»Germany, Memories of a Nation«,
ISBN 979-0-241-00833-1, 2014,
by the Director of the British Nuseum, Neil MacGregor: 598 pages.
To me as German (and Austrian) it gives an outside view of Deutschland, quite unexpected. My historic knowledge is extremely weak, I have never been interested, especially as we got served histrory at school in unconnected pieces.
First MacGregor shows that German history is different to all other nations’. It’s full of traumas. No lasting heroic achievements can be promoted, as by other nations. In fact German pride ends with Fußballweltmeisterschaft and Mercedes, to say it rudely. By the time the term Holocaust became used, »since the mid-1970s« (Wikipedia), and in Germany in the 1980s, we have to see it as an unique crime to burden all Germans forever. I won’t discuss this moral burden – to me each single life, and even more each death is unique, always and for all times. The view of an unforgivable, uncomparable crime has been turned against the Jews themselves more than thousand years aftter the »crime« of crucifying Jesus. Enough.
East German police checking West Berlin residents returning from East to West Berlin on August 13, 1961. (Lloyd, Heinkel, ?) Source Wikipedia resp. Bundesarchiv |
At that time in 1961 I worked for AEG in West Berlin, living in a student home in the Wedding, Triftstraße 67. I was 19 years old. The demonstration at Rathaus Schöneberg – not in front of the Brandenburg Gate – took place on Wednesday, August 16*) – the only demonstration I ever participated; we went as group by AEG. Willy Brandt spoke (speech, sound).
I also remember crossing the Brandenburg Gate for some more days after August 13 by bike, right through the gate.
Now to the picture here. The original, very official caption of the East Berlin black-and-white photo here says: »Sicherung der Staatsgrenze am 13.8.1961. Zahlreiche Westberliner Bürger ließen sich durch die Frontstadtpropaganda nicht von einem Besuch der DDR-Hauptstadt Berlin abhalten und passierten am 13.8. die für den Übergang eingerichteten Kontrollstellen. Nach der Kontrolle am Brandenburger Tor (unser Foto) kehren die Besucher nach Westberlin zurück.« Securing the State Border on August 13, 1961. Numerous West Berliners were not kept by the front city’s popaganda [West Berlin, as seen by the east, official western name was: »Berlin (West)«] from visiting the capital of the GDR [as such at that time not acknowledged by the western allies, still seen as »sector«] and passed trough the checkpoints provided. After having been checked at Brandenburg Gate (our picture) the visitors returned to West Berlin.
Berlin 1961. Sniplet, source |
I still use the bicycle.
In chapter two, »Divided Heaven«, quoting a book’s title by Christa Wolf, MacGregor writes (on page 28) about the Tränenpalast. He dramatizes its complexity, and quotes Sabine Benecke of the German Historical Museum: »As you moved from the train to the exit, you kept having to change direction and change level.« This was the fact, but had been so since many years, as the subway (U-Bahn) ran below ground, the regular trains (»Fernzüge«) at mid level, and the S-Bahn was elevated. The special border control barack for pedestrians, the »palace of tears«, was built later, as again Wikipedia explains. The complexity of the station was not made by GDR, nor intentional.
I have been at Friedrichstraße very often. Either I passed it in summer of 1961 on my way with U6 from the Wedding to Hallesches Tor, or for a change to the S-Bahn there. Use of the S-Bahn, however, was seen as politically incorrect, as it was owned by the East (and thus extremely cheap). After August 13 U trains stopped habitually at the otherwise inaccessible stations in East Berlin (like Walter-Ulbricht-Stadion – today Schwartzkopffstraße, Nordbahnhof – today Naturkundemuseum, Oranienburger Tor, Franzöische Straße and Stadtmitte), and at Friedrichstraße. Lateron they just drove trough, allowing exit only at Friedrichstraße for the East German control point and to switch trains to S-Bahn.
*) Read an 2011 article by Egon Bahr (then secretary to Berlin’s major Willy Brandt) in the Welt (with many pictures).
In chapter three, »Lost capitals«, MacGregor lovingly writes about Königsberg, Prag and even Straßburg. Königsberg, where my father was born, Prag and Brünn, where I was born, are gone forever. Straßburg and Bozen, where I went to school, now are in France and Italy respectively.
At least South Tyrol, with Bozen as capital, retained German as second official language, thanks to bordering Austria. Today it’s an example of a multiethnical state. I feel at home there.
