Die Achtundsechziger
1 Stück Aufgabe am 3. 3. (?) 1962 – 312 151 von München Hbf nach Berlin Zoo über Probstzella \\WDMYCLOUDEX2\Public\Bilder\200706\Rohrplattenkoffer (2).jpg |
Ich studierte also zur Zeit der 68er – bis 1969 – an der Technischen Universität Berlin. Vom ganzen 68er-Rummel habe ich nichts mitbekommen. Nicht, als ob wir »Techniker« Veranstaltungen gemieden hätten. Ich erinnere mich noch jeweils dreitägiger Faschingsveranstaltungen der bildenden Kunst, gegenüber dem Steinplatz-Kino, das wir wegen der Eddi-Spätvorstellungen stets gerne besuchten. Nur hat uns halt Politik weniger interessiert, vor allem nicht diese eskalierende Gewalt, erst einmal gegen Sachen, bald gegen Leute, das bleibt nicht aus. Es ging um Persien. Was hatten wir mit Persien zu tun? Gab es in Deutschland nichts demonstartionswürdiges? Die Teilung? Die Schikanen durch den Osten. Überhaupt die Eingesperrten in der Zone, wo es ja ganz nett und billig war (vor allem die Schallplatten), so schön nicht-hochglanz, fast waldorfsch tät man heute sagen, aber halt doch recht eingeschränkt.
Warum sollte der Schah nicht mit Gattin in die Oper gehen, die Waschebeton-hässliche? Das war zwei Häuserblocks von mir entfernt. Ich lebte in einem gemütlichen Laden in der Hebbelstraße, einer wegen Bodensenkung gesperrten Nebenstraße der Charlottenburger Schlossstraße. Ich bin doch nicht zu dem Rabatz gegangen, hab mir das im Radio angehört, die gegenseitigen Sprechchöre, dann die Nachricht über den Tod von Benno Ohnesorg, angeblich eingekesselt in einem Innenhof. Entsetzen machte sich breit, sonst nichts.
Inzwischen wird der arme Mann hingestellt fast wie ein zufälliger Passant, der unter die Räder der Polizei gekommen ist. Man musste damals nicht hingehen. Man durfte auch studieren. An der »Freien Universität« im Berliner Süden war das wohl weniger üblich. Überhaupt haben uns meiner Meinung nach die 68er in Deutschland um rund dreißig Jahre zurückgeworfen. Wir haben statt einer Entwicklung unseres Gemeinwesens, statt Computer zu erfinden und fleißig den Wohlstand zu mehren, statt unsere Kinder auszubilden die Belastbarkeit des Staates, die Durchlässigkeit der Institutionen getestet. Wir haben uns abgekoppelt, die 68er von der Welt, die Bürger vom Staat.
Persönlich fand ich den ganzen Zauber bis hin zu den Demonstrationen gegen Startbahnen, Atomkraftwerken, Straßenbauten usw. als tief undemokratisch. Mit großem Aufwand von Moralin und staatlichem Geld wurden Heerscharen von Polizisten bereitgehalten, gewaltsamen Widerstand möglichst liebevoll zu beenden. Wer »nur« zur Wahl ging wie ich, der war der Dumme. Seine Meinung war nicht gefragt und kam selten zur Wirkung. Nur wer sich Zeit nahm, umherzudemonstrieren, sich auf Straßen zu setzen oder an Gleise zu ketten, wurde ernst genommen. Demokratie wurde buchstäblich mit Füßen getreten. Und jetzt – haben wir da eine?
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