Bewertung ex post? Andreas Petzold, Stern-Chefredakteur, schreibt in seinem Leitartikel »Eva Herman und die Frage: Wie ahnungslos darf man sein?« im Stern 43/2007 vom 18. Oktober 2007:
»Es gibt offenbar Zeitgenossen, die so denken, wie es Eva Herman nachgesagt wird. Diese Zeitgenossen übersehen, dass sich das ›Dritte Reich‹ nur vom Ende her gesehen bewerten lässt …«
Jeder vierte Deutsche hatte dem Stern zufolge in einer Umfrage angegeben, der Nationalsozialismus habe auch gute Seiten aufzuweisen.
Ich will mich nicht an der eher despektierlichen Benennung dieser Mitbürger als »Zeitgenossen« stoßen. Ich meine auch nicht, alle »Errungenschaften« vor dem Krieg seien allein vom Nationalsozialismus zu verantworten. Wie stets wird da Politik überschätzt – was dann zu billigen Verallgemeinerungen führt: Die Nazis waren an allem schuld, und: Alles, was da passierte, war nazistisch.
Kann man eine Sache bloß von ihrem Ende her beurteilen? Ist das nicht sehr eingeschränkt? Gedanklich gefährlich? Polemisch gesagt: Wäre das Dritte Reich nicht untergegangen, wäre es dann besser gewesen? Die bürgerliche Einstellung zur Frau, war sie wirklich nur von der Politik bestimmt? Jemals? Um eine höhere Kinderzahl bemühen sich nun einmal alle modernen westlichen Staaten. Sind die verschiedenen Versuche nur aus dem jeweiligen politischen Menschenbild heraus zu sehen? Für einen bloß politischen Menschen vielleicht, der alle Mittel bloß von ihrem Zweck her beurteilt. Der Zweck heiligt die Mittel, und scheinbar nur der Zweck.
Wer allerdings ein etwas weiteres Bild von Gut und Böse hat, vielleicht ein religiös geprägtes, ein »absolutes«, wer an »das Gute« glaubt, der muss zugeben, dass auch ein Böser Gutes tun kann. Oder? Sola fide? Dabei geht es um den Menschen und sein ewiges Heil, nicht um die Sache. Hängt – für eine Sache – alles nur von der Einstellung des Handelnden ab? Oder gibt es Gut und Böse auch unabhängig von Guten und Bösen? Ich meine: Richtig wissen werden wir das nie, erst nach dem Jüngsten Gericht, und das kann noch dauern. Vielleicht nicht einmal dann werden wir sachlich Klarheit haben, denn Gottvater beurteilt Leute, nicht Sachen. Trotz dem eher unglücklichen Biss in den Apfel des Baums der Erkenntnis sind wir immer noch nicht scientes bonum et malum ...
Doch zurück zum Stern. Wenn wir schon eine Zeit »bewerten« – was ich eher unbescheiden finde, wir sollten uns bemühen, eine Zeit zu verstehen – dann bitte nicht bloß von ihrem Ende her.
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