(Details links ←. Zum Vergrößern anklicken.) |
Flugblatt zur Befreiung Straßburgs, 1871.
(Flugblatt 34.)
Vor dem Kriege: „Vive l’ empereur!“
Nach dem Kriege: „Es lebe der Kaiser!“
Fühl’ in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz,
Liebling des Volks zu sein!
Heil König dir!
Vaterland – Wacht am Rhein
Der freie deutsche Rhein
STRASSBURG COELN
So lang sich hohe Dome in • einem • Spiegel sehn
Wir wollen sein ein Volk von Brüdern. In keiner Noth uns trennen, noch Gefahr.
Deutschland’s Einheit
(Zeichner) Matthis, (Drucker) J. Loewenstein & Co. Elberfeld«, Quelle
In chapter five, »Fragments of power«, the well-known Kleinstaaterei of historic Germany is shown by coins. MacGregor sees it positively, »the Holy Roman Empire as the triumph of creative fragmentation.«
Which brings us to Part Two of the book, »Imagining Germany«.
Luther, the Brothers Grimm, together with a forest full of oak trees, that’s what made up Germany.
Deutsche Kurrentschrift, aus der Wkipedia |
Zum Schäkespears Tag,
nb without hyphen. It’s on page 137 of Neil MacGregor’s book. Even for someone (barely) able to read »Deutsche Kurrentschrift« – used in Germany more or less until 1941 – Goethe is hard to decipher. But let’s continue in German.Goethe hat das besonders schön geschrieben. Heute wäre es vermutlich ein Handout zur Rede gewesen, gedruckt in Arial, »es gilt das gesprochene Wort« …
Ich will mal versuchen, Seite eins dieses historischen Manuskripts vom zweiundzwanzigjährigen Goethe möglichst lesbar, elektronisch sozusagen entgilbt, wiederzugeben, dazu den vollen Text, dankenswerterweise von Wikisource gelesen.
Goethe-Manuskript vom 14. Oktober 1771 »Zum Schäkespears Tag.« (klickbar) |
Zum Schäkespears Tag.
Mir kommt vor, das sey die edelste von unsern Empfindungen, die
Hoffnung, auch dann zu bleiben, wenn das Schicksaal uns zur allgemeinen
Nonexistenz zurückgeführt zu haben scheint. Dieses Leben, meine Herren,
ist für unsre Seele viel zu kurz, Zeuge, dass ieder Mensch, der
geringste wie der höchste, der unfähigste wie der würdigste, eher alles
müd wird, als zu leben; und dass keiner sein Ziel erreicht, wornach er
so sehnlich ausging – denn wenn es einem auf seinem Gange auch noch so
lang glückt, fällt er doch endlich, und offt im Angesicht des gehofften
Zwecks, in eine Grube, die ihm, Gott weis wer, gegraben hat, und wird
für nichts gerechnet.Für nichts gerechnet! Ich! Da ich mir alles binn, da ich alles nur durch mich kenne! So ruft ieder, der sich fühlt, und macht grosse Schritte durch dieses Leben, eine Bereitung für den unendlichen Weeg drüben. Freylich ieder nach seinem Maas. Macht der eine mit dem stärcksten Wandertrab sich auf,
[bis dahin Seite 1]
so hat der andre siebenmeilen Stiefel an, überschreitet ihn, und zwey Schritte des letzten bezeichnen die Tagreise des ersten. Dem sey wie ihm wolle, dieser embsige Wandrer bleibt unser Freund und unser Geselle, wenn wir die gigantischen Schritte ienes, anstaunen und ehren, seinen Fustapfen folgen, seine Schritte mit den unsrigen abmessen.
Auf die Reise, meine Herren! die Betrachtung so eines einzigen Tapfs, macht unsre Seele feuriger und grösser, als das Angaffen eines tausendfüsigen königlichen Einzugs.
Wir ehren heute das Andencken des grössten Wandrers und thun uns dadurch selbst eine Ehre an. Von Verdiensten die wir zu schätzen wissen, haben wir den Keim in uns.
