24. Februar 2010

Ein eher zufällig zustande­ge­kommener Mail­wech­sel mit einem an­ge­hen­den ka­tho­li­schen Geist­lichen – den ich bei Gott nicht weiter kenne – hat mich ver­an­lasst, mich zu fragen, was er wohl ins­ge­heim denkt über diese, wie ich finde, un­sinnige Vor­schrift. Also will ich, ohne ihn direkt an­zu­sprechen, einmal darüber sinnieren. (Das Bild links stammt übrigens aus der Wikipedia, Stichwort Zölibat.)

Gedanken zum
Zölibat

Ob und wie sich der Zöli­bat aus Bibel und oder Über­lieferung her­leitet, das ist mir einerlei. Als alter Inter­nats­schüler, der neun junge Jahre unter Aufsicht von »Er­ziehern« (Lehrern) war, weiß ich, wie wir jeden Erzieher für uns verloren gaben, sobald er heiratete. Besonders die jungen hörten auf, mit uns in die Berge zu gehen oder Blumen zu botanisieren, Sport zu treiben oder abendelang herumzudiskutieren, wenn sie frisch ver­heiratet waren. Ehelosigkeit – möglichst auch Verliebtlosigkeit – lässt einfach mehr Hingabe zu für den Job, sei es als Erzieher, Lehrer, Meisterschachspieler oder Soldat im Krieg. Also: Zölibat – bestens!

Die Frage ist nur: Muss das sein? Und da meine ich, und wohl mit mir die Mehrheit der Gläubigen: Nein. Es geht auch ohne, also mit Frau, mit Familie, mit anderen Sorgen als bloß um die Schäfchen der Gemeinde. Die Protestanten beweisen es alle Tage, mein seliger Großvater war Prediger. Und die Protestanten finden leichter Nachwuchs. Die »Qualität« protestantischer Pastoren ist, meine ich, einfach besser. Denn es gibt Wichtigeres für einen Seelsorger als Enthaltsamkeit.

Dennoch: Die Kirche verlangt’s, jedenfalls bis dato. Eigentlich eine Gemeinheit. Wer zum »Gottesdienst« berufen ist, sollte ihn – ohne römisches Wenn und Aber – leben können. Doch dieser zornige Gedanke hilft unserem Priesteranwärter nichts, im Gegenteil. Gleichmut habe die Seele vor Gott.

Als Trost darf ich anbieten: Es geht auch ohne Sex. Die Vorstellung, Sex sei so etwas wie Verdauung und müsse regelmäßig stattfinden, sonst sei man konstipiert und unpässlich, ist Unsinn. Es geht auch ohne die Entspannung in der Hypophyse, oder wo auch immer. Rauchen ist schwerer aufzugeben als Sex – sage ich mal als Nichtraucher. Wenn also die katholische Kirche Zölibat verlangt, und wenn einem die Berufung wichtiger ist, sollte man’s in Kauf nehmen. Oder zur Konkurrenz abwandern, konvertieren zu den Protestanten.

Soviel in aller Peinlichkeit und Kürze.

Nachtrag: Das Zwangszölibat gibt es seit 1022. Dazu die Wikipedia: »Im Jahre 1022 ordnete Papst Benedikt VIII. auf der Synode zu Pavia gemeinsam mit Kaiser Heinrich II. an, dass alle Geistlichen künftig nicht mehr heiraten durften. Da es für Priester üblich wurde, die Heilige Messe täglich zu zelebrieren, spielte dabei vor allem die kultische Reinheit eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass sonst Kirchenbesitz an die Kinder der Geistlichen vererbt worden wäre. Verstöße gegen den Zölibat wurden mit Kirchenstrafen belegt, und bereits verheirateten Geistlichen wurden Amt und Besitz entzogen. Zur Zeit von Nikolaus II. wurde durch die Lateransynode von 1059 jenen Priestern die Zelebration der Heiligen Messe verboten, denen ein notorisches Konkubinat nachgewiesen werden konnte.«

Hirtenbrief vom 4. August 2009 Kardinal Meisners über den Zölibat: »Zeichen von Gottes Nähe und Treue« (Druckansicht). – Meines Erachtens den Zölibat mit schönen Worten höchstens lobend, nur nicht schlüssig in der Aussage, dass ein Priester nur so ein Priester sein kann. Als dieser Brief im vorigen Jahr vorgelesen wurde, war bei uns gerade passend ein Priester der Ostkirche zu Besuch mit seiner Frau. Ich bin dann einfach weggegangen. (Meisner: »Freilich gibt es auch verheiratete Priester, etwa in den Ostkirchen. Doch auch dort wird die Lebensform unverheirateter Priester hoch geschätzt, so sehr, dass nur Zölibatäre zum Bischofsamt berufen werden.«)

Link zu diesem Blog-Eintrag:
http://blogabissl.blogspot.com/2010_02_01_archive.html#Zoelibat


Weitere religiöse Themen bei mir:
Gottesglauben – Strenge des Gottesbildes
Sondern erlöse uns von dem Übel – Kein Jammertal mehr hier! (3. 2. 9)
Beten, wozu? (22. 10. 7)
Soft-Gott (27. 4. 8)
Für euch und für viele – oder alle? Pro multis (8. 3. 9)
Der gute Mensch von Saratow – Bischof Clemens Pickel (15. 2. 9)
Billig und heilsam – verschwunden
Es geht bergab mit der Kirche (12. 9. 7)
Die Namen-Jesu-Kirche in Bonn (27. 12. 8)
Sonntagsstimmung (26. 8. 7) und weitere Geschichten
Zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf – sprachliche Gedanken

Keine Kommentare: