Jetzt lebe ich zuweilen in Südtirol, einer Gegend mit fast so bewegter Geschichte. Heute ist Südtirol sauber zweisprachig.
Schon aus Respekt vor den Einheimischen mag ich mich nur selten Südtiroler nennen, obwohl ich dort in die Volksschule gegangen bin.
Beispiele
Als Erstes sollten sich Navigationssysteme mit mehreren Sprachen gleichzeitig abfinden. Selbst, wenn sie auf Deutsch eingestellt sind, reden sie von Merano (mit langem O) und haben die Orts- und Straßennamen hauptsächlich nur italienisch im Speicher, weil Tolomei alles bis zum letzten Kieselstein italienisch benannt hat. Die deutsche Aussprache italienischer Ortsnamen durch Navigationssysteme gibt gern zu Belustigung Anlass. Auf Landkarten sind ausschließlich italienische Namen zwar platzsparend, sie werden der Zweisprachigkeit aber nicht gerecht. Kein Bauer am Ort kennt den italienischen Namen unseres Bauernhofs.
Wichtiger als die Benennung, die Charakterisierung von Orten ist die von Menschen.
Nehmen wir Reinhold Messner. In der Wikipedia steht er da und ist »aus Südtirol«. Sauber. Henry Kissinger wird erst als US-amerikanischer Politikwissenschaftler und dann als jüdischer Deutschamerikaner dargestellt. Was ich recht treffend finde. Bei älteren Pesönlichkeiten wird’s allerdings oft schwieriger. Nikola Tesla, für mich ein (nach Amerika ausgewanderter) Serbe, steht ganz ohne zugeordnetes Land in der Wikipedia. Korrekt, aber schade, erschließt sich dessen Zuordnung doch erst in seinem Lebenslauf. Auch Kopernikus wird nicht als Pole bezeichnet, Cäsar nicht als Italiener, sondern nur als Römer.
Heinrich-Heine-Denkmal aus dem Jahr 1982 von Ulrich Rückriem im Bonner Hofgarten: Nur »Heinrich Heine« steht drauf, total ohne Erklärungen. |
Dass er Jude war, mag man heute so direkt nicht schreiben. Ich kenne noch die Zeit, wo man das ohne Angst, »politisch« anzuecken, sagen konnte. Negativ war’s meist nicht gemeint, in unserer Famile gewiss nicht. Großvater sprach gerne über seine jüdischen Freunde, mit denen er bis zu seinem Lebensende verbunden blieb. Hier das Thema in seinen Memoiren.
Nehmen wir zum Schluss noch den »ehemaligen italienischen Skirennläufer und Motorsportler« Kristian Ghedina. So richtig italienisch klingt mir dieser Kristian mit K nicht, und Ghedina lässt mich einen Ladiner vermuten. Richtig. Er lebt in Cortina und ist mit Patrizia Auer verlobt, hier im Bild, 2012 in Davos. Die beiden sind zwar für Italien gestartet, aber vielleicht bezeichnet man sie besser als Ladiner? Oder wäre das zu speziell?
Es wäre an der Zeit, wieder zu guten und aussagekräftigen Einodnungen – besser: Kurzcharakterisierungen – von Menschen zu kommen, in unserer »globalen« Welt. Und da spielen eben Herkunft, Rasse (darf man’s schon sagen?), Muttersprache und des Betroffenen eigenes Gefühl der Zugehörigkeit (obwohl man sich’s nicht aussuchen kann, wie einen die Leute nennen!) eine größere Rolle als die Staatsangehörigkeit, die erste, oder die letzte, oder welche?
Ich jedenfalls bin Doppelbürger, und man muss mich inzwischen wohl fragen nach wer oder was ich bin. Ich sage dann Deutscher, wenn’s um Sprache und »Ethnie« geht, und Österreicher sonst, weil’s so schön ist.
Link hierher: http://blogabissl.blogspot.com/2015/08/nationalitat-oder-herkunft.html
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