Erwarten Sie nicht, das ich viel und ordentlich schreibe, Ruhe der Seele ist kein Festtagskleid; und noch zur Zeit habe ich wenig über Shakespearen gedacht; geahndet, empfunden wenns hoch kam, ist das höchste wohin ich’s habe bringen können. Die erste Seite die ich in ihm las, machte mich auf Zeitlebens ihm eigen, und wie ich mit dem ersten Stücke fertig war, stund ich wie ein blindgebohrner, dem eine Wunderhand das Gesicht in einem Augenblicke schenckt. Ich erkannte, ich fühlte auf’s lebhaffteste meine Existenz um eine Unendlichkeit erweitert, alles war mir neu unbekannt, und das ungewohnte Licht machte mir Augenschmerzen. Nach und nach lernt ich sehen, und, danck sey meinem erkenntlichen Genius, ich fühle noch immer lebhafft was ich gewonnen habe.
Ich zweifelte keinen Augenblick dem regelmäsigen Theater zu entsagen. Es schien mir die Einheit des Orts so kerckermäsig ängstlich, die Einheiten der Handlung und der Zeit lästige Fesseln unsrer Einbildungskrafft. Ich sprang in die freye Lufft, und fühlte erst dass ich Hände und Füsse hatte. Und ietzo da ich sahe, wieviel Unrecht mir die Herrn der Regeln in ihrem Loch angethan haben, wie viel freye Seelen noch drinne sich krümmen, so wäre mir mein Herz geborsten, wenn ich ihnen nicht Fehde angekündigt hätte, und nicht täglich suchte ihre Türne zusammen zu schlagen.
Das griechische Theater, das die Franzosen zum Muster nahmen, war, nach innrer und äuserer Beschaffenheit, so, dass eher ein Marquis den Alcibiades nachahmen könnte, als es Corneillen dem Sophokles zu folgen möglich wär.
Erst Intermezzo des Gottesdiensts, dann feyerlich politisch, zeigte das Trauerspiel einzelne grose Handlungen der Väter, dem Volck, mit der reinen Einfalt der Vollkommenheit, erregte ganze grose Empfindungen in den Seelen, denn es war selbst ganz, und gros.
Und in was für Seelen!
Griechischen! Ich kann mich nicht erklären was das heisst, aber ich fühls, und berufe mich der Kürze halber auf Homer und Sophokles und Theokrit, die habens mich fühlen gelehrt.
Nun sag ich geschwind hinten drein: Französgen, was willst du mit der griechischen Rüstung, sie ist dir zu gros und zu schweer.
Drum sind auch alle Französche Trauerspiele Parodien von sich selbst.
Wie das so regelmäsig zugeht, und dass sie einander ähnlich sind wie Schue, und auch langweilig mit unter, besonders in genere im vierten Ackt das wissen die Herren leider aus der Erfahrung und ich sage nichts davon.
Wer eigentlich zuerst drauf gekommen ist die Haupt und Staatsaktionen auf’s Theater zu bringen weiss ich nicht, es giebt Gelegenheit für den Liebhaber zu einer kritischen Abhandlung. Ob Shakespearen die Ehre der Erfindung gehört, zweifl’ ich: genung, er brachte diese Art auf den Grad, der noch immer der höchste geschienen hat, da so wenig Augen hinauf reichen, und also schweer zu hoffen ist, einer könne ihn übersehen, oder gar übersteigen.
Shakespeare, mein Freund, wenn du noch unter uns wärest ich könnte nirgend leben als mit dir, wie gern wollt ich die Nebenrolle eines Pylades spielen, wenn du Orest wärst, lieber als die geehrwürdigte Person eines Oberpriesters im Tempel zu Delphos.
Ich will abbrechen, meine Herren, und morgen weiter schreiben, denn ich binn in einem Ton, der Ihnen vielleicht nicht so erbaulich ist als er mir von Herzen geht.
Shakespears Theater ist ein schöner Raritäten Kasten, in dem die Geschichte der Welt vor unsern Augen an dem unsichtbaaren Faden der Zeit vorbeywallt. Seine Plane sind, nach dem gemeinen Styl zu reden, keine Plane, aber seine Stücke, drehen sich alle um den geheimen Punckt, |: den noch kein Philosoph gesehen und bestimmt hat :| in dem das Eigenthümliche unsres Ich’s, die prätendirte Freyheit unsres Willens, mit dem nothwendigen Gang des Ganzen zusammenstösst. Unser verdorbner Geschmack aber, umnebelt dergestalt unsere Augen, dass wir fast eine neue Schöpfung nötig haben, uns aus dieser Finsternis zu entwickeln.
