonst hätte ich mir keine »angeschafft« und
> würde jetzt wahrscheinlich meinen Wochenendtrip nach Stuttgart
> starten, um dort eine mir am Herzen liegende Kunstausstellung anzuschauen. (Bin ja
> manchmal doch nicht so ein Kulturbanause wie es den Anschein macht.)
> Stattdessen schnipple ich Gürkchen für den Nudelsalat,
> den ich zum Abendessen bei Freunden beisteure, mit denen wir heute
> alle gemeinsam das Fußballspiel Deutschland gegen Griechenland
> schauen werden. Interessiert mich überhaupt nicht (also das Spiel),
> aber die Kinder finden es toll. Schön ist doch, dass jeder es so
> machen kann wie er meint. Richtig oder falsch gibt es da gar nicht.
> Vielmehr kommt letztlich doch so die Vielfalt zustande. Eben das kölsche »Jeder
> Jeck ist anders«. Oder intellektueller: Die Freiheit ist immer die
> Freiheit des Andersdenkenden.
> So, freue mich, Dich zu einem Blog angeregt zu haben.

Ob ich das (ohne Namen) als Koda an den Blog hängen darf? Nur halt: Ich sehe auf den ersten Blick keinen Widerspruch zwischen Pflichterfüllung und Dienst-Schnaps-Trennung oder nicht. Ist ja nicht so, dass ich Carla vernachlässigte, nur weil ich sie beim Eis am Rhein nach dem Joggen frage, was der vorbeiziehende Schiffsname »Voluntas« wohl heißt? Oder ob die bis in den Bodensee fahren? Wenn die Leute beim Joggen – ich bleibe dabei – Stöpselmusik hören, ist das Dekonzentration oder Laufhilfe?
   Konkret zu deinen Kindern. »Die Kinder wisssen, wenn sie dies und jenes erledigt haben, dann ist Ruhe, sprich Freizeit«, schreibst du. Das weiß Carla hier auch, leider, find’ ich.
   Spontan meint sie auf die Frage nach Arbeitstrennung: »Keine Ahnung, man kann schon mischen«. Hättest dir nicht von deiner Tochter bei besagtem Gürkchenschnippeln helfen lassen können, außertourlich, außerpflichtig, emphasefördernd? Ich finde immer noch, wir machen dene Kleinen zu viel.
  Da aber ist ein anderes Blatt, das wenden wir später.

Und wir werden unseren Diskurs gerne fortsetzten, schließlich haben wir ja noch ein paar Jahre, bis unsere wunderbaren Kinder zu noch wunderbareren Erwachsenen geworden sind und uns olle Eltern überwiegend peinlich finden. Mit oder ohne »gemischter Erziehung«. Sie werden für manches dankbar sein, und anderes ganz anders machen wollen. Und sich dann vielleicht doch dabei erwischen, das sie es – manchmal – so machen, wie sie es bei uns nicht gemocht haben. Und dann schließt sich der Kreis wieder.
   Und – aus eigener Erfahrung – Stöpselmusikhören beim Joggen ist einfach nur Ablenkung vom Schmerz und dem inneren Schweinehund, bei entsprechender, lauter Musik lässt sich so schön von anderen Dingen träumen. Bin jahrelang gelaufen, bis die Knie »nein Danke« gesagt haben. Ohne die Titelmusik von Rocky 1-3 wäre ich keinen Meter gelaufen. Viel zu anstrengend.


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