10. Mai 2012

Tiergeklone

Beim Abendessen hatte ich mit Carla über Biologie gesprochen. Sie lernen gerade über Blüten und Bestäubung, über Früchte und Samen und Fortpflanzung. Carla mag Biologie. Da hab’ ich sie natürlich gefragt, ob es noch andere Arten der Fortpflanzung gibt, und meinte: für Blumen. Wir kamen dann auf den wuchernden Efeu. An eine Efeublüte konnten wir uns beide nicht erinnern.
···In der Nacht drauf habe ich vom Klonen von Hunden gelesen, im neuesten Folio der Neuen Zürcher Zeitung. Hier kann man sie lesen, die Geschichte von Wolfies Auferstehung von John Woestendiek. Irr wie ein menschlicher Mondflug.

Im Foto John Woestendiek mit seinem (ungeklonten) Hund Ace, Foto Brendan Finnerty (von hier). Mit Ace wanderte er ein Jahr durch Amerika, das Buch heißt Travel with Ace
Sein Buch über Hundegeklone heißt Dog, Inc. (The Uncanny Inside Story of Cloning Man's Best Friend).

Die Frage ist hier natürlich die nach dem Individuum. Biologisch ist ein geklonter Hund eine Art spätgeborener Zwilling. Zwillinge mögen »eineiig« sein, jeder ist dennoch sein eigen, ein gesondertes Individuum. Philosophisch (hierorts immer noch mit zwei ph) mag das differenzierter sein, ich weiß nicht, bin keiner. Die Individuum-Frage sehe ich nicht »von innen«, also absolut und abstrakt, ich sehe sie ganz persönlich aus meiner eigenen Sicht. Was ist mir ein Individuum?
···Schon als Bub habe ich alle Geräte wenn möglich aufgeschraubt, untersucht – und verändert. Noch heute bin ich glücklich, wenn ich die eine oder andere kleine Änderung dranbasteln kann, möglichst reversibel und minimalinvasiv. Das macht sie eigen, Einzelstück, Individuum. Meine Rechner haben einen speziellen Tastaturtreiber, was einen Fremden verwirren mag, wenn er etwa das Plus (+) sucht oder den Unterstrich (_). Mein schönes Brion-Vega-Klappradio bekam vor Jahren einen Tonabnehmereingang und läuft statt mit dicken Batterien über ein Netzteil. Seit die Glühbirne durchgebrannt ist funktioniert die Skalenbeleuchtung des Küchenheredes mit einer Sparlampe, sparsam aber nicht immer praktisch. In Fernthermometern und -bedienungen stecken kleine Anleitungen, wie bei Batteriewechsel zu verfahren ist. Meinen Stromzähler kann man fernablesen. Ein Telefon von vor dem Krieg (dem Ersten) ist angeschlossen. Undsoweiter. Das Minimum ist ein Aufkleber.
···So werden mir selbst technische Dinge, Serienprodukte, nicht nur gut eingelaufene Lieblingsschuhe oder schwiegermütterliche Wollmützen zu Individuen. Ich hänge dran. Man schenke mir nur mit Vorsicht Neues. Weil mir das Gewohnte zum Individuum geworden ist, das ich nicht missen möchte. Ein wenig geht es so doch allen, oder?
···Die Ersatzfrage. Wenn so ein gutes Stück (ich rede nicht einmal von Tieren, von Hunden bis zu Goldfischen) kaputtgeht, verloren, unbrauchbar wird? Sofort nachkaufen, wäre die Devise, wir wohnen ja in der Innenstadt. Zuweilen tu ich’s, wenn etwa mein kleiner Bleistift weg ist. Wenn möglich halte ich aber – selbst bei industriellen Serienprodukten – eine kleine Trauerfrist ein, sozusagen ein Fasten auf technischem Gebiet. Denn Individuum ist, was ich dazu mache.

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