Lizenzausgabe für den Bertelsmann-Lesering, ohne Jahr |
Heutzutage rauscht man über den »großen« Walserberg und hält dort höchstens für die »Vignette« an (’s »Pickerl«) oder zum Tanken im weniger teuren Österreich.
In den Fünfzigerjahren sind wir dort oft passiert, auch am kleinen Walserberg. Dann gab’s noch den selten verwendeten Übergang in Groß Gmain, den nahm ich, wenn ich mit dem Fahrrad auf Tour war, selten; und natürlich den Pass am Dürrnberg oberhalb von Hallein bezw. den Salzbergwerken, dem in Deutschland und dem in Österreich, tiefer unten unterirdisch verbunden.
Ich such’ mal rasch die Koordinaten heraus: Dürrnberg 47.664820, 13.079166, Groß Gmain 47.724440, 12.904854, »kleiner« Walserberg Landstraße 47.771006, 12.942194, »großer« Walserberg Autobahn 47.768388, 12.943213.
In den Fünfzigerjahren, als ich aufs Gymnasium ging, haben sich meine Eltern in Oberalm (47.697396, 13.106193) ein Haus gebaut, das ist bei Hallein, und das südlich von Salzburg. Ich war in meiner bundesdeutschen Schule, dem Landschulheim Marquartstein in Bayern geblieben. Alle vier Wochen durften wir »heimfahren«. Ich fuhr mit dem Zug, unter Dampf oder später mit dem Schienenbus erst nach Übersee (so heißt der kleine Ort am Chiemsee), dann nach Freilassing oder direkt bis nach Salzburg. Die Eisenbahnhauptstrecke zweigte damals in Freilassing nach Bad Reichenhall ab, Endstation für die Deutsche Bundesbahn.
Horst Buchholz (rechts) 1957 als »Hochtapler« Felix Krull*) an der deutsch-französischen Grenze (Film Min. 18:35) |
Bei der Grenzkontrolle am Bahnhof musste ich mein schwarzes Köfferchen aufklappen (ich hab’s noch), wie ein paar Jahre später Horst Buchholz im Bild rechts. Wie dort fand die Kontrolle nicht im Zug statt; nur durchgehende Züge hatten dieses Vorrecht – das sie aber stets sehr lang an der Grenze festhielt. Deshalb musste ich bei meiner schnellsten Verbindung über zwei Grenzen nach Bozen siebenmal umsteigen!
An den Wochenenden sind wir damals viel spazierengegangen und kamen dabei öfter »über die grüne Grenze«, etwa zwischen den Halleiner Barmsteinen. Dazu sollte man offiziell einen Schein für den »kleinen Grenzverkehr« haben; mit dem Reisepass war das Passieren der Grenze nur über kontrollierte Übergänge erlaubt. Also hatte mir meine Mutter auch so einen Passierschein besorgt, den nur grenznahe Einheimische bekamen.
Zurück zu Kästner. Bis zum »Anschluss« war man in Teilen Österreichs noch links gefahren. Das beschreibt er im Eintrag »Salzburg, 22. August [1937], mittags« so: »Der einzige Unterschied ist der, dass in Deutschland die Autos rechts, in Österreich hingegen links fahren müssen«. Mehr Erinnerungen dazu hier.
Grenzen musste man in den Fünfzigerjahren ernst nehmen – deutsch-österreichische nicht so ernst wie die mit dem Osten, aber immerhin. Einmal war ich mit meinem Stiefvater und seinem weißen Porsche aus München von der Baumaschinenausstellung »Bauma« zurück, wo er sich »Schalzecken« hatte andrehen lassen, kurze eiserne, zu einem Z gebogene Bänder, mit denen man angeblich Holzbalken provisorisch schnell und leicht verbinden konnte. Durch das Rückfenster sah der Zollbeamte diese Dinger. Sie mussten verzollt werden. Dazu wurde ihr vorgeblicher Wert in Goldmark umgerechnet, und davon dann der Zoll genommen. Als frecher Bub murmelte ich etwas von: »Die sind doch aus Eisen!«, was uns vom ohnehin genervten Zöllner eine scharfe Rüge einbrachte.
Die Stimmung in Kästners Kurzgeschichte ist wie bei »Sound of Music«, nur trockener, weniger kitschig. Kästner kommt nicht bis zum Absingen der (von den meisten Amerikanern dafür gehaltenen) österreichischen Nationalhymne, Edelweiß (original, deutsch) – »that’s my homeland forever«. Edelweiß ist von Oscar Hammerstein (dessen deutsch-jüdische Abstammung nur in der englischen Wikipedia steht). Die alte österreichische »Kaiserhymne« hatte schon 1922 Deutschland übernommen, woraufhin sich Österreich immer wieder neue basteln musste, die keiner kennt. Die jüngste ist bereits gesetzlich »genderisiert«. Auf die gestörte Metrik pfeift sie.
Kästner schreibt die Geschichte in seinem unnachahmlichen Stil. Man hört Kästner förmlich vorlesen, wie eines seiner Kinderbücher. Knappe Sätze wie in einem Film. Und doch immer wieder Schalk, den man erst beim Lesen sieht. Die Bilder, eher Vignetten, sind wie immer von Walter Trier.
Eine begeisterte Leserin schreibt mir:
»Das Buch wurde zweimal verfilmt. Die erste Fassung [schwarzweiß] stammt aus dem Jahr 1943 mit Willy Fritsch und Herta Feiler, hab ich aber leider noch nie gesehen [Gibt’s hier, 78 Min.]
Die zweite Verfilmung aus dem Jahr 1953 [›Salzburger Geschichten‹, Wikipedia] mit Paul Hubschmid und Marianne Koch (klingt besetzungstechnisch ja eher vielversprechend) hat jedoch nicht wirklich den Charme des Buches [Farbfilm]. – Für Dich als alten Salzburger aber mit wirklich schönen Ansichten der Stadt. Habe irgendwo die DVD, werde Dich gerne das nächste Mal damit ›beglücken‹ ... « – Danke!
Interessant ist, dass das »Reich« doch nicht ganz auf den Bestsellerautor Kästner hatte verzcihten wollen, jedenfalls nicht für den Film: »Sein Schreibverbot wird Anfang der 1940er-Jahre für Aufträge der UFA aufgehoben, die Sondergenehmigung wird von Goebbels persönlich erteilt. Doch schon 1943 erhält Erich Kästner das endgültige Schreib- und Publikationsverbot, auch für das Ausland«, weiß das Literaturportal Bayern. Trotzdem: Im Film aus dem Jahr 1943 ist Kästner nicht genannt …
*) Schön auch der Felix-Krull-Fernsehfilm von 1981 mit der damals 23-jährigen, jüdelnden Despina Pajanou als Rosza: https://youtu.be/uObIkhFBYMo?t=11m55s.
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