Alle Franzosen und angesteckte Deutsche, sogar Wieland haben sich bey dieser Gelegenheit, wie bey mehreren wenig Ehre gemacht. Voltaire der von ieher Profession machte, alle Maiestäten zu lästern, hat sich auch hier, als ein ächter Tersit bewiesen. Wäre ich Ulysses; er sollte seinen Rücken unter meinem Scepter verzerren.
Die meisten von diesen Herren, stosen auch besonders an seinen Carackteren an.
Und ich rufe Natur! Natur! nichts so Natur als Shakespeares Menschen.
Da hab ich sie alle überm Hals.
Lasst mir Lufft dass ich reden kann!
Er wetteiferte mit dem Prometheus, bildete ihm Zug vor Zug seine Menschen nach, nur in Colossalischer Grösse; darinn liegts dass wir unsre Brüder verkennen; und dann belebte er sie alle mit dem Hauch seines Geistes, er redet aus allen, und man erkennt ihre Verwandtschafft.
Und was will sich unser Jahrhundert unterstehen von Natur zu urteilen? Wo sollten wir sie her kennen, die wir von Jugend auf alles geschnürt und geziert an uns fühlen, und an andern sehen. Ich schäme mich offt vor Shakespearen, denn es kommt manchmal vor, dass ich beym ersten Blick dencke, das hätt ich anders gemacht! Hinten drein erkenn ich dass ich ein armer Sünder binn, dass aus Shakespearen die Natur weissagt, und dass meine Menschen Seifenblasen sind von Romanengrillen aufgetrieben.
Und nun zum Schluss, ob ich gleich noch nicht angefangen habe.
Das was edle Philosophen von der Welt gesagt haben, gilt auch von Shakespearen, das was wir bös nennen, ist nur die andre Seite vom Guten, die so nothwendig zu seiner Existenz, und in das Ganze gehört, als Zona torrida brennen, und Lapland einfrieren muss, dass es einen gemäsigten Himmelsstrich gebe. Er führt uns durch die ganze Welt, aber wir verzärtelte unerfahrne Menschen schreien bey ieder fremden Heuschrecke die uns begegnet: Herr, er will uns fressen.
Auf, meine Herren! trompeten Sie mir alle edle Seelen, aus dem Elysium, des sogenanndten guten Geschmacks, wo sie schlaftruncken, in langweiliger Dämmerung halb sind, halb nicht sind, Leidenschafften im Herzen und kein Marck in den Knochen haben, und weil sie nicht müde genug zu ruhen und doch zu faul sind um tähtig zu seyn, ihr Schatten Leben zwischen Myrten und Lorbeergebüschen verschlendern und vergähnen.
Soweit Original-Goethe, aus einer Zeit noch ganz ohne »Damen« zu den »meine Herren«! Wer will, kann sich nun üben im Lesen, kann die Orthographie bestaunen – in der das »dass« wie heute steht, »Maß« aber als »Maas« bezw. »Maaſ«. Siehe auch z. B. http://blogabissl.blogspot.com/2015/01/mild-auf-neue-rechtschreibung-andern.html.
Zum Inhaltlichen und zur Bedeutung schreibt wiederum die Wikipedia hier: »Zum Schäkespears Tag ist eine Rede von Johann Wolfgang von Goethe, die er am 14. Oktober 1771 anlässlich des Shakespeare-Tages in Frankfurt am Main in seinem Elternhaus vortrug; darin ehrt er den englischen Lyriker und Dramatiker William Shakespeare für sein Schaffen und drückt seine ganz persönliche Beziehung zu ihm aus. Sie gilt neben Herders Programmschrift Shakespear als wichtiges Dokument der Shakespeare-Begeisterung der Sturm-und-Drang-Zeit. Sie wurde zuerst 1854 aufgrund einer wahrscheinlich originalen Abschrift von Goethe abgedruckt in der Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur in Braunschweig.«
PS. Hab’ tags darauf doch die Rede ganz gelesen, und, pardon, mit dem gelben Marker. Shakespeare: »Wo im Ich die ›prätendierte‹ [d. h. angebliche] Freiheit unseres Willens mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt.« Das ist spannend.
Permalink http://blogabissl.blogspot.com/2015/01/neil-macgregors-germany.html
Direkt zu Goethe http://blogabissl.blogspot.com/2015/01/neil-macgregors-germany.html#Goethe
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