Vorausschickend ist noch zu sagen:
Vor dreißig Jahren bediente man Computer über Terminals, einfach Zeile für Zeile, ohne Maus oder Touchscreen.
Ein Beitrag von Fritz Jörn, Tandem Computers
Wenn Computer Menschen verbinden: »Electronic Mail« als Post von Bildschirm zu Bildschirm.
Hier die Erfahrungen eines eifrigen Benutzers mehrerer Electronic-Mail-Netzwerke:
Terminal, Februar 1981 Rechts oben ein »Klemmbrett« |
Die Abwicklung von Bildschirm-Post ist denkbar einfach, da in einer Benutzerführung am Bildschirm vom Computer die Fragen nach dem jeweils als nächstes gewünschten Schritt im Klartext gestellt werden und der Teilnehmer nur auszuwählen braucht.
Hier ein Beispiel:
Zunächst meldet sich der Benutzer beim Mailbox-System an, mit Namen, Passwort usw. – eine einzige, vertraulich gehaltene Zeile. Der Computer sagt dann freundlich »Guten Morgen« und benennt Datum und Uhrzeit. Nun lassen wir den Benutzer statt möglicher anderer Arbeit, wie etwa Datenbanken-Abfragen (z. B. nach allen offenen Forderungen über DM 5.000,-) oder Textbearbeitung (z. B. der Überarbeitung des Artikels über »Electronic Mail«) gleich die neugierige Frage nach »Post?« stellen. Das System denkt sekundenlang nach, und schon kommt die Überschrift des ersten Schreibens:
Von: Ort.Abteilung.Name Datum/Zeit
An: Ort.Abteilung.Name Verfasser.Datum
Thema "Pressemitt.-Begutachtung"
Lesen (1) Speichern (s) Antw. (a)?
Nun ist der Benutzer wieder am Zug. Tut er garnichts (»garnichts« ist für den Computer, was für die Schreibmaschine ein Wagenrücklauf wäre), so bleibt dieser Brief ungelesen weiter erhalten, und man kann ihn später bearbeiten. Der nächste Brief erscheint, etwa mit
Thema: "Anfrage Referenzinformation Peugeot"
Wollen Sie lesen (l), speichern (s), antworten (a)?:
Der Benutzer antwortet mit "l" für lesen und bekommt dann folgenden Text angezeigt: »Lieber Fritz (Dieser Dialog wird in einer amerikanischen Firma geführt, wie man an der Anrede sieht) – haben Sie Näheres über die Tandem-Installation bei Peugeot? Viele Grüße, Ihr Paul«.
Und wieder fragt der Computer:
Wollen Sie speichern (s), weiterleiten (w), antworten (a)?:
Nehmen wir an, der Benutzer erinnert sich eines Besuchsberichtes, den er vor einem halben Jahr schrieb und unter dem Dateinamen »Peugeot« mitsamt den zugeleiteten Berichten der Kollegen elektronisch abgelegt hatte. Er antwortet mit »a« für »antworten« und tastet gleich ein: »Lieber Paul, Sie haben Glück, Info kommt im Anschluss an dieses Memo, Ihr Fritz«.
Die Antwort kann beliebig lang sein; das System schickt sie mit zutreffendem Von/An/Thema-Kopf zurück. Je nach Systemkomfort kann man dann die Datei »Peugeot« gleich in die Antwort einbinden*) oder als getrennte Post hinterhersenden – elektronisch, versteht sich – können auch CCs, also Kopien, an Dritte weitergeleitet werden, samt der Originalanfrage oder ohne. Hier gibt es je nach System Varianten.
Aber gehen wir weiter im elektronischen Dialog: Nach den Mitteilungen, die für Sie nur persönlich bestimmt waren, kommen die Bekanntmachungen, d. h. Mitteilungen an alle oder an größere Personenkreise, wie diejenigen eines Werks oder aller Firmenangehörige eines Landes. Bei uns kommt z. B. an alle zweimal täglich der Tandem-Aktienkurs über das Netz. Bekanntmachungen sind zwar besonders als Rundschreiben gekennzeichnet – denn Antworten wären hier nicht sinnvoll – im Prinzip wird mit ihnen aber genauso wie mit persönlichen Mitteilungen verfahren.
In der Praxis fragt man meistens morgens (oft auch zwei-, drei- oder mehrfach) die »Post« ab, erledigt manche Anfrage sofort, anderes schiebt man auf, oder – auch das ist möglich – man druckt es zur späteren »manuellen« Bearbeitung am Drucker aus. Wir haben dafür einen Typenraddrucker pro Stockwerk im Büro, der auch zur Ausgabe von Texten (wie z.B. diesem) dient.
Klärend muss gesagt werden, dass unser firmeneigenes Rechnernetz in erster Linie anderen Aufgaben und nur zusätzlich auch der »electronic Mail« dient: die elektronische Koordination der Fertigungsplanung in sechs weltweit verstreuten Herstellungswerken, allgemein die kombinierte (»relationale«) Abfrage örtlicher und entfernter Daten, aber auch Vorführungen und Tests sind die Hauptaufgaben.
Elektronische Post kann man, wie schon gesagt, auch weiterleiten oder von der Ferne nutzen. Man kann sie sogar, z. B. mit einem tragbaren Terminal per Telefonleitung von zu Hause abfragen – was davon abhängt, wie »offen« die Computer-Netze sind, die benutzt werden. So könnte z. B. auch ein Bildschirmtext-Fernseher angeschlossen werden, obwohl kleine druckende Terminals oder »Personal Computers«, die als »Schreibmaschine« gedacht sind, sich zur professionellen Korrespondenz-Bearbeitung sicher besser eignen, als der bunte Familien-Bildschirm mit nur 39 Textspalten.
Tandem-NonStop-System am Kuweit Finance House, Bagdad 1981, mit Mohamed Rafaat Farag an der Konsole, Service-Manager der Tandem-Vertretung, damals, dort … |
Wir waren keineswegs gezwungen, so zu verfahren. Wir hätten uns ja auch die elektronische Post insgesamt morgens ausdrucken lassen und »klassisch« bearbeiten können. Dass wir mit dem neuen Hilfsmittel »systemgerecht« verfahren, geschah, weil wir den praktischen Nutzen der neuen Vorgehensweise sehr schnell erkannten .
Ist Bildschirmpost nur ein futuristisches Hilfsmittel für große Konzerne oder weltweit operierende Organisationen? Sicherlich nicht. Die Technik der Kommunikation über Bildschirm wirkt sich nicht nur in internationalen Unternehmen aus. Sie hat auch entscheidende Vorteile selbst dann, wenn alle Teilnehmer in einem Hause sind – weil zur Kommunikation die Beteiligten nicht gleichzeitig da sein müssen, weil in einfachster Weise weitergeleitet, kopiert, an Verteiler geschickt, weil fortgeschrieben oder elektronisch abgelegt werden kann, weil man sich klar und eindeutig schriftlich mitteilt. Und das alles fast zeitlos, sicher und mit geringstmöglichem Aufwand.
Freigabedatum: 8. August 1983
*) E-Mails waren in der Vor-Mime-Ära auf Text beschränkt. Binärdateien wie Bilder oder Programme zu versenden, ging erfolgreich nur, wenn beide Seiten passende Ver- und Entschlüsselungsprogramme (zuvor ausgetauscht) hatten. Das machte Mail datentechnisch sehr effizient. Für E-Mail-Fächer, etwa bei Compuserve oder Leues Geonet musste man zahlen, bei Zerberus oder Fidonet brauchte man ein Guthaben für die nächtliche Weiterleitung über das lokale System hinaus, weshalb Übergänge selten waren und geschlossene Systeme vorherrschten. Dazu kam noch die europäische »Alternative zur Internet-Mail« (Wikipedia) mit den unhandlichen X.400-Adressen.
Sanft neu rechtgeschrieben. Siehe auch http://www.Joern.De/Email1983.pdf
März 1981. Die Tandem-eigenen NonStop-Systeme für Verwaltung, Kundenbetreuung und Demonstration verbinden Tandem-Geschäftsstellen, -Werke und -Vertretungen. Sie laufen in einem weltweiten Systemverbund. Daten und Nachrichten stehen dem Empfänger verzögerungsfrei zur Verfügung (electronic Mail). – Aus meinem Artikel »Breitband via Satellit« (s. Artikel) – Bilder klickbar! Man beachte die 9,6 kbit/s (denk’ ich mal, nicht kByte) »Standleitung« Cupertino—Frankfurt und Datex-P. |
Link hierher: http://blogabissl.blogspot.com/2015/01/e-mail-1983.html
Auch immer noch schön zu lesen aus dem Mai 1981 meine
Kuwait-Impressionen rund um ein Banken-Informations-Netz.
Alle Kuwait-Fotos Jörn
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